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Wenn Ernie Bert vom Schlafen abhält

Ernie und Bert, Bibo, Grobi, Oscar aus der Tonne - all diese liebenswerten Figuren hat die Sesamstraße hervor gebracht. In Deutschland wurde die Kindersendung vor bald 40 Jahren das erste Mal ausgestrahlt. Eine Ausstellung in Berlin ruft Erinnerungen wach.

Von Michael Meyer |
    "Quietscheentchen, nur mit dir ..."

    Was war meine Mutter froh, als in den siebziger Jahren in der Sesamstraße Ernie mit seinem Quietscheentchen in die Badewanne stieg und daraus auch noch einen Song machte – bedeutete das doch, dass von nun an die abendliche Badeprozedur deutlich einfacher werden würde. Weniger begeistert war sie vom Krümelmonster:

    "Seht mal hier, hier habe ich einen riesengroßen Teller voller leckerer Kekse. Kekse. Ich liebe Kekse."

    Denn von da an waren Kekse und Süßigkeiten noch attraktiver. Doch wie man's dreht und wendet: Von den Sesamstraßen-Figuren konnte ich viel lernen, etwa von Graf Zahl, der das Zählen liebte. Oder von jenem windigen Mafioso, der immer den Mantel aufmachte und Buchstaben verkaufte, nach dem Motto: Kaufen Sie ein "L" oder: Kaufen Sie ein "B". Aber auch die anderen Figuren waren mit so viel Liebe gemacht, dass sie auch Jahrzehnte danach noch funktionieren: Der tapsige Grobi oder Oscar aus der Tonne, der Müll in jeder nur erdenklichen Form liebt.

    Am meisten in Erinnerung bleiben aber Ernie und Bert – heute, in der vierten Generation der Puppenspieler, werden sie gespielt von Martin Paas und Carsten Haffke:

    "Es wird, glaube ich, immer so bleiben, dass Ernie Bert vom Schlafen abhält. In den Grundzügen sind die Figuren schon stringent - die wurden ja auch so konzipiert. Bert ist ein sehr aufrechter Charakter, auch, was seine Gemütsverfassung scheinbar angeht. Ernie ist eher breit, erdig. So sind die Figuren auch gebaut und das charakterisiert sie natürlich. In den Grundzügen sind die so, wie sie immer waren. Man sieht vor allem an der Physiognomie, dass die sich verändern. Auch von Bert, wenn man da die ersten Spots sieht: Die Augenbraue ist noch unbeweglich und viel buschiger und sitzt direkt auf den Augen drauf. Und da sieht man so, dass auch die Puppenbauer und die Macher echt eine Menge gelernt haben. Die Figuren sind echt das perfekteste, was ich je in der Bauart gesehen habe."

    In der Ausstellung im Berliner Filmmuseum sind die Puppen von Ernie und Bert leider nicht zu sehen, dafür aber die von Grobi, von Tiffy, Samson in der Hängematte und auch Kostüme der Schauspieler, die in der Sesamstraße zu Gast waren: Anke Engelke trug beispielsweise ein aufwändiges Hexenkleid. Neben jeder Menge Ausschnitten aus der Serie aus allen Jahrzehnten erfährt man im Filmmuseum auch einiges über die liebevolle Machart der Puppen aus dem Hause Jim Hanson und Frank Oz, jene Künstler, die auch die Muppet-Show kreiert haben. Den beiden waren die Gesichter der Puppen wichtig und auch, dass man möglichst keine Nähte sehen sollte, der sogenannte "Hanson-Stitch".

    "- "Ah guten Tag, lieber Frosch, heute ist dein glücklichster Tag, darf ich eintreten."
    - "Ach nein, Grobi."
    - " Jeder braucht eine Zahnbürste, Fröschlein.""

    In Deutschland gab es 1973 durchaus Debatten, ob die Serie überhaupt geeignet ist für kleine Kinder. Täglich eine Sendung für junge Zuschauer - und dann auch noch Monster als Puppen: Kann das gutgehen? Der Bayerische Rundfunk hat sich denn auch in den ersten Jahren ausgeklinkt und strahlte die Serie erst ein paar Jahre später aus.

    Ab 1976 gab es eine deutsche Studiokulisse, mit hierzulande bekannten Schauspielern, etwa Manfred Krug. Und mit eigenen Puppen wie Tiffy und Samson. Von 1980 bis 1983 spielte Horst Janson in der Serie mit, damals war vieles harmloser, aber auch liebevoller als heute – und das Spielen mit Puppen sei auch gar nicht so schwer gewesen:

    "Da gewöhnt man sich ganz schnell dran, dass man mit der Puppe so spricht, wie ich jetzt mit ihnen spreche. Ich habe denen auch in die Augen geguckt, dem Samson auch in die Augen geguckt. Und wir haben unsere Dialoge gehabt. Wir sollten ja die Puppen so behandeln, als wären es Menschen."

    Und so wird man in der Ausstellung eine Reihe von Erinnerungen aus 40 Jahren Sesamstraße finden, die generationenübergreifend Bestand haben. Und jeder hat da so seine Vorlieben und Abneigungen – Tiffy und Herr von Bödefeld mochte ich beispielsweise nie – zu besserwisserisch und arrogant waren die beiden. Und Bibo und Samson waren als Figuren zu groß und klobig. 40 Jahre und noch immer jung: Bis heute können sich auch kleine Zuschauer für die Sesamstraße begeistern. Ihre Favoriten:

    "Ernie und Bert und Oscar. Der mag nämlich sehr gerne Müll."

    "Quietscheentchen, ich hab dich so furchtbar lieb …"

    Ausstellungsinfos:
    "40 Jahre Sesamstraße"
    Museum für Film und Fernsehen, Potsdamer Straße 2, 10785 Berlin
    Bis 7. April 2013
    täglich, außer Montags, geöffnet von 10 bis 18 Uhr