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Wenn Filmmusik und Avantgarde aufeinandertreffen

"Still Smiling" heißt Blixa Bargelds und Teho Teardos gemeinsames Album. Bargeld ist der Kopf der Band "Einstürzende Neubauten" und der Italiener Teardo ist vor allem in der Filmmusikbranche zu Hause. Ihr Album ist ein trilinguales, bilaterales Machwerk, das über zwei Jahre in Berlin und Rom produziert wurde.

Von Luigi Lauer |
    Mit diesem Lied fing alles an: A Quiet Life, von Blixa Bargeld und seinem italienischen Kollegen Teho Teardo gemeinsam für einen Filmsoundtrack geschrieben. Die beiden begriffen, dass dies der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden könnte, zumindest aber einer fruchtbaren Fernbeziehung. Die ist aber meist schwierig; dann zumal, wenn die musikalische Reifeprüfung in unterschiedlichen Fächern abgelegt wurde. Teho Teardo schreibt überwiegend Film- und Theatermusik, was seinen Grund hat.

    "Wann immer ich bei meiner Großmutter war, liefen Hörspiele, man könnte auch sagen: Theater. Theater im Radio. Das hat sicher einen großen Einfluss auf mich ausgeübt, denn das ging über Jahre, und ich liebte es. Es war ja auch Musik dabei, Stimme und Musik, das fand ich sehr interessant."

    "Stimme und Musik" – dieses Begriffspaar würde man nur bedingt zur Charakterisierung der Musik der Einstürzenden Neubauten verwenden. Und Blixa Bargeld mag man sich auch eher als Chefsprecher einer Performance vorstellen, denn als jemanden, der an Partituren herumwerkelt. Oder?

    "Ich würde mich nicht als Performance-Künstler bezeichnen. Ich bin Musiker, aber einer der seltenen Spezies einer Untergruppierung, die sowohl avantgardistisch als auch unterhaltsam sein will."

    Es ist also doch kein Clash of Sounds mit Abrissbirne und Presslufthammer zu befürchten, weil hier Filmmusik und Avantgarde aufeinandertreffen.

    Teho Teardo:
    "Das kann man auch nicht so scharf trennen, die Grenzen diesbezüglich verwischen auch."

    Blixa Bargeld:
    "Wir kommen zwar aus verschiedenen Ländern, aber unsere musikalische Sozialisation ist so unterschiedlich nicht. Und auch unser Hintergrund als Musiker weist Parallelen auf, Teho steht, genau wie ich, mit Bands auf der Bühne und geht auf Tournee. Und die Plattensammlung, die er zu Hause hat, ist ebenfalls von meiner nicht sehr verschieden."

    "Still Smiling" ist ein trilinguales, bilaterales Machwerk, für das die heutigen Möglichkeiten der Fernzusammenarbeit weitestgehend ignoriert wurden. Keine MP3-Files gingen hin und her. Stattdessen besuchte man sich gegenseitig, volle zwei Jahre lang. Das eine Studio: Rom, gleich hinter dem Hauptbahnhof, ein rein asiatisches Viertel; im Vorführraum eines ehemaligen Kinos bastelt Teho Teardo an seinen Alben und Soundtracks. Das andere: das Studio der Einstürzenden Neubauten in Berlin-Wedding, quasi das türkische Gegenstück, in einem grauen Hinterhof gelegen. Die Musik, die dabei herauskam, ist vor allem dies: überraschend und unerwartet.

    Teho Teardo:
    "Wir haben uns darauf konzentriert, richtige Lieder zu schreiben, und Blixa kam mit der Idee an, in verschiedenen Sprachen zu singen. Es sollte der Klang von Kammermusik sein, aber im Gewand von Liedern."

    Blixa Bargeld:
    "Ja, es ist Kammermusik. Für mich bedeutete dies, dass die Texte sehr intim, sehr privat, sehr persönlich sein konnten. Der größte Unterschied zu dem, was ich bislang gemacht habe, ist aber, dass kaum Schlagzeug oder Perkussion dabei ist. Was ich mit den Neubauten gemacht habe, war ja gerade vom Rhythmus getrieben, wir hatten ja alleine zwei Perkussionisten in der Band. Man hätte alles weglassen können, aber nicht die Percussion."

    Teho Teardo:
    "Und doch ist sehr viel Rhythmus dabei. Er entsteht halt durch den Einsatz von Gitarren oder pizzicato gespielten Streichern. Wir haben den Rhythmus mit anderen Mitteln erreicht, deswegen vermisse ich überhaupt keine Percussion."

    Wo die Texte einer gewissen Intimität und Intensität nicht bedurften, weil die Musik an sich genug tragende Wände hatte, haben auch schon mal Google oder Wikipedia ausgeholfen. So geschehen bei dem Lied Buntmetalldiebe.

    Der große Vorteil des kargen kammermusikalischen Umfeldes auf "Still Smiling" ist dieser: Blixa Bargelds Stimme kommt voll zur Entfaltung, was den Hörgenuss zweifelsfrei steigert. Denn das kann er, Sprechsingen. Auch das renommierte Balanescu-Quartett aus Bukarest, das schon mit so unterschiedlichen Künstlern wie Michael Nyman, Jack de Johnette, David Byrne, Kate Bush und, sieh an, Teho Teardo gearbeitet hat, leistet hier ganze Arbeit.

    Blixa Bargeld ist jedenfalls heilfroh, die Geburt von "Still Smiling" überstanden zu haben. Denn man müsse ihn schon mächtig schubsen, sagt der 54-jährige Berliner, damit er sich an die lange, lange Arbeit eines Albums begebe.

    "Wenn ich etwas Persönliches und Intimes schreibe, und dafür hatte ich mich schon sehr früh entschieden, dann ist das für mich psychisch sehr schmerzhaft, besonders, wenn es über ein ganzes Album geht. Besonders anstrengend an diesem Album war, dass der musikalische Rückhalt gering war. Bei so filigraner Vorgehensweise kannst du dich nicht einfach für zwei Minuten zurücklehnen, denn dann trägt es nicht. Es ging darum, der ganzen Geschichte Bedeutung zu geben, und diese Konzentration strengt zusätzlich an. Machst du das nicht, ist die Sache im wahren Wortsinne bedeutungslos."