"Ich hab‘ vier Kinder. Ich hab‘ zwei Kinder davon unterm Studium bekommen, was ich tatsächlich als sehr viel leichter empfunden habe als jetzt die zwei, die ich während des Berufslebens bekommen habe."
Denn Andrea Ludolf hat einen Beruf, der sich mit einer großen Familie nicht recht verträgt: Sie arbeitet als Oberärztin in der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Ulm. Mal früh morgens die Patienten behandeln, dann mal wieder spätabends und an den Wochenenden, dazwischen sich um die eigenen Kinder kümmern - keine einfache Aufgabe. An eine wissenschaftliche Karriere wollte Andrea Ludolf, die sich gerade habilitiert hat, schon gleich gar nicht denken:
"Genau da war auch das Problem: Als ich angefangen habe in der Abteilung 2001, hatte ich das Ziel, meinen Facharzt zu machen und bin selber gar nicht so sehr auf die Idee gekommen, dass ich mich auch habilitieren könnte und wirklich auch eine wissenschaftliche Karriere machen könnte. Das war in meinem Denken so gar nicht drin gewesen."
Dass es dann doch noch geklappt hat, lag am Verständnis der Vorgesetzten - und an neuen, ungewöhnlichen Betreuungsangeboten: Die klinikinterne Kindertagesstätte, die bereits früh morgens öffnet und erst spätabends schließt, die auch am Wochenende bereit steht, der Wäsche- und Bügelservice, der der jungen Ärztin einen Teil der Hausarbeit abnahm - so hat sie's dann doch noch geschafft. Doch solche Angebote sind längst noch nicht die Regel, wie beim Workshop in Ulm deutlich wurde - und das, obwohl Frauen mittlerweile überdurchschnittlich stark in den Arztberuf drängen:
"Also die Statistiken sind ja klar: Wir haben 60 Prozent Studienanfängerinnen. Das geht dann immer weiter zurück. Fachärzte machen dann nur noch 40 bis 50 Prozent. Doktorarbeiten machen deutlich weniger. Habilitationen - da sind wir nur noch bei 20 Prozent. Die Hürde ist natürlich ... das ist noch alles sehr auf Männer zugeschnitten."
Beispielsweise bei der so genannten "Netzwerkbildung", bei der es zu wichtigen Kontakten mit Kollegen kommt, die für die weitere Karriere wichtig sind: Solche Netzwerke werden gerne auf medizinischen Kongressen geknüpft, die sich aber, stellt Andrea Ludolf fest, meistens an Wochenenden oder abends abspielen:
"Wenn man Frau mit Kindern ist, dann ist man eher in der Pflicht, abends die Kinder zu versorgen. Da bleibt für diese spielerischen Netzwerkbindungen deutlich weniger Zeit übrig."
Zunehmend erkennen die Kliniken diese Probleme - und sorgen für Abhilfe. Nicht nur in Ulm, sondern beispielsweise auch an der Unfallklinik im bayrischen Murnau wurde eine Kindertagesstätte mit Öffnungszeiten eingerichtet, die sich an den Diensten der Ärztinnen und Ärzte orientieren. Dabei zeigt sich: Ein solche klinikinterne "Kita" rechnet sich sogar von den Kosten her. Astrid Bühren aus Murnau ist Ehrenvorsitzende des Deutschen Ärztinnenbundes:
"Nehmen wir das Beispiel einer Chirurgin oder das Beispiel einer hoch spezialisierten Intensivpflegekraft. Wenn die nach der Geburt eines Kindes zum Beispiel nach zwei oder drei Monaten wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehrt, dann braucht sie nicht wieder eingearbeitet werden. Und niemand anderes muss sie einarbeiten . Oder eine andere Mitarbeiterin, die nach der Geburt ihres Kindes mangels Kinderbetreuung drei Jahre zu Hause bleibt und gar nicht wiederkehrt, muss ersetzt werden. Es sind Werbekosten erforderlich, Einstellungskosten, Einarbeitungszeit und so weiter."
Andere Kliniken versuchen es erfolgreich mit kleineren Schritten. Beispiel: Das Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg, das Kliniken in Ravensburg, Bad Schussenried und Zwiefalten umfasst: Dort gibt es seit dem Jahr 2005 eine Ferienbetreuung für die Kinder des Personals. Wichtig dabei sind zwei Faktoren: Die Kinder werden auch während der Ferien betreut, wenn die regulären Kindergärten geschlossen sind. Und sie werden dabei ganz bewusst mit dem Arbeitsplatz ihrer Mütter und Väter vertraut gemacht, erklärt Carmen Krämer, Beauftragte für Chancengleichheit am Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg:
"Was halt das sehr Positive ist: Die lernen kennen, wo ihre Eltern arbeiten, das Zentrum an sich. Die wissen, wo die Mama und der Papa dann auch sind. Also sie haben eine Vorstellung, eine konkrete, und keine abstrakte Vorstellung."
Bereits das Studium der Medizin lässt sich, so eine Aussage auf dem Ulmer Workshop, familienfreundlicher gestalten, beispielsweise bei der Stundenplangestaltung: Sehr häufig spielen sich Seminare und Übungen abends ab, da die Dozenten tagsüber in den Kliniken beschäftigt sind. Hier sieht Hubert Liebhardt, Leiter des Studiendekanats an der medizinischen Fakultät der Uni Ulm, noch große Potenziale, solche Veranstaltungen auf die Kernzeiten zu konzentrieren. Und für Studentinnen mit Kindern könnte er sich auch eine Reduzierung der Präsenzpflicht vorstellen. Derzeit müssen die Ulmer Medizinstudierenden verpflichtend bei 85 Prozent aller Vorlesungen und Übungen anwesend sein:
"Die Idee ist hier, Kompensationsangebote anzuweisen, Äquivalenzleistungen, zum Beispiel durch eine Hausarbeit oder durch einen Samstagsdienst oder an einem Unterricht, der dann in den Semesterferien stattfindet. Das heißt: Die fehlende Zeit, die über die 85 Prozent hinausgeht, mit einem Äquivalenzprodukt einzuholen."
Ein weiteres Beispiel, um die Verträglichkeit des Arztberufes mit der Rolle einer Mutter in Einklang zu bringen. Professor Jörg Fegert, Studiendekan der medizinischen Fakultät Ulm, hofft dann auch, dass die Beispiele, die auf dem Workshop diskutiert wurden, rasch in der Praxis umgesetzt werden:
"Was wir am Einschneidesten brauchen, ist eine Veränderung in den Köpfen: Dass wir nicht mehr das Studentendenken haben, wann muss ich diese Prüfung machen, wann dieses Examen machen, und dann denke ich vielleicht über Kinder nach. Sondern dass wir auf allen Ebenen, im Studium, in der Facharztausbildung, parallel denken können. Dass man Kinder, Familie und Kinder parallel haben kann. Da hinken wir in Deutschland noch weit hinterher. Das klappt in den skandinavischen Ländern, in Frankreich, in Spanien, besser. Ich denke, diese Veränderung in den Köpfen - das ist das zentrale Ziel."
Denn Andrea Ludolf hat einen Beruf, der sich mit einer großen Familie nicht recht verträgt: Sie arbeitet als Oberärztin in der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Ulm. Mal früh morgens die Patienten behandeln, dann mal wieder spätabends und an den Wochenenden, dazwischen sich um die eigenen Kinder kümmern - keine einfache Aufgabe. An eine wissenschaftliche Karriere wollte Andrea Ludolf, die sich gerade habilitiert hat, schon gleich gar nicht denken:
"Genau da war auch das Problem: Als ich angefangen habe in der Abteilung 2001, hatte ich das Ziel, meinen Facharzt zu machen und bin selber gar nicht so sehr auf die Idee gekommen, dass ich mich auch habilitieren könnte und wirklich auch eine wissenschaftliche Karriere machen könnte. Das war in meinem Denken so gar nicht drin gewesen."
Dass es dann doch noch geklappt hat, lag am Verständnis der Vorgesetzten - und an neuen, ungewöhnlichen Betreuungsangeboten: Die klinikinterne Kindertagesstätte, die bereits früh morgens öffnet und erst spätabends schließt, die auch am Wochenende bereit steht, der Wäsche- und Bügelservice, der der jungen Ärztin einen Teil der Hausarbeit abnahm - so hat sie's dann doch noch geschafft. Doch solche Angebote sind längst noch nicht die Regel, wie beim Workshop in Ulm deutlich wurde - und das, obwohl Frauen mittlerweile überdurchschnittlich stark in den Arztberuf drängen:
"Also die Statistiken sind ja klar: Wir haben 60 Prozent Studienanfängerinnen. Das geht dann immer weiter zurück. Fachärzte machen dann nur noch 40 bis 50 Prozent. Doktorarbeiten machen deutlich weniger. Habilitationen - da sind wir nur noch bei 20 Prozent. Die Hürde ist natürlich ... das ist noch alles sehr auf Männer zugeschnitten."
Beispielsweise bei der so genannten "Netzwerkbildung", bei der es zu wichtigen Kontakten mit Kollegen kommt, die für die weitere Karriere wichtig sind: Solche Netzwerke werden gerne auf medizinischen Kongressen geknüpft, die sich aber, stellt Andrea Ludolf fest, meistens an Wochenenden oder abends abspielen:
"Wenn man Frau mit Kindern ist, dann ist man eher in der Pflicht, abends die Kinder zu versorgen. Da bleibt für diese spielerischen Netzwerkbindungen deutlich weniger Zeit übrig."
Zunehmend erkennen die Kliniken diese Probleme - und sorgen für Abhilfe. Nicht nur in Ulm, sondern beispielsweise auch an der Unfallklinik im bayrischen Murnau wurde eine Kindertagesstätte mit Öffnungszeiten eingerichtet, die sich an den Diensten der Ärztinnen und Ärzte orientieren. Dabei zeigt sich: Ein solche klinikinterne "Kita" rechnet sich sogar von den Kosten her. Astrid Bühren aus Murnau ist Ehrenvorsitzende des Deutschen Ärztinnenbundes:
"Nehmen wir das Beispiel einer Chirurgin oder das Beispiel einer hoch spezialisierten Intensivpflegekraft. Wenn die nach der Geburt eines Kindes zum Beispiel nach zwei oder drei Monaten wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehrt, dann braucht sie nicht wieder eingearbeitet werden. Und niemand anderes muss sie einarbeiten . Oder eine andere Mitarbeiterin, die nach der Geburt ihres Kindes mangels Kinderbetreuung drei Jahre zu Hause bleibt und gar nicht wiederkehrt, muss ersetzt werden. Es sind Werbekosten erforderlich, Einstellungskosten, Einarbeitungszeit und so weiter."
Andere Kliniken versuchen es erfolgreich mit kleineren Schritten. Beispiel: Das Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg, das Kliniken in Ravensburg, Bad Schussenried und Zwiefalten umfasst: Dort gibt es seit dem Jahr 2005 eine Ferienbetreuung für die Kinder des Personals. Wichtig dabei sind zwei Faktoren: Die Kinder werden auch während der Ferien betreut, wenn die regulären Kindergärten geschlossen sind. Und sie werden dabei ganz bewusst mit dem Arbeitsplatz ihrer Mütter und Väter vertraut gemacht, erklärt Carmen Krämer, Beauftragte für Chancengleichheit am Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg:
"Was halt das sehr Positive ist: Die lernen kennen, wo ihre Eltern arbeiten, das Zentrum an sich. Die wissen, wo die Mama und der Papa dann auch sind. Also sie haben eine Vorstellung, eine konkrete, und keine abstrakte Vorstellung."
Bereits das Studium der Medizin lässt sich, so eine Aussage auf dem Ulmer Workshop, familienfreundlicher gestalten, beispielsweise bei der Stundenplangestaltung: Sehr häufig spielen sich Seminare und Übungen abends ab, da die Dozenten tagsüber in den Kliniken beschäftigt sind. Hier sieht Hubert Liebhardt, Leiter des Studiendekanats an der medizinischen Fakultät der Uni Ulm, noch große Potenziale, solche Veranstaltungen auf die Kernzeiten zu konzentrieren. Und für Studentinnen mit Kindern könnte er sich auch eine Reduzierung der Präsenzpflicht vorstellen. Derzeit müssen die Ulmer Medizinstudierenden verpflichtend bei 85 Prozent aller Vorlesungen und Übungen anwesend sein:
"Die Idee ist hier, Kompensationsangebote anzuweisen, Äquivalenzleistungen, zum Beispiel durch eine Hausarbeit oder durch einen Samstagsdienst oder an einem Unterricht, der dann in den Semesterferien stattfindet. Das heißt: Die fehlende Zeit, die über die 85 Prozent hinausgeht, mit einem Äquivalenzprodukt einzuholen."
Ein weiteres Beispiel, um die Verträglichkeit des Arztberufes mit der Rolle einer Mutter in Einklang zu bringen. Professor Jörg Fegert, Studiendekan der medizinischen Fakultät Ulm, hofft dann auch, dass die Beispiele, die auf dem Workshop diskutiert wurden, rasch in der Praxis umgesetzt werden:
"Was wir am Einschneidesten brauchen, ist eine Veränderung in den Köpfen: Dass wir nicht mehr das Studentendenken haben, wann muss ich diese Prüfung machen, wann dieses Examen machen, und dann denke ich vielleicht über Kinder nach. Sondern dass wir auf allen Ebenen, im Studium, in der Facharztausbildung, parallel denken können. Dass man Kinder, Familie und Kinder parallel haben kann. Da hinken wir in Deutschland noch weit hinterher. Das klappt in den skandinavischen Ländern, in Frankreich, in Spanien, besser. Ich denke, diese Veränderung in den Köpfen - das ist das zentrale Ziel."