Und was können wir von den nächsten Paralympics erwarten, die im Winter 2014 in Sotschi stattfinden?
Zehntausende schieben sich durch den Olympia-Park, viele ohne Ticket für eine Sportstätte. Sie wollen dabei sein, verfolgen die Wettkämpfe vor Leinwänden, schießen Fotos, kommen miteinander ins Gespräch. Nie wurde in Großbritannien so ausführlich über Menschen mit Behinderung berichtet. Der übertragende Privatsender Channel 4 feiert die Paralympier als Superhumans, Übermenschen, die seriösen Zeitungen drucken doppelseitige Poster der kleinwüchsigen Schwimmerin Eleanor Simmonds oder des Prothesensprinters Jonnie Peacock. Mehr als sechzig Millionen Euro aus Lotterie- und Steuermitteln hatten die Behindertensportler für ihre Vorbereitung erhalten. Ein wichtiges Signal, sagt Paralympics-Direktor Chris Holmes.
"Es gibt keine Trennung zwischen Paralympics und Olympia, wir sind ein Organisationskomitee. Ob Transport, Technik oder Versorgung, unsere Mitarbeiter haben von Anfang an für beide Ereignisse geplant. Das gilt auch für den Bau des Olympischen Dorfes und die Sportstätten. Sie sind fast vollständig barrierefrei. Es gibt nur einen gemeinsamen Weg, diese Botschaft soll von unseren Spielen ausgehen."
Doch wie wirken sich Millionen für Medaillen auf den Alltag aus? 77 Prozent der behinderten Menschen in Großbritannien sind nicht sportlich aktiv. Nur fünfzig Prozent der Menschen mit einer körperlichen und zwölf Prozent der Menschen mit einer geistigen Behinderung haben einen Job. Und die diejenigen, die einem Beruf nachgehen, verdienen zwanzig Prozent weniger als nichtbehinderte Kollegen. In den kommenden Monaten wird das Olympia-Gelände in einen Park umgestaltet, einige Sportstätten sollen nach der Eröffnung im Juli 2013 dem Behindertensport zur Verfügung stehen. Schon jetzt werden Pläne für paralympische Festivals diskutiert. Unternehmen stellen Kampagnen vor, sie haben behinderte Menschen als Kunden entdeckt. Der ehemalige Schwimmer Chris Holmes.
"Die Debatte um Inklusion spielt eine wichtige Rolle. In vielen Sportarten trainieren behinderte und nichtbehinderte Sportler schon zusammen. Ob in Schulen, auf der Arbeit oder in Universitäten: diese Gleichberechtigung muss Normalität werden. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, wie in jedem anderen Land. Ich bin aber sicher, dass die Paralympics die Einstellung vieler Menschen positiv verändert hat."
In London waren Delegationen aus Sotschi und Rio de Janeiro zu Gast, wo die Winterspiele 2014 und die Sommerspiele 2016 stattfinden. Die Brasilianer haben auf einer Pressekonferenz für ihr Konzept geworben, Organisatoren aus Sotschi waren für Interviews hingegen kaum zu erreichen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums leben in Russland mehr als 13 Millionen behinderte Menschen. 77 Prozent der arbeitsfähigen Menschen mit Behinderung haben keinen Job, in Deutschland liegt dieser Anteil bei 15 Prozent. Viele behinderte Menschen verlassen in Russland kaum noch ihre Wohnungen, im Nahverkehr oder in Schulen gibt es selten Barrierefreiheit. Wie ist es dann zu erklären, dass die russischen Paralympier in London zu den erfolgreichsten Teams gehören? Karl Quade, Chef de Mission des deutschen Teams, hat sich in Russland ein Bild gemacht.
"Es gibt Programme zur Generierung von Sportlern. Wie wir das auch von früheren Zeiten kannten, geht das sehr stringent zu bei diesen Rekrutierungen. Die politische Elite setzt sich da schon ins Rampenlicht mit den Sportlern. Ob es dann allerdings rüberkommt ins Gesamtsystem, das ist die große Frage, oder ob es wirklich nur dazu dient, sportlichen Erfolg zu haben."
Noch Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Versehrte aus dem sowjetischen Straßenbild herausgehalten, sie passten nicht zum öffentlichen Bild eines Siegers. Ende der achtziger Jahre, während der Perestroika, durften sie erstmals im Fernsehen auftreten. Doch auch danach blieb die staatliche Förderung Russlands für behinderte Menschen auf niedrigem Niveau. Werden die Winter-Paralympics in Sotschi daran etwas ändern? So wie in Peking vor und während der Sommerspiele 2008? Damals hatte sich das chinesische Zentralkomitee erstmals seit 1949 intensiv mit behinderten Menschen befasst. In Peking wurden Rampen und Fahrstühle gebaut, Vorurteile in der Gesellschaft schwanden, zumindest ein wenig. Noch heute zehren die Sportler von einem staatlich gelenkten Sichtungssystem. Wie vor vier Jahren führen die Chinesen in London den Medaillenspiegel an. Mit großem Abstand.
"Paralympics in einem Land als Gastgeber setzen Kräfte und auch Gelder frei."
Friedhelm Julius Beucher ist Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes DBS, er wäre gern einmal Gastgeber der Paralympics. Bislang fanden die Spiele erst einmal in Deutschland statt, im Sommer 1972 in Heidelberg. Der Einfluss des DBS auf eine deutsche Bewerbung für Olympia und Paralympics ist gering. Doch Beucher will sich für eine Bewerbung stark machen, erst recht nach den Eindrücken von London.
Zehntausende schieben sich durch den Olympia-Park, viele ohne Ticket für eine Sportstätte. Sie wollen dabei sein, verfolgen die Wettkämpfe vor Leinwänden, schießen Fotos, kommen miteinander ins Gespräch. Nie wurde in Großbritannien so ausführlich über Menschen mit Behinderung berichtet. Der übertragende Privatsender Channel 4 feiert die Paralympier als Superhumans, Übermenschen, die seriösen Zeitungen drucken doppelseitige Poster der kleinwüchsigen Schwimmerin Eleanor Simmonds oder des Prothesensprinters Jonnie Peacock. Mehr als sechzig Millionen Euro aus Lotterie- und Steuermitteln hatten die Behindertensportler für ihre Vorbereitung erhalten. Ein wichtiges Signal, sagt Paralympics-Direktor Chris Holmes.
"Es gibt keine Trennung zwischen Paralympics und Olympia, wir sind ein Organisationskomitee. Ob Transport, Technik oder Versorgung, unsere Mitarbeiter haben von Anfang an für beide Ereignisse geplant. Das gilt auch für den Bau des Olympischen Dorfes und die Sportstätten. Sie sind fast vollständig barrierefrei. Es gibt nur einen gemeinsamen Weg, diese Botschaft soll von unseren Spielen ausgehen."
Doch wie wirken sich Millionen für Medaillen auf den Alltag aus? 77 Prozent der behinderten Menschen in Großbritannien sind nicht sportlich aktiv. Nur fünfzig Prozent der Menschen mit einer körperlichen und zwölf Prozent der Menschen mit einer geistigen Behinderung haben einen Job. Und die diejenigen, die einem Beruf nachgehen, verdienen zwanzig Prozent weniger als nichtbehinderte Kollegen. In den kommenden Monaten wird das Olympia-Gelände in einen Park umgestaltet, einige Sportstätten sollen nach der Eröffnung im Juli 2013 dem Behindertensport zur Verfügung stehen. Schon jetzt werden Pläne für paralympische Festivals diskutiert. Unternehmen stellen Kampagnen vor, sie haben behinderte Menschen als Kunden entdeckt. Der ehemalige Schwimmer Chris Holmes.
"Die Debatte um Inklusion spielt eine wichtige Rolle. In vielen Sportarten trainieren behinderte und nichtbehinderte Sportler schon zusammen. Ob in Schulen, auf der Arbeit oder in Universitäten: diese Gleichberechtigung muss Normalität werden. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, wie in jedem anderen Land. Ich bin aber sicher, dass die Paralympics die Einstellung vieler Menschen positiv verändert hat."
In London waren Delegationen aus Sotschi und Rio de Janeiro zu Gast, wo die Winterspiele 2014 und die Sommerspiele 2016 stattfinden. Die Brasilianer haben auf einer Pressekonferenz für ihr Konzept geworben, Organisatoren aus Sotschi waren für Interviews hingegen kaum zu erreichen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums leben in Russland mehr als 13 Millionen behinderte Menschen. 77 Prozent der arbeitsfähigen Menschen mit Behinderung haben keinen Job, in Deutschland liegt dieser Anteil bei 15 Prozent. Viele behinderte Menschen verlassen in Russland kaum noch ihre Wohnungen, im Nahverkehr oder in Schulen gibt es selten Barrierefreiheit. Wie ist es dann zu erklären, dass die russischen Paralympier in London zu den erfolgreichsten Teams gehören? Karl Quade, Chef de Mission des deutschen Teams, hat sich in Russland ein Bild gemacht.
"Es gibt Programme zur Generierung von Sportlern. Wie wir das auch von früheren Zeiten kannten, geht das sehr stringent zu bei diesen Rekrutierungen. Die politische Elite setzt sich da schon ins Rampenlicht mit den Sportlern. Ob es dann allerdings rüberkommt ins Gesamtsystem, das ist die große Frage, oder ob es wirklich nur dazu dient, sportlichen Erfolg zu haben."
Noch Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Versehrte aus dem sowjetischen Straßenbild herausgehalten, sie passten nicht zum öffentlichen Bild eines Siegers. Ende der achtziger Jahre, während der Perestroika, durften sie erstmals im Fernsehen auftreten. Doch auch danach blieb die staatliche Förderung Russlands für behinderte Menschen auf niedrigem Niveau. Werden die Winter-Paralympics in Sotschi daran etwas ändern? So wie in Peking vor und während der Sommerspiele 2008? Damals hatte sich das chinesische Zentralkomitee erstmals seit 1949 intensiv mit behinderten Menschen befasst. In Peking wurden Rampen und Fahrstühle gebaut, Vorurteile in der Gesellschaft schwanden, zumindest ein wenig. Noch heute zehren die Sportler von einem staatlich gelenkten Sichtungssystem. Wie vor vier Jahren führen die Chinesen in London den Medaillenspiegel an. Mit großem Abstand.
"Paralympics in einem Land als Gastgeber setzen Kräfte und auch Gelder frei."
Friedhelm Julius Beucher ist Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes DBS, er wäre gern einmal Gastgeber der Paralympics. Bislang fanden die Spiele erst einmal in Deutschland statt, im Sommer 1972 in Heidelberg. Der Einfluss des DBS auf eine deutsche Bewerbung für Olympia und Paralympics ist gering. Doch Beucher will sich für eine Bewerbung stark machen, erst recht nach den Eindrücken von London.