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„Townhall“ der CDU
Wenn Medien die Inszenierungen von Parteien übernehmen

Bei ihrer Suche nach einem neuen Parteivorsitzenden sind die drei Kandidaten der CDU in einer sogenannten „Townhall“ aufgetreten. Die inhaltliche Inszenierung stammte von der Partei selbst, wurde von Phoenix übertragen und von anderen TV-Sendern übernommen. Dabei stellen sich allerdings einige Fragen.

Text: Michael Borgers / Marion G. Müller im Gespräch mit Christoph Sterz |
Friedrich Merz (M r-l), Norbert Röttgen und Helge Braun, die drei Kandidaten für den CDU Vorsitz, stellen sich in einer Veranstaltung im Konrad-Adenauer-Haus den Fragen der Parteimitglieder
Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Helge Braun kämpfen um den CDU-Vorsitz - und die Partei selbst sorgt für die bewegten Bilder zu der Veranstaltung (picture alliance/dpa)
Die sogenannte „Townhall“ kennt auch das deutsche TV-Publikum spätestens seit dem Bundestagswahlkampf in diesem Jahr. Im Ersten war sie als „ARD-Wahlarena“ Teil der Berichterstattung. Ein Format, bei dem die Kandidatin und die Kandidaten auf Fragen antworteten. Gestellt wurden sie nicht von Moderatoren, sondern von ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern - quasi stellvertretend für die gesamte Bevölkerung. Das ist die Idee dieser aus den USA stammenden, eigentlich politischen „Bürgerversammlung“, die dort irgendwann auch von Medien übernommen wurde. Und nun halt auch in Deutschland.
Aber wie viel „Townhall“ steckt in einer Veranstaltung, wenn eine Partei sie ausrichtet? So wie nun die CDU. „Townhall“ nennt sie ein Aufeinandertreffen ihrer Kandidaten für den CDU-Vorsitz - ausschließlich vor ausgewählten Parteimitgliedern. Einige Medien übernahmen den Begriff dennoch in ihren Nachrichtenmeldungen: die „Tagesschau“ und der BR zum Beispiel. Andere, wie das ZDF und der Nachrichtensender der „Welt“, sprachen dagegen von einem „Triell“.  

Medienwissenschaftlerin Müller: Herkunft der Bilder muss klar sein

Es müsse klar sein, von wem genau die gemachten Aufnahmen stammen, findet Marion G. Müller. Als Medienwissenschaftlerin beschäftigt sich Müller an der Uni Trier mit politischer Kommunikation und dabei auch der Macht von Bildern.
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Der Sender Phoenix übertrug die gut anderthalbstündige „Townhall mit Kandidaten“ live und in voller Länge, inklusive des Schlussworts von Paul Zimiak, in dem der CDU-Generalsekretär, frontal zur Kamera gerichtet, um neue Mitglieder für seine Partei warb.
Auch die Produktion habe "in den Händen und der Verantwortung" des Senders gelegen, heißt es aus der CDU - und meint damit die technische Umsetzung: Senderegie, Kamerabilder und deren Verbreitung. Fürs Inhaltliche, wie Moderation sowie “Countdown” mit Musik und Logo zu Beginn, war die CDU laut eigenen Angaben zuständig.
Phoenix dagegen erklärte gegenüber dem Deutschlandfunk, "produziert" habe die CDU - man selbst habe nur übertragen.
Berlin: Friedrich Merz (r-l), Norbert Röttgen und Helge Braun, die drei Kandidaten für den CDU Vorsitz, stellen sich in einer Townhall-Veranstaltung im Konrad-Adenauer-Haus den Fragen der Parteimitglieder.
Pressefotografen waren vor Ort, hier eine Aufnahme der dpa (Michael Kappeler/dpa)
Medienwissenschaftlerin Müller sieht insgesamt so oder so inhaltliche Probleme: Auch wenn die Tagesschau einordnend berichte, "die ersten vier Fragen lässt die Partei-Regie Frauen stellen", enthalte das doch "eine starke Wertung", sagte Müller im Deutschlandfunk. Denn die CDU habe ja mit ihrer aktuellen Personalauswahl Probleme beim "jüngeren Wählerklientel".

Phoenix-Moderator: Auch Inszenierungen gehören zur freien Meinungsbildung

Laufen Medien bei solchen Formaten insgesamt Gefahr einer Inszenierung zu folgen? Auch Erhard Scherfer, Moderator und Redakteur bei Phoenix, sieht dieses Risiko. Deshalb bemühe man sich stets, "sie sorgfältig einzuordnen, mit Expertise von Korrespondenten und Politologen“, antwortet er dem Deutschlandfunk. Wichtig sei außerdem, dass die Sender selbst über Bildauswahl und Schnitt entscheiden könnten, etwa wenn „Kritiker möglicherweise ausgeblendet oder gemieden“ würden.

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„Kurz: Augen auf gilt zwar generell immer, bei solchen Veranstaltungen aber erst recht“, betont Scherfer. „Allerdings kann man auch Inszenierungen zeigen, wenn man klarmacht, dass es welche sind.“ Denn auch das gehöre zu einem Angebot für eine freie Meinungsbildung.

Kommunikationsexperte Hillje: Es kommt auch auf Auswahl der Bilder an

Parteien hätten immer mehr die Möglichkeit, „zum Medium zu werden“, stellt Johannes Hillje fest. Der Politik- und Kommunikationsberater beobachtet, dass „unter den demokratischen Parteien“ in Deutschland die CDU diese Strategie „am offensivsten“ vorantreibe. Sollten Medien also besser ganz auf Bilder von Veranstaltungen wie der Vorsitzsuche verzichten? „Nein, das geht zu weit“, findet Hillje. Es komme aber darauf an, „welche Bilder man verwendet“.
Johannes Hillje
Johannes Hillje: Parteien können immer mehr selbst zum Medium werden (privat)
So seien Bilder, die Information transportierten, also „Statements“ und andere „O-Töne“, in Ordnung. Problematisch findet der Kommunikationsexperte dagegen, wenn „mit emotionalen Effekten parteinterne Selbstbeschwörung betrieben wird, zum Beispiel mit der Einblendung jubelnder Parteimitglieder vor ihren Bildschirmen“ - und Redaktionen diese Szenen dann als sogenannte „Schnittbilder“ zum eigenen Text verwenden. „Das ist Inszenierung, und da müssen Redaktionen kritischer draufschauen“, fordert Hillje.
Wichtig sei außerdem eine klare Kennzeichnung der Quelle. „Menschen müssen wissen, woher das Material kommt. Das ist die Voraussetzung, dass man diese Bilder nutzt.“ Bei der „Townhall“ haben einige Sender gar nicht auf „CDU-TV“ verwiesen, andere nur kurz und klein. „Da kann man den Eindruck bekommen, den Medien ist das selbst ein bisschen unangenehm, dass sie auf solche Quellen zurückgreifen müssen“, so Hillje gegenüber dem Deutschlandfunk. Denn eigentlich sei es ja ihre Kernaufgabe, diese Bilder selbst zu produzieren.