Archiv


Wenn Noten Nöte auslösen

Zeugnistelefone unterstützen Schüler und Eltern bei Problemen mit den Noten. Der Schulpsychologe Andreas Heidecke vom Kölner Zeugnistelefon rät, in Teams aus Schülern, Eltern und Lehrern rechtzeitig zu besprechen, wie man schulische Mängel in den Griff bekommen kann.

Andreas Heidecke im Gespräch mit Kate Maleike |
    Kate Maleike: Eine Nummer für den Kummer bei schlechten Noten und Zeugnissen, die haben in Deutschland viele Städte und Bezirksregierungen inzwischen – Nummern nämlich für ein spezielles Zeugnistelefon, an dem qualifizierte Schulpsychologen Beratungsarbeit leisten. Sie unterstützen Schülerinnen und Schüler, aber auch vorwiegend Eltern, die in akuten Schulnöten sind. Auch in Köln gibt es ein solches Zeugnistelefon, betreut wird es vom Schulpsychologen Andreas Heidecke und seinen Kollegen. Guten Tag, Herr Heidecke!

    Andreas Heidecke: Guten Tag, Frau Maleike!

    Maleike: Was waren bei Ihnen heute bislang die beherrschenden Themen' Warum sind Sie angerufen worden?

    Heidecke: Also die beherrschenden Themen waren heute zunächst mal Eltern aus den Grundschulen, die zum Übergang in die weiterführenden Schulen Fragen hatten. Das ist ja jetzt im Zusammenhang mit dem Zeugnis, zum Halbjahr der vierten Klasse wird ja auch die Empfehlung für die weiterführende Schule ausgesprochen, und dazu hatten wir jetzt einen Schwerpunkt der Anfragen, und dann eben auch noch mal die Anfragen von Eltern, deren Kinder schlechte Noten auf dem Zeugnis hatten jetzt in der weiterführenden Schule.

    Maleike: Das wundert einen ein bisschen, denn man hätte eigentlich erwarten können, dass sie von Schülerinnen und Schülern vorwiegend angerufen werden – ist aber nicht so.

    Heidecke: Der Anteil der Schüler und Schülerinnen, die bei uns anrufen, ist relativ gering. Das war in der Historie, früher gab es tatsächlich die Kinder, die keinen Verbündeten hatten und mit einem schlechten Zeugnis alleine dastanden, aber da ist natürlich heute die Sensibilität sowohl in der Schule wie auch in den Familien eine andere, sodass die Kinder, die ohne Schutz und ohne Verbündete tatsächlich mit einem Zeugnis da stehen, ganz große Ausnahmen sind.

    Maleike: Welche Hilfe und Unterstützung können Sie denn geben, so am Telefon?

    Heidecke: Ja, die hängen natürlich von der Frage der Eltern ab. Sagen wir mal, ich hatte hier jetzt zuletzt ein paar Fragen von Eltern, die so die Überlegung angestellt hatten: Muss ich mich mit der Schule streiten, um mit meinem Kind solidarisch zu sein, wenn mein Kind sich vielleicht ungerecht behandelt fühlt? Da muss man natürlich schon drüber reden, inwieweit jetzt Eltern mit dem, was sie in Schulen tun und dann auch tatsächlich auch dem Wohl des Kindes zuträglich sind.

    Maleike: Sie sind dann so was schon auch wie eine leichte Mediationsstelle oder Schiedsstelle, hört sich das so an. Haben Sie das Gefühl, dass das in den letzten Jahren zugenommen hat?

    Heidecke: Also ich denke schon, dass für uns die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus eine Reserve ist, die noch nicht genügend gehoben ist. Muss man einfach so sehen, wenn wir für die Zukunft überlegen, wie wir die neuen Aufgaben, die auf die Schulen zukommen, erfolgreich bewältigen können, dann muss man einfach sehen, dann ist dieses Feld Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus – produktive Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus – eigentlich ein Feld, was noch nicht genügend systematisch betrieben worden ist und in Angriff genommen worden ist. Von daher ist das schon eine Reserve. Aber es ist natürlich was, was heute nach wie vor noch sehr hakt.

    Maleike: Würden Sie sagen, dass die Eltern verzweifelt sind, die sich an Sie wenden?

    Heidecke: Manche Eltern sind sehr verzweifelt.

    Maleike: In Köln ist das Angebot ja ausgeweitet worden, auch in anderen Städten und Bundesländern habe Zeugnistelefone inzwischen einen festen Stellenwert. Wie wichtig sind denn diese Anlaufstellen aus ihrer Sicht als Schulpsychologe.

    Heidecke: Wir sind natürlich das Ganze Jahr für Eltern auch auf dem Wege, wie jetzt beim Zeugnistelefon, erreichbar. Das heißt sehr niederschwellig, es gibt die Möglichkeit, eben auch tatsächlich unmittelbar in einer telefonischen Sofortberatung seine Fragen dann beantwortet zu bekommen. Insofern ist für uns natürlich das Zeugnistelefon eigentlich ein Teil unseres Alltags. Die Tatsache, dass es normal immer zu den jeweiligen Zeitpunkten in der Presse hervorgehoben wird, ist natürlich einfach noch mal eine Möglichkeit, insgesamt auf die Hilfe des schulpsychologischen Dienstes hinzuweisen, aber es ist natürlich eigentlich in unserem Alltag nichts Besonderes.

    Maleike: Ihr ultimativer Tipp zum Schluss für – nehmen wir jetzt mal an – den gefrusteten Schüler: Keine Panik erst mal, wenn man sich Defizite eingehandelt hat – und dann?

    Heidecke: Angst und Schrecken hat noch kein Problem gelöst. Ich denke, wichtig ist, wenn im Augenblick schulische Mängel bestehen, dass sich zum einen natürlich die Eltern und die Schüler als Team finden und mit dem Blick nach vorne auf die Suche begeben, welche Möglichkeiten haben wir jetzt als Team, die Mängel, die sich gezeigt haben, in Zukunft abzustellen, und ich habe auch immer beste Erfahrungen gemacht, dass, wenn ich als Schüler mich tatsächlich einem Lehrer zuwende und ihn darum bitte, mir Hinweise darauf zu geben, wie ich meine schulischen Mängel abstellen kann, dass auch da eine Teambildung problemlos hergestellt werden kann. Man muss raus aus dem Gegeneinander, sowohl in der Familie wie auch zwischen dem Schüler und dem Lehrer, denn im Prinzip sind es Teams, die entweder funktionieren oder nicht. Da sollte man immer natürlich tunlichst sich drum bemühen, dass man tut, was man tun kann, um die jeweilige Zusammenarbeit dann auch tatsächlich produktiv zu gestalten.

    Maleike: In NRW und in Sachsen gab es heute Zwischenzeugnisse in den Schulen, und mit Rat und Tat zur Seite stehen dann auch die Zeugnistelefone. In "Campus und Karriere" war das der Kölner Schulpsychologe Andreas Heidecke. Ganz herzlichen Dank, Herr Heidecke!

    Heidecke: Bitte, gern!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.