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Wenn Plagiat - dann Rücktritt

Sollten sich die Plagiatsvorwürfe gegen Annette Schavan bewahrheiten, müsse sie zurücktreten, sagt Norman Weiss vom Doktorandennetzwerk Thesis. Gerade an die wissenschaftliche Redlichkeit einer Bundesbildungsministerin dürfe man hohe Ansprüche stellen.

Manfred Götzke sprach mit Norman Weiss |
    Manfred Götzke: Heute fangen wir mit einem kleinen Quiz an: Finden Sie den Unterschied. Ich lese zwei Sätze vor, Sie müssen herausfinden, worin sich die beiden unterscheiden. Nummer eins: "Nach Dürckheim lebt der Mensch, durch Triebe ständig bedrängt, von Natur aus in einem instabilen Zustand." Satz zwei: "Der Mensch lebt nach Dürckheim von Natur aus in einem unstabilen Zustand, in dem er von Trieben bedrängt wird." Nicht ganz einfach, oder? Die Satzhälften sind ein bisschen umgestellt, außerdem enthält Satz eins zusätzlich ein "ständig". Der erste Satz stammt aus Annette Schavans Doktorarbeit 1980, der zweite von Helmut Fendt, 1976. Als Zitat ist Satz eins nicht gekennzeichnet, schreibt jedenfalls der anonyme Plagiatsjäger auf schavanplag. Und er hat mehr als 50 ähnliche Stellen gefunden. Seit knapp einer Woche ist "schavanplag" im Netz und von der Bundesbildungsministerin kam dazu bisher noch immer kaum ein Kommentar. Was halten Doktoranden von dieser brutalstmöglichen Aufklärung seitens der Bundesbildungsministerin? Darüber möchte ich jetzt mit Norman Weiss vom Doktorandennetzwerk Thesis sprechen. Herr Weiss, ist Annette Schavans Doktorarbeit ein Plagiat?

    Norman Weiss: Das ist natürlich immer schön, wenn man da einen Stempel draufdrücken kann. So einfach ist es meistens nicht. Wenn die Vorwürfe, die in diesem "schavanplag" erhoben werden, tatsächlich stimmen – und das kann man nur im Gesamtkontext beurteilen – dann hat man zumindest einen Anfangsverdacht. Ich denke, es wird der Uni Düsseldorf überlassen bleiben, zu beurteilen, ob es tatsächlich ein Plagiat ist. Aber zumindest Verdachtsmomente gibt es.

    Götzke: Wenn man sich "schavanplag" genau anschaut, findet man ja sehr, sehr viele übereinstimmende Stellen, die kaum paraphrasiert sind und wo es keine Zitate, keine Fußnoten gibt. Müsste man dann nicht doch sagen, wenn diese Vorwürfe stimmen, wenn das stimmt, was dort steht, ist das Ganze ein Plagiat?

    Weiss: Wenn es denn so stimmt, was da steht, und Sie müssen ja dabei bedenken, es sind oft nur Ausschnitte und wir alle wissen, Ausschnitte kann man so wählen, dass sich ein gewisses Bild ergibt. Wenn es so stimmt, dann scheint es in Richtung Plagiat zu gehen. Mit Sicherheit.

    Götzke: Die Arbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg haben ja auch anonyme Plagiatsjäger im Netz untersucht und das Ganze hat ihn ja auch letztlich zu Fall gebracht nach einiger Zeit. Wo sehen Sie den Unterschied zur jetzigen Arbeitsweise bei "schavanplag"?

    Weiss: Es geht einmal wohl um die tatsächliche Menge der infrage kommenden Plagiate. Selbst das "schavanplag" führt ja im Prinzip nur relativ wenig Plagiate als sehr schwerwiegend auf. Viele Problemstellen sind minder schwer. Es ist auch eine Abspaltung von dem eigentlichen "VroniPlag", das ja sehr bekannt geworden ist auch im Rahmen der Guttenberg-Affäre, weil die sich entschieden haben zu sagen, die Menge der Plagiate, die darin ist, oder der Plagiatverdachtsmomente, ist nicht ausreichend, um damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Die haben einen relativ willkürlich gesetzten Schwellenwert von zehn Prozent, der ist bei Frau Schavan nicht erreicht. Das heißt natürlich noch lange nicht, dass es nicht trotzdem zum Entzug des Doktorates reicht, aber das ist eine ganz andere Dimension als bei Herrn Guttenberg, wo relativ schnell sehr klar war, wir reden über ein dreistes und auch vorsätzliches Plagiat.

    Götzke: Annette Schavan hat – sie hat sich ja kaum geäußert zu den Vorwürfen bisher – gesagt, es sei problematisch, dass diese Vorwürfe anonym gestellt werden. Man könne sich ja unterhalten, wenn derjenige sich zu erkennen gebe. Was sagen Sie dazu?

    Weiss: Das halte ich in der Tat für eine absolut absurde Idee. Man muss ja immer berücksichtigen, es können Menschen in der Wissenschaft tätig sein, die solche Vorwürfe hervorbringen. Nicht jeder ist in einer Position, wo er mal eben kurz die Bundeswissenschaftsministerin beschuldigen kann, sie hätte ihre Doktorarbeit plagiiert. Also, ich finde es aus der Position heraus auch gegenüber den Leuten, die eben tatsächlich Doktoranden sind an der Universität mit einer relativ schlechten Stellung, was so Macht in Anführungsstrichen angeht. Ich finde es geradezu unverschämt, dass man da sagt: Outen Sie sich doch erstmal und dann können wir darüber reden. Die Vorwürfe sind völlig unabhängig von der Person, die sie erbracht hat. Es gibt Verdachtspunkte, es gibt Verdachtsmomente, es gibt eine Seite, wo diese dokumentiert sind und man muss sachlich darauf eingehen, was denn tatsächlich vorgeworfen wird. Die Anonymität der Person, die das hervorbringt, ist da völlig irrelevant.

    Götzke: Wie beurteilen Sie ansonsten den Umgang Annette Schavans mit diesen Vorwürfen? Sie ist ja, nachdem das am Mittwoch aufgekommen ist, mehr oder weniger abgetaucht.

    Weiss: Bundeswissenschaftsministerin. Das muss man ja ganz deutlich sagen. Die sich auch im Rahmen der Affäre Guttenberg ja doch relativ weit aus dem Fenster gehängt hat. Ich denke, da darf man schon relativ hohe Ansprüche anmelden. Da finde ich es umso bedauerlicher, dass, wenn es um einen Vorwurf wissenschaftlichen Fehlverhaltens geht, der in der Wissenschaft sehr, sehr ernst – das ist sozusagen ja eine Todsünde in der Wissenschaft – wenn ich da als zuständige Ministerin in einen Verdacht gerate, wenn dieser Verdacht dokumentiert ist und zumindest auf den ersten Blick viele Wissenschaftler sagen können, es ist zumindest mal fischig, auch ohne es jetzt genau beurteilen zu können, dann muss ich da ganz klar drauf reagieren. Ich glaube, dieses Versteckspiel ist sehr, sehr schädlich für die Wissenschaft. Ich glaube, das erweist der Wissenschaft einen echten Bärendienst. Und das als zuständige Ministerin. Es geht darum: Betrüge ich, gebe ich fremder Leute Eigentum, geistiges Eigentum als mein eigenes aus, verschleiere ich, dass ich überhaupt nicht in der Lage bin, so eine Doktorarbeit zu schreiben und sie mir zusammenklauen muss aus anderen Quellen, aus den Gedanken anderer Wissenschaftler? Das ist hier eigentlich der Punkt. Und insofern darf man natürlich sagen: Gerade eine Wissenschaftsministerin sollte umso mehr in der Lage sein, diesen Zusammenhang zwischen der Wissenschaft, aus der sie kommt, für die sie mal gearbeitet hat und die sie bis heute betreut, tatsächlich wichtig oder ernst zu nehmen.

    Götzke: Wenn sich diese Vorwürfe alle als wahr erweisen, müsste sie dann zurücktreten?

    Weiss: Meiner Meinung nach ganz klar ja. Gerade als Wissenschaftsministerin.

    Götzke: Sagt ganz klar Norman Weiss, Vorsitzender des Doktoranden-Netzwerks Thesis. Vielen Dank.

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