E = mc2. Oder einfacher: Energie gleich Masse mal Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat – die berühmte Formel Albert Einsteins. Doch Hand aufs Herz: Wer versteht genau, was das bedeutet? Da mögen sich die gelehrten Damen und Herren in ihrem Elfenbeintrum der Wissenschaft die Köpfe darüber zerbrechen, mag man sich dabei denken. Doch genau das Bild des Elfenbeinturms fernab von der Gesellschaft hat Albert Einstein überhaupt nicht gefallen.
"Das Leben, das er in Amerika geführt hat, in Princeton, hat ja gezeigt, dass er, gerade was Atomphysik angeht, Stellung beziehen muss außerhalb des Elfenbeintrums, wo es um ein paar Formeln geht. Es ging ja um die Frage von Krieg und Frieden, die ganz stark mit seinen Ergebnissen zusammenhing. Und auch ansonsten ist ihm immer klar gewesen, dass diese sehr abstrakt anmutenden mathematischen Formeln stärkste Auswirkungen auf das menschliche Leben gehabt haben. Und wir sehen das bis zu Fukushima."
Also doch: Die sehr abstrakten Formeln, die die moderne Atomphysik begründen, haben sehr wohl Einfluss auf die Lebenswirklichkeit weiter Teil der Menschheit. Leider gerät dieser Zusammenhang nach Ansicht von Joachim Knape, Professor für Allgemeine Rhetorik an der Universität Tübingen, häufig in Vergessenheit.
"Gerade der Fall Guttenberg und die Bemerkungen, die da gestreut wurden, hat ja gezeigt, dass dieses Spezifische der Wissenschaft, doch sehr abstrakt zu arbeiten, in breiten Kreisen der Bevölkerung dazu führt, dies für irrelevant zu halten und für nicht so lebenswichtig im alltäglichen Geschäft, dass man dann auch diese Trennung vornehmen kann: Politik, da gelten solche Maßstäbe. In der Wissenschaft gelten andere."
Dabei sind die Möglichkeiten, wie Wissenschaft in die Gesellschaft hineinwirken kann, sehr vielfältig, teilweise aber auch umstritten. So verschaffen sich Forscher häufig über die Massenmedien Gehör, treten als Experten zu aktuellen Fragen auf. Doch: Ist der Experte, der da zu Wort kommt, immer auch qualifiziert? Tanjev Schultz, Wissenschaftsjournalist der "Süddeutschen Zeitung", hegte auf der Tagung in Tübingen daran seine Zweifel:
"Oft entscheidet der Zufall: Wer ist bekannt? Von dem hat man die Handy-Nummer? Wer ist gerade zu erreichen? Wen hat man vielleicht woanders gerade gelesen? Zum anderen gibt es von Journalisten selbst auch den Wunsch, jemanden zu finden, der in etwa das sagt, was man selber meint. Das sind sogenannte ‚opportune Zeugen'. Und dieses Phänomen führt dazu, dass man so eine Art ‚Scheinobjektivität' dem Publikum verkauft, so nach dem Motto: Hier, die Wissenschaft hat festgestellt…. In Wahrheit wurde aber gezielt ein Experte gewählt, der das sagt, was der Journalist oder die Redaktion denkt."
Hinzu kommt die generelle Scheu vieler Geisteswissenschaftler, sich überhaupt in Massenmedien zu Wort zu melden. Zu ihnen gehört der Tübinger Medienwissenschaftler Professor Bernhard Pörksen. Natur- oder wirtschaftswissenschaftliche Aussagen, so Pörksen, fänden eher einen Widerhall in den Medien, weil sie häufig unmittelbar mit der Lebenswirklichkeit der Menschen zu tun hätten.
Dies sei bei geisteswissenschaftlichen Themen anders. Die seien häufig erheblich abstrakter und daher für eine breite Öffentlichkeit schwer verständlich. Ohnehin sähen sich Wissenschaftler ganz generell mit einem Dilemma konfrontiert: Bleiben sie in ihren Aussagen wissenschaftlich exakt, ist ihre Sprache einem Großteil des Publikums unverständlich. Äußern sie sich populär, geht dies auf Kosten der wissenschaftlichen Exaktheit. Für den Tübinger Medienwissenschaftler Professor Bernhard Pörksen ist des deshalb undenkbar, jemals in einer Talkshow aufzutreten:
"Wenn man in einer Talkshow auftritt und dem Publikum einen Gefallen tun will, dem Publikum und dem Fragenden, dem Moderator gefallen möchte, dann argumentiert man in seinem Sinne gerade nicht als Wissenschaftler und liefert Stammtischparolen, die mit einem besonderen Prestige verbunden scheinen. Und wenn man dann nach draußen geht, wird man erleben, dass die eigenen Kolleginnen und Kollegen der Wissenschaft zu Recht die Nase rümpfen. Geht man umgekehrt vor und präsentiert sich als Wissenschaftler, der man ist, in einer Talkshow, hat man ebenfalls keine Chance und wird gnadenlos vom Publikum ausgebuht und zu Recht vom Talkshowmacher niemals eingeladen: also eine Lose-lose-Situation. Talkshows sind eine No-Go-Area für Wissenschaftler. Das Format lässt echtes Denken kollabieren."
In anderen medialen Darstellungsformen sieht Bernhard Pörksen aber durchaus Spielräume für die Forscher, sich zu äußern, ohne dass die Wissenschaftlichkeit der Aussagen allzu sehr darunter leide. Die Wissenschaftler müssten solche Chancen nur viel häufiger nutzen, um der Wissenschaft an sich im gesellschaftlichen Diskurs mehr Gehör zu verschaffen. Das tut die Wissenschaft aber nicht nur über die Medien, sondern auch über ihre Beratungstätigkeit für Politiker.
Doch wer genau hinschaut, der entdeckt gefährliche Fallstricke: Wie stark werden Wissenschaftler von den Politikern gehört? Und wenn die Forscher tatsächlich Handlungsempfehlungen abgeben: Was passiert, wenn diese Ratschläge genau das Gegenteil von dem beinhalten, was die Auftraggeber eigentlich hören wollten? Dies zeigte sich erst dieser Tage, als der Deutsche Bundestag die umstrittene Präimplantationsdiagnostik in beschränktem Umfang befürwortete. Die Leopoldina als Nationale Akademie der Wissenschaften, um eine Stellungnahme gebeten, hatte dies genauso befürwortet – eine Stellungnahme, die nicht unumstritten war, erinnert sich Heike Schmoll, Wissenschaftsjournalistin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung":
"Das war das erste Mal, dass die Leopoldina überhaupt Empfehlungen abgegeben hat. Sie ist ja auch zur Politikberatung gegründet worden. Wenn sie jetzt Empfehlungen herausgibt, ist das zunächst mal ungewohnt. Und man kann sich von daher diesen Aufschrei erklären. Im Übrigen ist das immer klar: Wenn es eine eindeutige Empfehlung gibt wie im Falle der PID für eine begrenzte Zulassung, dann schreien diejenigen, die meinen, sie müssten verboten werden."
Was wissenschaftliche Beratungsinstitutionen häufig davon abhalte, eindeutige Voten abzugeben. Die Möglichkeit, auch Minderheitenvoten der beteiligten Experten zu veröffentlichen, diene dazu, mögliches Konfliktpotenzial mit den Auftraggebern zu entschärfen. Der Ethikrat zur Zukunft der Kernenergie hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Daneben gibt es für Institute, Kommissionen und Hochschulen die Möglichkeit, es bei der Anlieferung von empirischem Datenmaterial zu belassen, ohne daraus Handlungsempfehlungen zu formulieren. Doch auch das birgt Gefahren, weiß Heike Schmoll von der "FAZ":
"Sie meinen die PISA-Studie. Das war ein empirisches Ergebnis für den Zustand der Leistungsfähigkeit der Schulen. Und Bildungsforscher vermeiden, Bildungspolitikern vorzuschreiben, was sie konkret machen könnten. Denn dann würden sie sich ja möglicher Aufträge berauben. Aber dann passiert genau das: Dass nämlich jeder Politiker im Grunde die Ergebnisse dieser empirischen Studie für seine eigene Politik als Alibi verwendet und so tut, als sei in seinem Land schon all dies verwirklicht."
Doch vielleicht ist auch die Messlatte an die wissenschaftliche Politikberatung zu hoch angelegt: Konkrete Handlungsempfehlungen müssen nicht das Ding der Wissenschaft sein – und eine genaue Umsetzung dessen, was die Wissenschaft sagt, ist nicht unbedingt die Aufgabe der Politik. So jedenfalls Professor Helmut Willke, Politikwissenschaftler an der Zeppelin University Friedrichshafen:
"Es geht auch nicht darum, dass wir irgendeinen Rat geben. Und der Rat wird dann einfach von der Politik oder einer anderen Instanz übernommen. Sondern es geht darum, Anregungen zu geben, Beunruhigung und Verstörung zu schaffen, ohne erwarten zu können, dass unsere Vorschläge sofort umgesetzt werden. Wenn diese Anregungen, diese Betrachtung anderer Alternativen hineingespielt wird in die Politik, könnten wir eigentlich schon sehr zufrieden sein."
"Das Leben, das er in Amerika geführt hat, in Princeton, hat ja gezeigt, dass er, gerade was Atomphysik angeht, Stellung beziehen muss außerhalb des Elfenbeintrums, wo es um ein paar Formeln geht. Es ging ja um die Frage von Krieg und Frieden, die ganz stark mit seinen Ergebnissen zusammenhing. Und auch ansonsten ist ihm immer klar gewesen, dass diese sehr abstrakt anmutenden mathematischen Formeln stärkste Auswirkungen auf das menschliche Leben gehabt haben. Und wir sehen das bis zu Fukushima."
Also doch: Die sehr abstrakten Formeln, die die moderne Atomphysik begründen, haben sehr wohl Einfluss auf die Lebenswirklichkeit weiter Teil der Menschheit. Leider gerät dieser Zusammenhang nach Ansicht von Joachim Knape, Professor für Allgemeine Rhetorik an der Universität Tübingen, häufig in Vergessenheit.
"Gerade der Fall Guttenberg und die Bemerkungen, die da gestreut wurden, hat ja gezeigt, dass dieses Spezifische der Wissenschaft, doch sehr abstrakt zu arbeiten, in breiten Kreisen der Bevölkerung dazu führt, dies für irrelevant zu halten und für nicht so lebenswichtig im alltäglichen Geschäft, dass man dann auch diese Trennung vornehmen kann: Politik, da gelten solche Maßstäbe. In der Wissenschaft gelten andere."
Dabei sind die Möglichkeiten, wie Wissenschaft in die Gesellschaft hineinwirken kann, sehr vielfältig, teilweise aber auch umstritten. So verschaffen sich Forscher häufig über die Massenmedien Gehör, treten als Experten zu aktuellen Fragen auf. Doch: Ist der Experte, der da zu Wort kommt, immer auch qualifiziert? Tanjev Schultz, Wissenschaftsjournalist der "Süddeutschen Zeitung", hegte auf der Tagung in Tübingen daran seine Zweifel:
"Oft entscheidet der Zufall: Wer ist bekannt? Von dem hat man die Handy-Nummer? Wer ist gerade zu erreichen? Wen hat man vielleicht woanders gerade gelesen? Zum anderen gibt es von Journalisten selbst auch den Wunsch, jemanden zu finden, der in etwa das sagt, was man selber meint. Das sind sogenannte ‚opportune Zeugen'. Und dieses Phänomen führt dazu, dass man so eine Art ‚Scheinobjektivität' dem Publikum verkauft, so nach dem Motto: Hier, die Wissenschaft hat festgestellt…. In Wahrheit wurde aber gezielt ein Experte gewählt, der das sagt, was der Journalist oder die Redaktion denkt."
Hinzu kommt die generelle Scheu vieler Geisteswissenschaftler, sich überhaupt in Massenmedien zu Wort zu melden. Zu ihnen gehört der Tübinger Medienwissenschaftler Professor Bernhard Pörksen. Natur- oder wirtschaftswissenschaftliche Aussagen, so Pörksen, fänden eher einen Widerhall in den Medien, weil sie häufig unmittelbar mit der Lebenswirklichkeit der Menschen zu tun hätten.
Dies sei bei geisteswissenschaftlichen Themen anders. Die seien häufig erheblich abstrakter und daher für eine breite Öffentlichkeit schwer verständlich. Ohnehin sähen sich Wissenschaftler ganz generell mit einem Dilemma konfrontiert: Bleiben sie in ihren Aussagen wissenschaftlich exakt, ist ihre Sprache einem Großteil des Publikums unverständlich. Äußern sie sich populär, geht dies auf Kosten der wissenschaftlichen Exaktheit. Für den Tübinger Medienwissenschaftler Professor Bernhard Pörksen ist des deshalb undenkbar, jemals in einer Talkshow aufzutreten:
"Wenn man in einer Talkshow auftritt und dem Publikum einen Gefallen tun will, dem Publikum und dem Fragenden, dem Moderator gefallen möchte, dann argumentiert man in seinem Sinne gerade nicht als Wissenschaftler und liefert Stammtischparolen, die mit einem besonderen Prestige verbunden scheinen. Und wenn man dann nach draußen geht, wird man erleben, dass die eigenen Kolleginnen und Kollegen der Wissenschaft zu Recht die Nase rümpfen. Geht man umgekehrt vor und präsentiert sich als Wissenschaftler, der man ist, in einer Talkshow, hat man ebenfalls keine Chance und wird gnadenlos vom Publikum ausgebuht und zu Recht vom Talkshowmacher niemals eingeladen: also eine Lose-lose-Situation. Talkshows sind eine No-Go-Area für Wissenschaftler. Das Format lässt echtes Denken kollabieren."
In anderen medialen Darstellungsformen sieht Bernhard Pörksen aber durchaus Spielräume für die Forscher, sich zu äußern, ohne dass die Wissenschaftlichkeit der Aussagen allzu sehr darunter leide. Die Wissenschaftler müssten solche Chancen nur viel häufiger nutzen, um der Wissenschaft an sich im gesellschaftlichen Diskurs mehr Gehör zu verschaffen. Das tut die Wissenschaft aber nicht nur über die Medien, sondern auch über ihre Beratungstätigkeit für Politiker.
Doch wer genau hinschaut, der entdeckt gefährliche Fallstricke: Wie stark werden Wissenschaftler von den Politikern gehört? Und wenn die Forscher tatsächlich Handlungsempfehlungen abgeben: Was passiert, wenn diese Ratschläge genau das Gegenteil von dem beinhalten, was die Auftraggeber eigentlich hören wollten? Dies zeigte sich erst dieser Tage, als der Deutsche Bundestag die umstrittene Präimplantationsdiagnostik in beschränktem Umfang befürwortete. Die Leopoldina als Nationale Akademie der Wissenschaften, um eine Stellungnahme gebeten, hatte dies genauso befürwortet – eine Stellungnahme, die nicht unumstritten war, erinnert sich Heike Schmoll, Wissenschaftsjournalistin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung":
"Das war das erste Mal, dass die Leopoldina überhaupt Empfehlungen abgegeben hat. Sie ist ja auch zur Politikberatung gegründet worden. Wenn sie jetzt Empfehlungen herausgibt, ist das zunächst mal ungewohnt. Und man kann sich von daher diesen Aufschrei erklären. Im Übrigen ist das immer klar: Wenn es eine eindeutige Empfehlung gibt wie im Falle der PID für eine begrenzte Zulassung, dann schreien diejenigen, die meinen, sie müssten verboten werden."
Was wissenschaftliche Beratungsinstitutionen häufig davon abhalte, eindeutige Voten abzugeben. Die Möglichkeit, auch Minderheitenvoten der beteiligten Experten zu veröffentlichen, diene dazu, mögliches Konfliktpotenzial mit den Auftraggebern zu entschärfen. Der Ethikrat zur Zukunft der Kernenergie hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Daneben gibt es für Institute, Kommissionen und Hochschulen die Möglichkeit, es bei der Anlieferung von empirischem Datenmaterial zu belassen, ohne daraus Handlungsempfehlungen zu formulieren. Doch auch das birgt Gefahren, weiß Heike Schmoll von der "FAZ":
"Sie meinen die PISA-Studie. Das war ein empirisches Ergebnis für den Zustand der Leistungsfähigkeit der Schulen. Und Bildungsforscher vermeiden, Bildungspolitikern vorzuschreiben, was sie konkret machen könnten. Denn dann würden sie sich ja möglicher Aufträge berauben. Aber dann passiert genau das: Dass nämlich jeder Politiker im Grunde die Ergebnisse dieser empirischen Studie für seine eigene Politik als Alibi verwendet und so tut, als sei in seinem Land schon all dies verwirklicht."
Doch vielleicht ist auch die Messlatte an die wissenschaftliche Politikberatung zu hoch angelegt: Konkrete Handlungsempfehlungen müssen nicht das Ding der Wissenschaft sein – und eine genaue Umsetzung dessen, was die Wissenschaft sagt, ist nicht unbedingt die Aufgabe der Politik. So jedenfalls Professor Helmut Willke, Politikwissenschaftler an der Zeppelin University Friedrichshafen:
"Es geht auch nicht darum, dass wir irgendeinen Rat geben. Und der Rat wird dann einfach von der Politik oder einer anderen Instanz übernommen. Sondern es geht darum, Anregungen zu geben, Beunruhigung und Verstörung zu schaffen, ohne erwarten zu können, dass unsere Vorschläge sofort umgesetzt werden. Wenn diese Anregungen, diese Betrachtung anderer Alternativen hineingespielt wird in die Politik, könnten wir eigentlich schon sehr zufrieden sein."