Karola Grässlin beginnt als Direktorin der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden mit einer Frage, die in Wahrheit eine Positionsbestimmung ist: "Wer hat Angst vor Rot, Gelb und Blau?" Das ist der Titel eines Bildes von Barnett Newman, das es in vier Versionen gibt: blaue und gelbe Farb-Balken gliedern jeweils ein dominierendes kadmium-rotes Farbfeld. Die Bilder hängen gar nicht in der Ausstellung, sie werden nicht mehr ausgeliehen, und trotzdem ist der Titel eine klare programmatische Ansage: gegen die figurative Malerei, für abstrakte, minimalistische Positionen.
"Schwerpunkt meiner Ausstellungs-Tätigkeit sollen Künstler der 80er, 90er und 2000er Jahre sein, die wirklich aktuelle zeitgenössische Kunst; aber mir ist es wichtig, immer wieder Verbindungen und Linien zu ziehen in die Anfänge der konzeptuellen und minimalistischen Kunst, und die liegen in den 60er-Jahren, und mir ist es eben wichtig, immer wieder Verbindungslinien zu zeigen."
Karola Grässlins Eröffnungs-Ausstellung geht also zurück zu einem
Nullpunkt der Malerei, an dem die traditionelle Bildauffassung, die Abbildfunktion radikal hinterfragt wird und an dem es um die pure Farbe geht, um die Leinwand als Bildträger und visuellen Illusionsraum. Der Künstler als Akteur tritt zurück, objektivierende Faktoren wie Dichte, Intensität, Farbqualität werden wichtig, die Leinwand als Bildträger, der in Farbe getränkt wird, der Farbe aufsaugt, wird auch in seinen Oberflächenmerkmalen wieder mehr wahrgenommen.
Dass die Staatliche Kunsthalle just für diesen Anlass gründlich renoviert wurde, ist ein schöner Zufall. Der erste, der große Saal wird von fünf spielerischen Formen geprägt, in denen Imi Knoebel fröhlich Acrylfarben auf Holz durchprobiert; auf der gegenüberliegenden Seite aber hat Ellsworth Kelly drei monochrome Formen mit knallharten Kanten ("hard edge") wie Fahnen an die Wand gehängt, blauweißrot, eine Tricolore der Farbfeldmalerei. Dann geht es weiter zu Kenneth Noland, der noch zaghafte Kreuzesformen probiert. Von Ad Reinhard gibt es eines dieser stillen Bilder, es stammt aus dem Jahr 1956, das ganz in Dunkelheit versinkt und, wenn unsere Augen sich an die Farbmasse gewöhnt haben, die schönsten Nuance preisgibt, Lila, Blau, sogar einen Rotschimmer, wer es denn sehen kann. Oder werden wir hier alle langsam farbenblind?
Also: Die absolute Frühphase der Farbfeldkunst, die 40er Jahre fehlen. Ansonsten ist der Überblick enorm, und er geht rasend schnell in Richtung Gegenwart. Gerhard Richter hat 1970 ein graues Bild gemalt, angeblich, weil er nicht wusste, was er malen sollte, aber das Grau stellte sich bald als das Nichts heraus, das Grauen eben. Zum Ausgleich sieht man von Richter dann, etwas weiter im Parcours, 18 Farbtafeln in wechselndem Bunt, Lack auf Alu. Rothko, natürlich, ist da mit einem Rot und einem Schwarz, eine Behauptung, ein Gegenüber.
Dan Flavin grenzt Farbräume mit Leuchtröhren ab; ihn in diese Ausstellung zu holen, ist eine feine Idee und ein schöner Schabernack. Günter Förg testet Bahnen von Acrylfarben auf voluminösen Bleiplatten aus, das ist schon 1990, und es ist vor allem die schroffe Materialität dieser fetten Platten, die in Erinnerung bleibt. Blinky Palermo zeigt nur noch eingefärbte Baumwolle. Stephen Prina sprüht mit Druck schwarze Lackfarbe auf tiefblauen Siebdruck. Das ist die Gegenwart. Daneben hängt der Klassiker, 1959: Yves Klein, monochrom purpurblaue Farbpigmente in Aceton gelöst - ein Bild, in das man tauchen möchte.
Geht aber nicht. Yves Klein ist nur hinter Plexiglas zu sehen - zu oft schon haben diese Bilder tatsächlich den Zorn oder auch die Aggressivität des Publikums erregt. Dass all diese Werke in Baden-Baden versammelt sind, ist eh ein Wunder - es verdankt sich den guten Kontakten von Karola Grässlin, die nicht nur 15 Jahre als Kuratorin gearbeitet hat, sondern als Mitglied einer Sammlerfamilie über ein exzellentes Netzwerk verfügt.
Natürlich wird sie Baden-Baden nun als Podium für die Avantgarde nutzen, um zu fragen: Was heißt das, ein Bild machen? Den Mikrokosmos will sie untersuchen, nicht die neuesten Modetrends. Wie ein Ausrufezeichen hängt das schwarzweiße Hochformat von Barnett Newman über dem Rednerpult der Vernissage: Now!, "Jetzt" heißt das Bild. Dann mal los!
"Schwerpunkt meiner Ausstellungs-Tätigkeit sollen Künstler der 80er, 90er und 2000er Jahre sein, die wirklich aktuelle zeitgenössische Kunst; aber mir ist es wichtig, immer wieder Verbindungen und Linien zu ziehen in die Anfänge der konzeptuellen und minimalistischen Kunst, und die liegen in den 60er-Jahren, und mir ist es eben wichtig, immer wieder Verbindungslinien zu zeigen."
Karola Grässlins Eröffnungs-Ausstellung geht also zurück zu einem
Nullpunkt der Malerei, an dem die traditionelle Bildauffassung, die Abbildfunktion radikal hinterfragt wird und an dem es um die pure Farbe geht, um die Leinwand als Bildträger und visuellen Illusionsraum. Der Künstler als Akteur tritt zurück, objektivierende Faktoren wie Dichte, Intensität, Farbqualität werden wichtig, die Leinwand als Bildträger, der in Farbe getränkt wird, der Farbe aufsaugt, wird auch in seinen Oberflächenmerkmalen wieder mehr wahrgenommen.
Dass die Staatliche Kunsthalle just für diesen Anlass gründlich renoviert wurde, ist ein schöner Zufall. Der erste, der große Saal wird von fünf spielerischen Formen geprägt, in denen Imi Knoebel fröhlich Acrylfarben auf Holz durchprobiert; auf der gegenüberliegenden Seite aber hat Ellsworth Kelly drei monochrome Formen mit knallharten Kanten ("hard edge") wie Fahnen an die Wand gehängt, blauweißrot, eine Tricolore der Farbfeldmalerei. Dann geht es weiter zu Kenneth Noland, der noch zaghafte Kreuzesformen probiert. Von Ad Reinhard gibt es eines dieser stillen Bilder, es stammt aus dem Jahr 1956, das ganz in Dunkelheit versinkt und, wenn unsere Augen sich an die Farbmasse gewöhnt haben, die schönsten Nuance preisgibt, Lila, Blau, sogar einen Rotschimmer, wer es denn sehen kann. Oder werden wir hier alle langsam farbenblind?
Also: Die absolute Frühphase der Farbfeldkunst, die 40er Jahre fehlen. Ansonsten ist der Überblick enorm, und er geht rasend schnell in Richtung Gegenwart. Gerhard Richter hat 1970 ein graues Bild gemalt, angeblich, weil er nicht wusste, was er malen sollte, aber das Grau stellte sich bald als das Nichts heraus, das Grauen eben. Zum Ausgleich sieht man von Richter dann, etwas weiter im Parcours, 18 Farbtafeln in wechselndem Bunt, Lack auf Alu. Rothko, natürlich, ist da mit einem Rot und einem Schwarz, eine Behauptung, ein Gegenüber.
Dan Flavin grenzt Farbräume mit Leuchtröhren ab; ihn in diese Ausstellung zu holen, ist eine feine Idee und ein schöner Schabernack. Günter Förg testet Bahnen von Acrylfarben auf voluminösen Bleiplatten aus, das ist schon 1990, und es ist vor allem die schroffe Materialität dieser fetten Platten, die in Erinnerung bleibt. Blinky Palermo zeigt nur noch eingefärbte Baumwolle. Stephen Prina sprüht mit Druck schwarze Lackfarbe auf tiefblauen Siebdruck. Das ist die Gegenwart. Daneben hängt der Klassiker, 1959: Yves Klein, monochrom purpurblaue Farbpigmente in Aceton gelöst - ein Bild, in das man tauchen möchte.
Geht aber nicht. Yves Klein ist nur hinter Plexiglas zu sehen - zu oft schon haben diese Bilder tatsächlich den Zorn oder auch die Aggressivität des Publikums erregt. Dass all diese Werke in Baden-Baden versammelt sind, ist eh ein Wunder - es verdankt sich den guten Kontakten von Karola Grässlin, die nicht nur 15 Jahre als Kuratorin gearbeitet hat, sondern als Mitglied einer Sammlerfamilie über ein exzellentes Netzwerk verfügt.
Natürlich wird sie Baden-Baden nun als Podium für die Avantgarde nutzen, um zu fragen: Was heißt das, ein Bild machen? Den Mikrokosmos will sie untersuchen, nicht die neuesten Modetrends. Wie ein Ausrufezeichen hängt das schwarzweiße Hochformat von Barnett Newman über dem Rednerpult der Vernissage: Now!, "Jetzt" heißt das Bild. Dann mal los!