Jürgen Zurheide: Die Veröffentlichungen, die jüngsten von Wikileaks über Wikileaks, die US-Depeschen, die alle im Netz stehen und zwar mit vollem Namen, führen zu ganz unterschiedlichen Diskussionen. Natürlich gefährdet diese Veröffentlichung inzwischen auch Informanten, weil inzwischen Klarnamen genannt worden sind, also die Geschäftsbedingung für die Veröffentlichung eigentlich weggefallen ist. Was bedeutet das eigentlich, a) für die Informanten natürlich Gefährdung, und b) was heißt das für den Journalismus und für diese Art von Journalismus, die da betrieben wird?
Darüber wollen wir mit jemandem reden, der sich besonders auskennt im Bereich der Geheimdienste auf der einen Seite, aber auch der Veröffentlichung von brisanten Dingen. Ich begrüße Hans Leyendecker, den Kollegen am Telefon. Guten Morgen, Herr Leyendecker!
Hans Leyendecker: Guten Morgen!
Zurheide: Herr Leyendecker, es ist ja da eine Art rote Linie überschritten worden: Man darf nie Informanten gefährden - das ist einer der Grundsätze des Journalismus, wenn man Dinge bekommen will, die andere eben nicht haben. Was ist da falsch gelaufen aus Ihrer Sicht?
Leyendecker: Ja, wenn ich das nehme, was Informanten einem geben, ohne drauf zu schauen, ob da irgendwas drinsteht, was wiederum auf die Identität des Informanten hätte schließen können, dann bin ich verloren. Also das ist genauso, wie Sie es sagen, Herr Zurheide: Wer Informanten gefährdet, gefährdet den Beruf. Keine Geschichte ist es wert, dass am Ende irgendjemand, der Informant ist, möglicherweise Gutes tun will, dass dem dafür Übles geschieht. Von daher ist das ein Grundsatz des Journalismus, der getroffen wird und auch alle anderen Journalisten trifft, die möglicherweise mit Informanten zusammenarbeiten. Und die Leute müssen sich überlegen: Kann ich das, wenn jemand mit Papieren so umgeht, wie es halt Wikileaks tut? Papiere nicht absichern ist allerhöchste Gefährdung.
Zurheide: Wie oft haben Sie eigentlich in Ihrem Berufsleben gezittert, weil Fehler passieren bei menschlicher Arbeit natürlich immer, ohne dass ich jetzt ein einzelnes Detail haben will, aber ist Ihnen das auch schon passiert, dass Sie gezittert haben oder auch vielleicht gezittert haben deshalb, weil Staatsanwaltschaften mit einmal ermittelt haben und möglicherweise auf Spuren hätten kommen können oder gekommen sind?
Leyendecker: Also ich habe in meinem Leben abgrundtiefe Fehler gemacht, aber eins ist mir nie passiert: dass ich Informanten gefährdet habe. Also ich habe wirklich schreckliche handwerkliche Fehler gemacht, nur Informanten ist dabei nie etwas passiert, obwohl wirklich Staatsanwaltschaften unterwegs waren, Untersuchungsausschüsse, die versuchten, herauszufinden, woher man Informationen hatte. Aber das ist gelungen.
Dazu gehört beispielsweise auch: Wenn Sie Informationen bekommen, da liegt eins der Probleme solcher Organisationen wie Wikileaks: Die bekommen eine Information und sie wissen in der Regel nicht, von welchem Informanten es kommt. Mit dem Informanten darüber reden zu können, woher er dieses eine Papier hat oder die vielen Papiere hat und wie groß der Kreis war, der diese Papiere bekommen hat, wenn er sagt, drei, vier, sagt man jedem Informanten, mache es nicht, sondern versuche erst mal, einen größeren Verteiler zu bekommen, dass 50, 60 Leute dieses Papier haben.
Nachher wird immer eine Suche anfangen, weil egal, auch wenn es um eine wirklich wichtige Sache geht, man sucht immer nach dem Verräter. ... halt ganz viele potenzielle Verräter haben, und das ist schwer möglich mit der Methode, die Wikileaks hat.
Zurheide: Dann kommen wir gleich noch mal auf diese Methode, die Verbindung ist ein bisschen schlecht, aber jetzt geht es glaube ich gerade wieder, Herr Leyendecker: Die Rufe der Politik nach härterer Kontrolle, die auch hier jetzt laut geworden sind - wie bewerten Sie das eigentlich?
Leyendecker: Ja gut, Politik schreit immer, verlangt immer nach Kontrolle, Politik verlangt auch immer nach irgendeiner Art Geheimhaltung. Wenn man Untersuchungsausschüsse sieht, dann sieht man leere Blätter, die mit Vertraulichkeitsstempeln versehen sind oder Zeitungsberichte ... bekommen das auch. Also das finde ich nicht so wichtig, ich finde, das Verhältnis von Journalist und Informant, das ist das Entscheidende, und wenn der Journalist den Informanten gefährdet, dann riskiert er einen Teil seines Berufes.
Zurheide: Als Letztes will ich mit Ihnen noch ansprechen die Verschiebung, die es da möglicherweise gibt: Wikileaks als Internetplattform hat natürlich die Möglichkeit, so etwas wie 250.000 Dokumente auf den Markt zu stellen. Das kann jeder lesen. So was kann ein normales Medium, was nicht internetgebunden ist, kaum. Viele hatten ja geglaubt, dass da eine Verschiebung stattfindet in Richtung auf mobile Medien. Ich will jetzt nicht nur pro domo sprechen, aber ist nicht doch vielleicht die Erkenntnis wichtig, dass Journalisten und Journalismus und damit die Auswahl was Wichtiges sind?
Leyendecker: Ordnen und sortieren, das ist eine der wichtigsten Aufgaben. Informationen bekommen, das ist gar nicht so schwierig, aber zu sagen, diese Information ist wichtig, ich brauche dazu weitere Informationen, und zu sagen, ... nehme ich nicht aus unterschiedlichen Gründen, weil er möglicherweise falsch ist - vieles, was man bekommt, stimmt ja auch nicht -, also das ist die ursprüngliche Funktion auch des Journalisten, zu ordnen und dann auch einzuordnen. Und das ist natürlich mit so einer Wikileaks-Plattform überhaupt nicht möglich.
Zurheide: Das war Hans Leyendecker, der Kollege von der "Süddeutschen Zeitung", die schlechte Telefonqualität bieten wir zu entschuldigen. Wir haben ihn unterwegs erreicht, das war leider nicht anders möglich. Ich bedanke mich trotzdem für das Gespräch, Herr Leyendecker. Dankeschön.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Hans Leyendecker: Guten Morgen!
Zurheide: Herr Leyendecker, es ist ja da eine Art rote Linie überschritten worden: Man darf nie Informanten gefährden - das ist einer der Grundsätze des Journalismus, wenn man Dinge bekommen will, die andere eben nicht haben. Was ist da falsch gelaufen aus Ihrer Sicht?
Leyendecker: Ja, wenn ich das nehme, was Informanten einem geben, ohne drauf zu schauen, ob da irgendwas drinsteht, was wiederum auf die Identität des Informanten hätte schließen können, dann bin ich verloren. Also das ist genauso, wie Sie es sagen, Herr Zurheide: Wer Informanten gefährdet, gefährdet den Beruf. Keine Geschichte ist es wert, dass am Ende irgendjemand, der Informant ist, möglicherweise Gutes tun will, dass dem dafür Übles geschieht. Von daher ist das ein Grundsatz des Journalismus, der getroffen wird und auch alle anderen Journalisten trifft, die möglicherweise mit Informanten zusammenarbeiten. Und die Leute müssen sich überlegen: Kann ich das, wenn jemand mit Papieren so umgeht, wie es halt Wikileaks tut? Papiere nicht absichern ist allerhöchste Gefährdung.
Zurheide: Wie oft haben Sie eigentlich in Ihrem Berufsleben gezittert, weil Fehler passieren bei menschlicher Arbeit natürlich immer, ohne dass ich jetzt ein einzelnes Detail haben will, aber ist Ihnen das auch schon passiert, dass Sie gezittert haben oder auch vielleicht gezittert haben deshalb, weil Staatsanwaltschaften mit einmal ermittelt haben und möglicherweise auf Spuren hätten kommen können oder gekommen sind?
Leyendecker: Also ich habe in meinem Leben abgrundtiefe Fehler gemacht, aber eins ist mir nie passiert: dass ich Informanten gefährdet habe. Also ich habe wirklich schreckliche handwerkliche Fehler gemacht, nur Informanten ist dabei nie etwas passiert, obwohl wirklich Staatsanwaltschaften unterwegs waren, Untersuchungsausschüsse, die versuchten, herauszufinden, woher man Informationen hatte. Aber das ist gelungen.
Dazu gehört beispielsweise auch: Wenn Sie Informationen bekommen, da liegt eins der Probleme solcher Organisationen wie Wikileaks: Die bekommen eine Information und sie wissen in der Regel nicht, von welchem Informanten es kommt. Mit dem Informanten darüber reden zu können, woher er dieses eine Papier hat oder die vielen Papiere hat und wie groß der Kreis war, der diese Papiere bekommen hat, wenn er sagt, drei, vier, sagt man jedem Informanten, mache es nicht, sondern versuche erst mal, einen größeren Verteiler zu bekommen, dass 50, 60 Leute dieses Papier haben.
Nachher wird immer eine Suche anfangen, weil egal, auch wenn es um eine wirklich wichtige Sache geht, man sucht immer nach dem Verräter. ... halt ganz viele potenzielle Verräter haben, und das ist schwer möglich mit der Methode, die Wikileaks hat.
Zurheide: Dann kommen wir gleich noch mal auf diese Methode, die Verbindung ist ein bisschen schlecht, aber jetzt geht es glaube ich gerade wieder, Herr Leyendecker: Die Rufe der Politik nach härterer Kontrolle, die auch hier jetzt laut geworden sind - wie bewerten Sie das eigentlich?
Leyendecker: Ja gut, Politik schreit immer, verlangt immer nach Kontrolle, Politik verlangt auch immer nach irgendeiner Art Geheimhaltung. Wenn man Untersuchungsausschüsse sieht, dann sieht man leere Blätter, die mit Vertraulichkeitsstempeln versehen sind oder Zeitungsberichte ... bekommen das auch. Also das finde ich nicht so wichtig, ich finde, das Verhältnis von Journalist und Informant, das ist das Entscheidende, und wenn der Journalist den Informanten gefährdet, dann riskiert er einen Teil seines Berufes.
Zurheide: Als Letztes will ich mit Ihnen noch ansprechen die Verschiebung, die es da möglicherweise gibt: Wikileaks als Internetplattform hat natürlich die Möglichkeit, so etwas wie 250.000 Dokumente auf den Markt zu stellen. Das kann jeder lesen. So was kann ein normales Medium, was nicht internetgebunden ist, kaum. Viele hatten ja geglaubt, dass da eine Verschiebung stattfindet in Richtung auf mobile Medien. Ich will jetzt nicht nur pro domo sprechen, aber ist nicht doch vielleicht die Erkenntnis wichtig, dass Journalisten und Journalismus und damit die Auswahl was Wichtiges sind?
Leyendecker: Ordnen und sortieren, das ist eine der wichtigsten Aufgaben. Informationen bekommen, das ist gar nicht so schwierig, aber zu sagen, diese Information ist wichtig, ich brauche dazu weitere Informationen, und zu sagen, ... nehme ich nicht aus unterschiedlichen Gründen, weil er möglicherweise falsch ist - vieles, was man bekommt, stimmt ja auch nicht -, also das ist die ursprüngliche Funktion auch des Journalisten, zu ordnen und dann auch einzuordnen. Und das ist natürlich mit so einer Wikileaks-Plattform überhaupt nicht möglich.
Zurheide: Das war Hans Leyendecker, der Kollege von der "Süddeutschen Zeitung", die schlechte Telefonqualität bieten wir zu entschuldigen. Wir haben ihn unterwegs erreicht, das war leider nicht anders möglich. Ich bedanke mich trotzdem für das Gespräch, Herr Leyendecker. Dankeschön.
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