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„Wer suchet, der findet“

Wir lassen uns aber nicht mehr länger einschüchtern oder uns den Mund verbieten. Wir haben es schlicht satt, von einer Landesregierung mit angeschwärzt zu werden, die die Korruption nicht aktiv genug bekämpft, teilweise ihre Klientel noch schützt und ehrliche Bürger der Verwicklung in Korruption beschuldigt statt den Sumpf systematisch auszutrocknen.

Volker Wagener |
    Der Mann sieht sich als Opfer, mehr noch: er fühlt sich verleumdet. Hans Günter Fischer vertritt rund 600 Unternehmen der mittelständischen Entsorgungs-Wirtschaft in Deutschland. Seit dem Kölner Müllskandal ist die Branche unter Generalverdacht. Fischer und die 50.000 Beschäftigten seines "Bundesverbandes für Sekundärrohstoffe und Entsorgung" bekommen das zu spüren. Von der Politik, den Medien, dem Kunden auf der Straße beim Müllabholen. Und deshalb hat er die Schnauze voll, sagte er am vergangenen Montag in Düsseldorf. Und auch sonst nahm der Hauptgeschäftsführer der "bvse" kein Blatt vor den Mund. Vor allem nicht gegenüber der Landesregierung. Die hatte erst eine Woche zuvor der Presse und der Öffentlichkeit einen Bericht präsentiert, der die schlimmsten Erwartungen über Korruption in der nordrhein-westfälischen Müllbranche über Nacht Wirklichkeit werden ließ. Innenminister Fritz Behrens mit dem Fazit nach Abschluss der Untersuchungsarbeit der sogenannten Task Force über neun Müllverbrennungsanlagen in Nordrhein-Westfalen.

    Untersuchungsstab fand Anhaltspunkte, dass Trienekens ein Netzwerk zwischen Wirtschaft und Politik aufgebaut hat. Ein Klima gegenseitiger Abhängigkeiten war entstanden...

    16 Müllöfen gibt es zwischen Rhein und Weser. Die Anlagen in Köln und Bonn behandelte der zwölfköpfige Untersuchungsstab aus Staatsanwälten, Kriminalbeamten, Regierungsangestellten und Steuer-Experten nur peripher. In beiden Fällen ist die Justiz schon seit längerem aktiv. Doch von den verbliebenen Großanlagen wollte sich nicht jeder in die Karten schauen lassen. In dem 200 Seiten langen Bericht heißt es:

    Bezüglich der Müllverbrennungsanlagen in Hamm und Krefeld wurde von den zuständigen kommunalen Gremien bzw. der Geschäftsführung der Betreibergesellschaften einer Überprüfung ausdrücklich nicht zugestimmt. Die kommunalen Gesellschafter der GMVA Oberhausen (Stadt Oberhausen und Stadt Duisburg) haben eine abschließende Entscheidung über die Überprüfung bis zur Auflösung des Untersuchungsstabes hinausgezögert.

    War die Antikorruptionsoffensive des Innen- und Justizministeriums in Düsseldorf also nur ein Papiertiger? – Hans Günter Fischer vom Bundesverband mittelständischer Entsorgungsunternehmer meint ja.

    Die Task Force war seitens der Landesregierung nicht genügend mit Kompetenzen ausgestattet. Die Blockade der Kommunen und der beteiligten Unternehmen wurde von der Regierung nach außen faktisch hingenommen. Das stützte die Täter.

    363 Hinweisen ist die Antikorruptionstruppe des Innenministeriums nachgegangen. 40 Prozent davon kamen aus anonymen Quellen. Ein Zeichen für die Angst auf Seiten der Mitwisser und ein Anhaltspunkt für die Macht, die offensichtlich von den Drahtziehern der krummen Geschäfte in der Müllbranche nach wie vor ausgeht. Der Bericht belegt das.

    Die vorgebrachten Hinweise richteten sich zu einem erheblichen Teil gegen Personen und Abläufe in den eigenen Reihen, "die man nicht mittragen wollte". Insbesondere aus diesem Kreis der Hinweise stammten auch die Personen, die anonym bleiben wollten. Grund hierfür waren befürchtete und auch nachvollziehbare private und berufliche Schwierigkeiten bis hin zu Existenzbedrohungen wegen bestehender Abhängigkeitsverhältnisse.

    Nach über einjähriger Arbeit der Task Force, bei der mehr als 1300 Aktenordner ausgewertet wurden steht fest: die Kölner Müll- und Spendenaffäre ist nur die Spitze des Eisberges. Der riesige Berg unterhalb der Oberfläche ist auch heute nur in groben Umrissen erkennbar. Schon recht gut nachvollziehbar sind hingegen die Korruptionslinien am Beispiel des Bonner Müllskandals. Jochen Hilgers über das Beziehungsgeflecht zwischen lokalen Politikern und dem langen Arm des Helmut Trienekens aus Viersen:

    Der langjährige Stadtwerkechef und CDU- Fraktionsvorsitzende der Bonner CDU, Reiner Schreiber, gerät Anfang 2000 in Verdacht, Schmiergelder angenommen zu haben. Der Name Trienekens taucht zunächst gar nicht auf. Die Anlagenbauer ABB aus Mannheim und von Roll aus Zürich sollen Schreiber bestochen haben, glaubt die Staatsanwaltschaft.

    Nach Einschätzung der Anklagebehörde bevorzugte Schreiber den Mannheimer Anlagenbauer ABB, und schanzte dem Unternehmen Aufträge im Volumen von damals rund 70 Mio. Mark zu. Dafür soll Schreier rund 1,45 Mio Mark kassiert haben. Erstaunlicherweise soll ausgerechnet der damalige Geschaftsführer des Konkurrenzunternehmens, der schweizerischen Von Roll Innova, das Geld an Schreiber tranferiert haben. Zeichen für ein Schmiergeldkartell, wie die Staatsanwaltschaft vermutet.

    Schreiber wird angeklagt, die Ermittlungen laufen aber weiter und fördern Erstaunliches zu Tage. Der umtriebige Reiner Schreiber ist für seine Bonner CDU auch als fleißiger Spendenakquisiteur unterwegs gewesen. Bonns Oberstaatsanwalt Fred Apostel erhält Hinweise und durchsucht die Geschäftsräume der CDU und mehrere Privatwohnungen und Büros von Bonner CDU- Spitzen. Apostel findet Spenden auf dem CDU- Fraktionskonto.:

    Die beliefen sich nach Angaben von Zeugen auf 90.000 DM und 30.000 DM. Diese Zahlungen waren dann Gegenstand unserer heutigen Überprüfung und ich kann sagen, wir haben schon einen ganz guten Schritt voran getan. Die CDU hat bereitwillig alle Unterlagen uns zur Verfügung gestellt und wir werden das jetzt im einzelnen prüfen.

    Zu dieser Zeit, im Februar, März dieses Jahres rätselt man in Bonn noch, was der Hintergrund gewesen sein kann. Und die Bonner CDU rudert heftig gegen. Mehrmals lädt der zu der Zeit Noch-Parteichef Helmut Hergarten zur Pressekonferenz, will angeblich alles aufklären.:

    Ich habe Ihnen letztes Jahr hier an dieser Stelle gesagt, dass die Bonner CDU seit Menschengedenken eine solch hohe Spende nicht bekommen hat, das kann ich auch hier wieder ausdrücklich feststellen. Insbesondere hat es auch diese ominöse Spende von 90.000 Mark nicht gegeben.

    In der Tat sind es fünf einzelne Spenden. Kurz darauf kommt aber heraus, dass drei Spenden aus der Müllbranche aus dem unmittelbaren Umfeld von Hellmut Trienekens stammen sollen. Und die machen zusammen 50.000 Mark aus. Zum ersten Mal fällt auch in Bonn der Name des Müllmultis. Hergarten tritt von seinem Amt als Parteichef zurück. Und plötzlich kommt ein weiterer Name ins Spiel. Detlev Klaudt. Der betreibt mit Trienekens zusammen die Firma TK- Umwelt. TKU ist seit Jahren mit den Bonner Stadtwerken groß im Geschäft.

    Der jüngste Coup 2002: TKU gewinnt die europaweite Ausschreibung zur Teilprivatisierung der Bonner Abfallwirtschaft. Kaufpreis: 30 Millionen Euro. Wie in anderen Städten soll das, wie die CDU mehrmals betont, der Haushaltkonsolidierung dienen. Die SPD läuft zwar Sturm gegen die Pläne, greift aber erst vehement ein, als die Spendenvorwürfe bekannt werden. Die Spenden könnten nämlich, so die Staatsanwaltschaft, für die Durchsetzung der Teilprivatisierung eingesetzt worden sein. SPD- Fraktionschef Gerd Heidemann moniert.:

    Solange eine derart unklare Situation herrscht, die da ist, so mit Steuerhinterziehung und irgendwelche Spenden, die da geflossen sind, muss das natürlich aufgeklärt werden. Wir wollen seriöse Vertragspartner haben.

    Auch die Grünen in Bonn sehen das ähnlich. Kurz bevor die Teilprivatisierung endgültig gestoppt und die bereits abgeschlossene Ausschreibung annulliert wird, sagt Grünen- Fraktionschef Tom Schmidt:

    Ich finde, man muss jetzt nicht nur einhalten und prüfen. Man muss jetzt abbrechen. Herr Trienekens hat selber eingestanden, dass er sich Steuerdelikte schuldig gemacht hat, damit ist er als seriöser Partner der Stadt Bonn ausgefallen. D.h. der Verkauf an Trienekens kann aus unserer Sicht jetzt schon nicht mehr stattfinden.

    Wenig später wird die Geschichte noch abenteuerlicher. Die Staatsanwaltschaft findet heraus, dass ein früher CDU- Antrag für die Teilprivatisierung im Stadtrat 1999 auf einem Trienekens- Computer geschrieben worden sein soll. Vier hohe CDU-Funktionäre brauchten nur noch ihren Namen unter den Antrag aus dem Hause Trienekens zu setzen, fügen lediglich kleinere Ergänzungen an. Auch deswegen ermittelt die Staatsanwaltschaft Bonn. Oberstaatsanwalt Fred Apostel.:

    Das Verfahren, das eingeleitet wurde, betrifft den Vorgang Teilprivatisierung der MVA, und es besteht durchaus der Verdacht, dass Einzelpersonen oder eine Einzelperson hierfür Gegenleistungen erhalten hat.

    Im Abschlussbericht der sogenannten Task Force des nordrhein-westfälischen Innenministeriums, der wegen angeblicher Detailfehler auf Kritik stieß, ist auch der Komplex Teilprivatisierung thematisiert. Viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen hätten sich dafür entschieden. In einigen Kommunen, zum Beispiel Köln, sei sie bereits vollzogen, andernorts gestoppt. Fast überall bekamen Trienekens Firmen den Zuschlag oder hätten ihn vermutlich bekommen. Siehe Bonn. Frage an Oberstaatsanwalt Apostel:

    Gibt es möglicherweise Zusammenhänge zu anderen Städten, wo auch eine Teilprivatisierung der Abfallwirtschaft zum Teil zustande gekommen ist oder nicht zustande gekommen ist?

    Apostel: Das kann ich nicht ausschließen.

    Zur Erklärung noch das Folgende: 2005 wird die Abfallordnung verschärft. Dann darf Müll nicht mehr auf Deponien gelagert, sondern muss verbrannt werden. Die teuren und meist zu groß geratenen Müllverbrennungsanlagen wie die in Bonn werden sich dann, nach Meinung von Experten, erst richtig rentieren, vermutlich zu wahren Gelddruckmaschinen. Warum man unter diesen Voraussetzungen die Abfallwirtschaft überhaupt teilprivatisieren und die lockenden Gewinne mit privaten Partnern teilen wollte, bleibt für viele Beobachter ein Rätsel. Bonns Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann kommt daher resigniert zu dem Schluss.:

    Also politisch ist jedes dieser Ereignisse ein Schaden für die Gesamtpolitik, das gilt für Bonn, das gilt für andere Städte. Das erhöht das Misstrauen der Menschen der Politik gegenüber.

    Die Bonner Oberbürgermeisterin hat den Puls der breiten Öffentlichkeit richtig gefühlt. Das Ansehen der Volksvertreter hat besonders in Nordrhein-Westfalen gelitten. Im vergangenen Jahr sorgten Köln und Wuppertal für Negativ-Schlagzeilen – bundesweit. Auch, weil in den beiden Städten vor allem Politiker der SPD ins Fadenkreuz der Justiz gerieten. Vertreter einer Partei, die sich vom Selbstverständnis her seit 140 Jahren schon als moralisch besser gegenüber der bürgerlichen Konkurrenz empfindet. Doch das lange Jahrzehnte als Tabu gehandelte Thema "Korruption in deutschen Amtsstuben" ist schon längst "Dritte-Welt-reif", meint Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung.

    Allzu lange hatten die Bundesbürger geglaubt, das heimliche System des Gebens und Nehmens sei vor allem bei den welschen Nachbarn zu finden, in Frankreich oder Italien vielleicht, oder im Osten. Dann wurden die vielen Schmiergeldaffären aucxh hierzulande öffentlich. In Kfz-Zulassungsstellungen, in den Baubehörden, den Ausländer-, Sozial-Ordnungsämtern, im Immobilienbereich, im Pharmabereich, dem Speditionswesen und natürlich auch beim Müll.

    Im weiten Reich von Wirtschaft und Verwaltung gibt es keinen Fußbreit Boden, in dem nicht kriminell der Vorteil gesucht wird. Mittlerweile stinkt es, wie der Kölner Skandal zeigt, aus allen Kanälen. Fast jede Großstadtverwaltung hat ihre Korruptionsaffäre. Köln, Frankfurt, München, Bonn sind nur beliebige Beispiele. Wo auch immer, wann auch immer sich Staatsanwaltschaften in Deutschland um Korruption kümmern, werden sie fündig. Im Umkehrschluss heißt das: Nur wenn weggeschaut oder schlampig ermittelt wird, gibt es angeblich keine Korruption.

    Bestechung ist als eine Form der Organisierten Wirtschaftskriminalität fester Bestandteil der Geschäftspolitik, auch in den Chefetagen renommierter deutscher Unternehmen...

    ... schrieb der Frankfurter Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner in einer 1999 veröffentlichten Bilanz. Allein im öffentlichen Bauwesen schätzt er die Schäden auf fünf Millionen Euro im Jahr. Wer schmiert, versucht, sich das Geld zwei- oder dreimal zurück zuholen. Über höhere Preise oder über Leistungen, die er nicht erbracht hat.

    Insbesondere bei Großprojekten wie bei Flughäfen, Tunnel oder Brücken wird geschmiert. Experten gehen davon aus, dass im Anlagenbau beispielsweise bei jedem zweiten Projekt geschmiert wird und da geht es um Bausummen zwischen 50 und 400 Millionen Euro.

    Für die Täter ist derzeit noch das Risiko überschaubar. Nach Schätzungen von Experten kommen auf 93 unerkannte Fälle höchstens sieben aufgedeckte. Anders als bei Diebstahl oder Raub gibt es kein direktes Opfer und deshalb gibt es oft eine Mauer des Schweigens. Der Dumme ist meist der Steuerzahler.

    Wer ist der typische Homo corruptus?

    Korruption ist vor allem ein Männer-Thema und ein Männer-Delikt. Der typische Korrupte hierzulande ist männlich, deutsch, nicht vorbestraft. Er arbeitet im mittleren Management eines Betriebes oder einer Verwaltung und ist mit den Strukturen der Korruption seit Jahren vertraut. Eine beliebte Ausrede lautet:

    Das macht doch jeder, wenn er kann. Ich schade doch keinem!

    Die deutsche Entwicklung wird außerhalb der Landesgrenzen mit Sorge beobachtet. So hat die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa (OECD) in ihrem Korruptionsbericht bemängelt, dass es für deutsche Tippgeber kaum möglich ist, Informationen über Korruptionsversuche weiterzugeben.

    Es fehlt aber nicht nur an Hotlines oder Antikorruptionsstellen. Für Hinweisgeber, das ist die deutsche Übersetzung des international gebräuchlichen Wortes "Whistleblower", fehlt es an arbeits- oder dienstrechtlichen Schutzgesetzen, die sie vor Diskriminierungen oder Repressalien am Arbeitsplatz schützen. Bei den Staatsanwaltschaften fehlt es an Zentralstellen für Korruptionsbekämpfung.

    Überblick und Durchblick sind Feinde der Korruption. Aber gerade hierzulande mangelt es an Transparenz. Manchmal weiß nicht mal der Bürgermeister, dass Ratsmitglieder für Firmen arbeiten, über deren Bauanträge sie abstimmen.

    Korrupte Bräuche können so weitgehend einreißen, dass niemand mehr auf die Idee kommt, einen Korrupten korrupt zu nennen...

    ... schrieb eine Gruppe deutscher Sozialforscher in einer Monographie zum Thema. Dabei ist die Lage wirklich dramatisch wie das folgende Beispiel Wuppertal zeigt:

    Ich halte den bergischen Menschen nicht für korrupter als andere. Wir hatten hier vor zehn Jahren ein Packende wo wir ziehen konnten und da purzelten die ersten wie die Dominosteine um. Und da wollten einige doch so richtig auspacken.

    Alfons Grevener ist ein berühmter Mann. Zumindest unter Kennern der deutschen Korruptionsszene. Der "Don Guichote von der Wupper" kämpft zwar nicht allein gegen die Mafia, doch nach den Erfahrungen von mehreren tausend Einzelverfahren mit zusammen über 100 Jahren Gefängnisstrafe, ist der "Casus Wuppertal" schon etwas besonderes. Der Oberstaatsanwalt ist seit 1997 in der Heimatstadt des Staatsoberhauptes tätig. Seitdem erlebt er in Sachen Bestechung mit tätiger Mithilfe städtischer Bediensteter nur noch Superlative.

    Das fängt an bei Gefälligkeiten beim Hausbau, das geht dann weiter über Bargeldbeträge...

    Der Ankläger mit der Aura eines amerikanischen TV-Kommissars hat noch auf Jahre mit dem Phänomen Wuppertal zu tun. Einige Hundert Personen stehen noch vor Prozessen. Mit seinen breiten Hosenträgern über dem Bauch und tief aufliegender Brille auf der Nase vermittelt er den Eindruck absoluter Unerschütterlichkeit. Nur so scheint er Quantität und Qualität der bergischen Korruptionsdetails verkraften zu können.

    Wenn ein Auftrag von 5 Millionen Mark einging musste schon ein gewichtiges Gremium darüber entscheiden. Manche Abteilungsleiter erkannten aber sofort, dass sich der Betrag wunderbar durch 100 teilen ließ und zerhackten die Summe und konnten so selbst über die Aufträge entscheiden.......dieses Muster haben wir am Anfang der Wuppertaler Ermittlungen immer wieder festgestellt.

    Die herausragenden Personen im bergischen Serienspiel um Millionen sind Hans Kremendahl, der nach seinem Freispruch zum Jahreswechsel wieder amtierende Oberbürgermeister und Uwe Clees, ein mächtiger regionaler Baulöwe. Der Unternehmer mit ausgeprägtem Hang zur politischen Einflussnahme, hatte 1999 Kremendahls persönlichen Kommunal-Wahlkampf mit 250.000 Euro unterstützt. Der SPD-OB will bei den Gesprächen, in deren Verlauf die Details des rekordverdächtig hohen Polit-Sponsorings erörtert worden sein sollen, nicht direkt beteiligt gewesen sein. Auch mit der späteren gesetzeswidrigen Verbuchung der Spende in den Kassenbüchern des SPD-Unterbezirks Wuppertal, will Kremendahl nichts zu tun gehabt haben.

    Beliebt war an der Wupper zum Beispiel die Absprache unter den Firmen bei öffentlichen Aufträgen. Unter Insidern auch bekannt als "Wuppertaler Firmenflöte". Acht Unternehmen bewerben sich um einen Auftrag der Stadtväter. Über die Preise stimmen sich die vermeindlichen Kontrahenten vorher ab. Und zwar so, dass der Billigste immer noch ordentlich über dem Normaltarif lag. Der Gewinner der Ausschreibung verzichtet beim nächsten Mal. Ein anderer kommt zum Zug. Aber immer zum künstlich hochgetriebenen Preis – zum Nachteil der Wuppertaler Steuerzahler. Die Stadt wird seit Jahrzehnten von einer verschwiegenen Männerrunde gemolken, sagt Alfons Grevener. Und nirgendwo unter der Schwebebahn ist öffentlicher Protest zu hören. Vielleicht liegt das daran, dass Wuppertal überall ist.

    Ich glaube nicht, dass Deutschland korrupter ist als irgendein südamerikanischer Staat, nach den bisherigen Erfahrungen hier glaube ich allerdings auch nicht, das wir weniger korrupt sind.

    (Telefon klingelt) «Breuer…..ja ich bin der Antikorruptionsbeauftragte der Stadt Köln

    Nicht erst seit dem SPD-Gau um den Millionen-Müllofen im März 2002 ist Korruption in Köln auch offiziell ein Thema. 1998 wurden auf einen Schlag 22 städtische Mitarbeiter verhaftet, am Ende waren es sogar 56 plus zwei Unternehmer. Die Hälfte wurde verurteilt, teilweise mit bis zu fünf Jahren Gefängnis. Das war das Urerlebnis, sagt Josef Breuer. Der Volljurist ist seit 1999 Antikorruptionsbeauftragter der Stadt. Seitdem schaut er bei einigen der rund 17.000 städtischen Angestellten genauer hin. Dabei lebt der 40jährige nicht nur vom selbst recherchierten. Der anonyme Flüsterer, früher verpönt, ist heute oft der entscheidende Stichwortgeber.

    Es kommt nicht darauf an, ob jemand etwas anonym oder offen mitteilt. Wichtig ist die Qualität der Information. Früher haben wir Anonyme oft gar nicht beachtet. Das war ein Fehler. Heute wissen wir: gerade anonyme Hinweise führen oft zum Ziel.