Juan Antonio Samaranch war der größte Sportführer des vergangenen Jahrhunderts. Es wird nie wieder einen Präsidenten geben, der das Internationale Olympische Komitee (IOC) derartig prägen kann. "The big one", nannte ihn sein Sohn Juan Antonio, natürlich selbst IOC-Mitglied, im Oktober 2009 auf der Vollversammlung in Kopenhagen. Damals hatte der Senior seinen Kollegen einen letzten Wunsch angetragen: "Ich erlebe meine letzten Tage", sagte er, "ich bitte Sie um die Ehre, meinem Land und Madrid die Olympischen Spiele 2016 zu vergeben!"
Es war eine der wenigen Bitten, die nicht erfüllt wurden – Rio bekam die Spiele. In der Zeit seiner Präsidentschaft von 1980 bis 2001 hätte Samaranch nicht fragen müssen. Er hätte es gedeichselt. So wie er etwa 1986 organisierte, dass die Sommerspiele in seine Heimatstadt Barcelona kamen. 1992 feierte er dann gewissermaßen Versöhnung mit Barcelona. Denn die Katalanen hatten ihn, den treuen Diener Francos, nach dem Tod des Caudillos aus der Stadt verjagt. Mitte der 70er-Jahre ging der Falangist Samaranch ins Exil – er wurde Spaniens Botschafter in der Sowjetunion und der Mongolei. Dienstsitz: Moskau, Gastgeber der Sommerspiele 1980.
Samaranch hatte Glück im Unglück. Sportpolitisch war der Wechsel nach Moskau für ihn, den damaligen Protokollchef des IOC, perfekt. Denn in Moskau wurde ein Nachfolger des IOC-Präsidenten Lord Killanin gewählt. Samaranchs größter Rivale, der Deutsche Willi Daume, hatte wegen des Olympiaboykotts schlechte Karten. Spanien aber nahm an den Spielen teil, als eine der wenigen westeuropäischen Nationen. Und Samaranch wurde – nein, gewählt darf man nicht wirklich sagen, korrekter: er wurde ins Amt gehievt.
Einige höchst dubiose Stimmendealer wie der Franzose André Guelfi und die sportpolitische Abteilung des Adidas-Konzerns haben Samaranch inthronisiert. Adidas-Chef Horst Dassler war der Königsmacher. Und Lord Killanin sprach später von Stimmenkauf. Willi Daume warnte in jenen Jahren, als Samaranch die Olympischen Spiele kommerzialisierte:
""Sie wissen von bedenklichen Erscheinungen beim IOC. Die tumultarische Entwicklung der Fernseheinnahmen, deren Ausmaß mit den neuen Medien noch gar nicht abzusehen ist, hat einiges Schlimme bewirkt. Organisation breitet sich in unvorstellbarem Maße aus. Immer neue Organisationen ohne einleuchtende Aufgaben, Wichtigtuerei, Politik und Propaganda im Hintergrund. Kein Wissen um die Grenzen in dieser Hinsicht, keine Bescheidenheit. Sport und die Jugend stehen im Hintergrund, keine geistige Führung. Wohin soll das alles führen?”"
Es führte zu Reichtum – und damit zu einer partiellen Unabhängigkeit des IOC. Denn aus dem bettelarmen Verein, dessen Mitglieder sogar Jahresbeitrag bezahlen mussten, wurde unter Samaranch ein Milliardenkonzern. Unter seinem Nachfolger Jacques Rogge wurden die Rücklagen kontinuierlich ausgebaut, so dass das IOC in der Lage wäre, den Ausfall von Olympischen Spielen finanziell zu verkraften. Dies ist ein zentraler Punkt der IOC-Ideologie. Mitglieder, die den Kalten Krieg und die Boykotte aktiv miterlebt haben, predigen diese finanzielle Stärke als größte Errungenschaft. Deshalb wird Samaranch von seinen Jüngern wie etwa dem Deutschen Thomas Bach stets als "Retter und Bewahrer” der Spiele bezeichnet. Auch Bach, möglicherweise ab 2013 neunter IOC-Präsident, ist übrigens ein Dassler-Mann, er war einst dessen Adlatus.
Samaranch war ein Mann des Geldes. Er etablierte eine Politik des Gebens und Nehmens. Und er überstand 1999 den Korruptionsskandal um die Olympiastadt Salt Lake City glimpflich.
Der Name Samaranch wird immer ein Synonym für olympische Korruption bleiben. Salt Lake City war nur die Spitze des Eisberges. Andere Olympiabewerbungen wurden nie aufgearbeitet. Auch den gerichtsfesten Skandal um Dasslers ehemalige Firma ISL, die Sportfunktionäre mit mindestens 138 Millionen Schweizer Franken schmierte, hat das IOC nicht aufgearbeitet. Im Gegenteil: Geber und Nehmer der Bestechungsgelder sind nach wie vor anerkannte Mitglieder der sogenannten Olympischen Familie.
Was bleibt?
Samaranch surfte wie kein anderer zwischen den Welten, er verteilte Olympische Orden an Erich Honecker, Helmut Kohl und Nicolae Ceaucescu, vergab die Spiele nach Peking. Er hatte ein fantastisches Gespür und er hatte Glück, stets zur richtigen Zeit die richtigen Leute kennen zu lernen und von ihnen zu profitieren. Samaranch war ein erstklassiger Politiker.
Nur ein anderer der bislang acht Präsidenten hat das IOC und die Olympischen Spiele ähnlich prägen können wie Samaranch: Pierre de Coubertin, der IOC-Gründer aus Frankreich. Baron de Coubertin hatte eine Vision und schuf das ideologische Fundament der so genannten olympischen Bewegung. Der Marques de Samaranch begriff beizeiten, dass es komfortabler ist, wenn Ideologie und materieller Wohlstand eine Symbiose eingehen.
Es bleiben viele Fragen. Wer war Samaranch?
Samaranch sei Mitglied des katholischen Geheimbundes Opus Dei gewesen, sagen Forscher. Supernumerarier des Opus? Samaranch ließ Fragen dazu stets unbeantwortet. Fakt ist: Er absolvierte eine Elite-Ausbildungsschule des Opus Dei.
Samaranch, so behaupten ein russischer Historiker und ein ehemaliger KGB-Führungsoffizier, sei auch KGB-Agent gewesen. Samaranch sagte: "Nein."
Wer und was Samaranch wirklich gewesen ist, wird die Öffentlichkeit wohl nie erfahren. Denn das Schweige-Gelübde der olympischen Familie, es hält.
Für rund 100 Millionen Dollar ließ Samaranch beizeiten einen Luxus-Tempel hoch über dem Genfer See in der IOC-Hauptstadt Lausanne errichten. Im Foyer dieses Olympischen Museums sind die Namen der Sponsoren in goldenen Lettern in Stein gemeißelt. Jeder dieser Namen erzählt eine Geschichte aus seiner Ära. Natürlich trägt das Museum seinen Namen. Es ist Samaranchs olympisches Mausoleum.
Seinen letzten großen Auftritt schloss Samaranch im Oktober 2009 mit für ihn typischen Worten:
""I can say that today the IOC is stronger, is stronger than ever!”"
Es war eine der wenigen Bitten, die nicht erfüllt wurden – Rio bekam die Spiele. In der Zeit seiner Präsidentschaft von 1980 bis 2001 hätte Samaranch nicht fragen müssen. Er hätte es gedeichselt. So wie er etwa 1986 organisierte, dass die Sommerspiele in seine Heimatstadt Barcelona kamen. 1992 feierte er dann gewissermaßen Versöhnung mit Barcelona. Denn die Katalanen hatten ihn, den treuen Diener Francos, nach dem Tod des Caudillos aus der Stadt verjagt. Mitte der 70er-Jahre ging der Falangist Samaranch ins Exil – er wurde Spaniens Botschafter in der Sowjetunion und der Mongolei. Dienstsitz: Moskau, Gastgeber der Sommerspiele 1980.
Samaranch hatte Glück im Unglück. Sportpolitisch war der Wechsel nach Moskau für ihn, den damaligen Protokollchef des IOC, perfekt. Denn in Moskau wurde ein Nachfolger des IOC-Präsidenten Lord Killanin gewählt. Samaranchs größter Rivale, der Deutsche Willi Daume, hatte wegen des Olympiaboykotts schlechte Karten. Spanien aber nahm an den Spielen teil, als eine der wenigen westeuropäischen Nationen. Und Samaranch wurde – nein, gewählt darf man nicht wirklich sagen, korrekter: er wurde ins Amt gehievt.
Einige höchst dubiose Stimmendealer wie der Franzose André Guelfi und die sportpolitische Abteilung des Adidas-Konzerns haben Samaranch inthronisiert. Adidas-Chef Horst Dassler war der Königsmacher. Und Lord Killanin sprach später von Stimmenkauf. Willi Daume warnte in jenen Jahren, als Samaranch die Olympischen Spiele kommerzialisierte:
""Sie wissen von bedenklichen Erscheinungen beim IOC. Die tumultarische Entwicklung der Fernseheinnahmen, deren Ausmaß mit den neuen Medien noch gar nicht abzusehen ist, hat einiges Schlimme bewirkt. Organisation breitet sich in unvorstellbarem Maße aus. Immer neue Organisationen ohne einleuchtende Aufgaben, Wichtigtuerei, Politik und Propaganda im Hintergrund. Kein Wissen um die Grenzen in dieser Hinsicht, keine Bescheidenheit. Sport und die Jugend stehen im Hintergrund, keine geistige Führung. Wohin soll das alles führen?”"
Es führte zu Reichtum – und damit zu einer partiellen Unabhängigkeit des IOC. Denn aus dem bettelarmen Verein, dessen Mitglieder sogar Jahresbeitrag bezahlen mussten, wurde unter Samaranch ein Milliardenkonzern. Unter seinem Nachfolger Jacques Rogge wurden die Rücklagen kontinuierlich ausgebaut, so dass das IOC in der Lage wäre, den Ausfall von Olympischen Spielen finanziell zu verkraften. Dies ist ein zentraler Punkt der IOC-Ideologie. Mitglieder, die den Kalten Krieg und die Boykotte aktiv miterlebt haben, predigen diese finanzielle Stärke als größte Errungenschaft. Deshalb wird Samaranch von seinen Jüngern wie etwa dem Deutschen Thomas Bach stets als "Retter und Bewahrer” der Spiele bezeichnet. Auch Bach, möglicherweise ab 2013 neunter IOC-Präsident, ist übrigens ein Dassler-Mann, er war einst dessen Adlatus.
Samaranch war ein Mann des Geldes. Er etablierte eine Politik des Gebens und Nehmens. Und er überstand 1999 den Korruptionsskandal um die Olympiastadt Salt Lake City glimpflich.
Der Name Samaranch wird immer ein Synonym für olympische Korruption bleiben. Salt Lake City war nur die Spitze des Eisberges. Andere Olympiabewerbungen wurden nie aufgearbeitet. Auch den gerichtsfesten Skandal um Dasslers ehemalige Firma ISL, die Sportfunktionäre mit mindestens 138 Millionen Schweizer Franken schmierte, hat das IOC nicht aufgearbeitet. Im Gegenteil: Geber und Nehmer der Bestechungsgelder sind nach wie vor anerkannte Mitglieder der sogenannten Olympischen Familie.
Was bleibt?
Samaranch surfte wie kein anderer zwischen den Welten, er verteilte Olympische Orden an Erich Honecker, Helmut Kohl und Nicolae Ceaucescu, vergab die Spiele nach Peking. Er hatte ein fantastisches Gespür und er hatte Glück, stets zur richtigen Zeit die richtigen Leute kennen zu lernen und von ihnen zu profitieren. Samaranch war ein erstklassiger Politiker.
Nur ein anderer der bislang acht Präsidenten hat das IOC und die Olympischen Spiele ähnlich prägen können wie Samaranch: Pierre de Coubertin, der IOC-Gründer aus Frankreich. Baron de Coubertin hatte eine Vision und schuf das ideologische Fundament der so genannten olympischen Bewegung. Der Marques de Samaranch begriff beizeiten, dass es komfortabler ist, wenn Ideologie und materieller Wohlstand eine Symbiose eingehen.
Es bleiben viele Fragen. Wer war Samaranch?
Samaranch sei Mitglied des katholischen Geheimbundes Opus Dei gewesen, sagen Forscher. Supernumerarier des Opus? Samaranch ließ Fragen dazu stets unbeantwortet. Fakt ist: Er absolvierte eine Elite-Ausbildungsschule des Opus Dei.
Samaranch, so behaupten ein russischer Historiker und ein ehemaliger KGB-Führungsoffizier, sei auch KGB-Agent gewesen. Samaranch sagte: "Nein."
Wer und was Samaranch wirklich gewesen ist, wird die Öffentlichkeit wohl nie erfahren. Denn das Schweige-Gelübde der olympischen Familie, es hält.
Für rund 100 Millionen Dollar ließ Samaranch beizeiten einen Luxus-Tempel hoch über dem Genfer See in der IOC-Hauptstadt Lausanne errichten. Im Foyer dieses Olympischen Museums sind die Namen der Sponsoren in goldenen Lettern in Stein gemeißelt. Jeder dieser Namen erzählt eine Geschichte aus seiner Ära. Natürlich trägt das Museum seinen Namen. Es ist Samaranchs olympisches Mausoleum.
Seinen letzten großen Auftritt schloss Samaranch im Oktober 2009 mit für ihn typischen Worten:
""I can say that today the IOC is stronger, is stronger than ever!”"