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Werbeposts mit Babyfotos
Influencing oder Kinderarbeit?

Mit Fotos ihrer Kinder werben Influencerinnen auf Instagram für Windeln, Kinderkleidung und Spielzeug. Während die einen das völlig in Ordnung finden, sprechen andere von Kinderarbeit. Auch die Bremische Landesmedienanstalt kritisiert die Kommerzialisierung von Babys in sozialen Netzwerken.

Von Ann-Kristin Pott | 05.05.2021
Marktoberdorf, Germany, 27th May 2020 Photoshooting Baby LUCA
Wenn Influencerinnen mit Fotos ihrer Babys werben, sollten sie das Gesicht der Kinder nicht zeigen, fordert die Bremische Landesmedienanstalt (Imago/Action Pictures)
Ein Kleinkind, mit Windel und Pulli bekleidet, spielt in seinem Kinderzimmer und lacht. Im Instagram-Post wird die Windelmarke verlinkt und auf die Werbung und ein Gewinnspiel hingewiesen. Solche Fotos sind bei Instagram nichts Neues. Viele Influencerinnen und Influencer machen Werbung auf ihren Kanälen - manchmal auch mit ihren Kindern. Cornelia Holsten, Direktorin der Bremischen Landesmedienanstalt kritisiert das:
"Babys sollten nicht kommerzialisiert werden, und genau das passiert, wenn Influencer-Eltern Babyfotos einsetzen, um ihre Reichweite zu steigern oder um die Reichweite von Werbepostings zu steigern. Eltern sind hier in einer Doppelfunktion, sie sind einmal Auftraggeber:innen für das entsprechende Posting, aber sie sind auch Fürsorger:innen für ihre Kinder."

Influencerinnen verweigern Interviews zum Thema

Es ist ein sensibles Thema. Diejenigen, die Werbung machen und dafür Bilder mit ihren Kindern posten, fühlen sich teilweise von der Kritik vor den Kopf gestoßen, wie Reaktionen zeigen. Für diesen Beitrag hat sich niemand gefunden, der sich zu der Kritik äußern wollte.
Marie Nasemann wollte über das Thema sprechen. Die 32-Jährige ist Model, Autorin und Schauspielerin und zeigt das Gesicht ihres Kindes nicht:
"Ich war in der letzten Schwangerschaft relativ lange unsicher, was das angeht, und wollte das dann so ein bisschen von meinem Gefühl abhängig machen, wenn der Kleine da ist. Und es hat sich gezeigt, als er auf die Welt kam, dass ich da eben doch so einen Beschützerinstinkt hatte und das dringende Bedürfnis, eben nicht sein Gesicht eben mit allem preiszugeben und auch seinen Namen für mich zu behalten."
Marie geht offen mit ihrer Schwangerschaft um, spricht auch mit ihrem Freund im gemeinsamen Podcast darüber. Sie sind sich einig: Ihre Kinder sollen selbst entscheiden, wie sie sich später im Internet zeigen:
"Ich hatte natürlich auch überlegt, ob ich das Babythema einfach komplett ausschließen soll. Aber das fand ich dann auch wiederum nicht ehrlich und authentisch, denn ich bin jetzt eben auch Mutter, und das ist eben ein großer Teil meines Lebens und ich finde es eigentlich schade, das auszuklammern."

Kinderrechtlerin befürwortet Kinderfotos im Netz

Und auch viele andere Influencerinnen und Influencer posten bei Instagram gern Fotos von ihrem Familienalltag. Das findet Luise Meergans unbedenklich. Sie ist Abteilungsleiterin für Kinderrechte und Bildung beim Deutschen Kinderhilfswerk. Auch ihr geht es vor allem um Werbung mit Kindern:
"Bei allem Appell an die Vorsicht dabei, bin ich total dafür, Kinder im Internet zu zeigen. Kinder müssen sichtbar sein bei uns in der Gesellschaft. Die Frage ist also immer: Wie stelle ich Kinder im Internet dar? Im Idealfall muss ich auch nicht immer das Kind so zeigen, dass man das Kind vollständig sieht. Man kann Kindheit auch darstellen, in dem man es von hinten zeigen, das Gesicht unkenntlich macht, um Privatsphäre zu schützen. Kritisch wird es in dem Moment, wenn damit Geld verdient wird."
Auf einem Plakat ist eine schwangere Frau zu sehen. Darunter die Aufschrift: "Neue Deutsche? Machen wir selber".
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Influencerin zeigt Gesicht ihres Sohnes nicht

Viele Influencerinnen und Influencer achten darauf. Manche weisen auf ihren Seiten auch darauf hin, dass sie das Gesicht ihrer Kinder bei Kooperationen nicht zeigen. Das findet auch Marie Nasemann wichtig. Sie hat mit ihrem Sohn schon Fotos für Kooperationen mit Babymode gemacht, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen:
"An so einem Tag, wenn ich so etwas fotografiere, da fotografiere ich mindestens 75 Prozent als Legeware, dass ich die Klamotten irgendwo schön drapiere und abfotografiere. Und dann kommt mal mein Sohn dazu, der eben einfach irgendwas davon anhat, und wird fotografiert, aber ich würde jetzt auch nicht von meinem Sohn richtig Arbeit erwarten, sodass ich ihn 15-mal am Tag umziehe, was ihm keine Freude bereitet."

Kein Blick ins Kinderzimmer

Und auch dabei zeigt sie das Gesicht ihres Sohnes nicht. Das fordert auch die Bremische Landesmedienanstalt. Aber auch die Adresse und der Geburtstag des Kindes sollten nicht genannt und das Kinderzimmer nicht gezeigt werden. Das sei Privatsphäre. Luise Meergans vom Deutschen Kinderhilfswerk würde sich solche Regeln für Social Media wünschen. Ähnlich wie es das Jugendarbeitsschutzgesetz für Fernsehwerbung oder Filmdrehs mit Kindern vorsieht:
"Das bedeutet zum Beispiel, dass das Jugendamt mitredet, es gibt ein medizinisches Gutachten. Das ist ein großes System, das drumrum gebaut ist, weil dafür gesorgt werden muss, dass dieser Job, den das Kind dort macht, wenn es ein Kinderschauspieler oder eine Kinderschauspielerin ist, nicht das Kindeswohl gefährdet. Das wird nicht garantiert, wenn die Eltern mehrere Stunden am Tag die Kamera auf ihr spielendes Kind halten. Meiner Meinung nach fällt das Thema Influencing mit ins Jugendarbeitsschutzgesetz, und es müssten einfach dieselben Regeln gelten."
Deswegen soll weiter auf das Thema aufmerksam gemacht und Debatten geführt werden. Und das nicht nur in der Instagram-Community, sondern vor allem auch in der Politik und den zuständigen Ämtern.