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Werbeverbot für Abtreibungen
Der Kampf um den Paragrafen 219a

Behalten, streichen oder reformieren? In dieser Woche berät der Bundestag in erster Lesung über den Paragrafen 219a, der ein Werbeverbot für Abtreibungen beinhaltet. Hinter der Diskussion um den Detailparagrafen bricht der Grundsatzkonflikt zwischen Abtreibungsgegnern- und Befürwortern wieder auf.

Von Christiane Florin |
    «Babies welcome!» steht am 19.09.2015 in Berlin auf einem Plakat eines Demonstranten.
    Seit einiger Zeit gewinnen Abtreibungsgegner wieder an Öffentlichkeit, zum Beispiel beim "Marsch für das Leben" am 19.09.2015 in Berlin (picture-alliance / dpa / Paul Zinken)
    Das große gelbe M bringt etwas Farbe in die Straße am Rande der Gießener Fußgängerzone. Daneben fällt das Schild kaum auf. "Kristina Hänel, Praxis für Allgemeinmedizin. Termine nach Vereinbarung", steht da. Manchmal brettert ein LKW vorbei, um die Mittagszeit ziehen Schülergruppen in Richtung McDonalds und unterhalten sich lachend. Niemand wirft einen Blick auf das Schild. Wer einen Termin nach Vereinbarung wahrnimmt, möchte nicht gesehen werden.
    Kristina Hänel nimmt Schwangerschaftsabbrüche vor, ihre Homepage weist darauf hin. Ein Verstoß gegen Paragraf 219a, befand das Amtsgericht Gießen im November vergangenen Jahres.
    Informationsrecht über einen Schwangerschaftsabbruch gefordert
    "Ich streite nicht nur darum, dass ich das darf. Sondern ich streite darum, dass die Frauen das Informationsrecht bekommen über einen Schwangerschaftsabbruch, dass sie sich informieren können. Und dazu gehört eben auch, dass Ärzte, die Abbrüche machen, ihre Informationen in die Öffentlichkeit geben dürfen", erklärt Kristina Hänel.
    Paragraf 219 a besagt: 'Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise 1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder 2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekannt gibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.' (Zitat)
    Die Ärztin Kristina Hänel vor dem Amtsgericht in Gießen (Hessen).
    Die Ärztin Kristina Hänel vor dem Amtsgericht in Gießen (Boris Roessler / dpa )
    Kristina Hänel wurde zu einer Strafzahlung von 6.000 Euro verurteilt. Auf ihrer Homepage listet sie das Spektrum ihrer ärztlichen Leistungen auf, von Lungenfunktionsuntersuchung bis Blutegeltherapie. Immer noch steht unter der Überschrift ""Frauengesundheit" das Wort Schwangerschaftsabbruch. Wer darauf klickt, wird gebeten, die E-Mail-Adresse anzugeben. Sekunden später landet ein zweiseitiges Schreiben im digitalen Postfach. Darin informiert die Ärztin über die gesetzliche Grundlage und verschiedene Methoden und Risiken eines Abbruchs.
    Grüne, Linkspartei, SPD und Teile der FDP finden Paragraf 219a überholt
    Kristina Hänel hat eine Internet-Petition gestartet gegen den Paragrafen 219a. Rund 156.000 digitale Unterschriften hat sie für dessen Abschaffung gesammelt. Unterstützung bekommt die 61 Jährige auch im Parlament. An diesem Donnerstag wird sich der Bundestag mit Hänels Anliegen beschäftigen. Grüne, Linkspartei, SPD und Teile der FDP halten den Paragrafen 219a für überholt. Sie fordern entweder seine Abschaffung oder eine Veränderung dahingehend, dass Information über Abtreibung legal wird.
    Das Hauptargument aller: Es sei widersprüchlich, dass Ärzte eine Handlung zwar straffrei durchführen könnten, aber ungewollt schwangere Frauen nicht darüber informieren dürften. Ulle Schauws, Bundestagsabgeordnete der Grünen, gehört zu den Wegbereiterinnen der Gesetzesinitiative:
    "Wir möchten an dieser Stelle eben die Rechtssicherheit und auch die Informationsmöglichkeiten für Frauen gewährleistet wissen. Denn die Anzeigen, die da steigen, machen einfach deutlich, dass der 219a genutzt wird, um ich sage jetzt mal, um so etwas wie ein Grundmisstrauen gegenüber Ärztinnen und Ärzten oder auch diesem Selbstbestimmungsrecht von Frauen, jetzt wieder neu zu stellen."
    Paragraf 218: "Rechtswidrig, aber straffrei"
    Gestritten wurde in der Bundesrepublik Jahrzehnte lang vor allem über den Paragrafen 218. Im Juni 1995 fand das Parlament eine Kompromiss-Formel, die bis heute gilt: Ein Schwangerschaftsabbruch ist rechtswidrig, aber straffrei. Das gilt für Abtreibungen bis zur 12. Schwangerschaftswoche, wenn die Frau eine Beratungsstelle aufsucht. Rund 100.000 Abtreibungen pro Jahr verzeichnet das Statistische Bundesamt.
    Frauen fordern Selbstbestimmung und die Streichung des Paragraphen 218 in Bonn am 16. Juni 1990
    16. Juni 1990: Frauen fordern Selbstbestimmung und die Streichung des Paragraphen 218 in Bonn (imago / Stana)
    Die Regelung ging jenen, die Abtreibung entkriminalisieren wollten, nicht weit genug. Jenen, die Abtreibung grundsätzlich ablehnen, ging sie zu weit. Der Kompromiss polarisierte - und befriedete zugleich. Die politische Debatte um den Schwangerschaftsabbruch verstummte erst einmal. Nun ist sie wieder da.
    Zunahme von Anzeigen nach Paragraf 219a
    Das hat mit einer Bewegung zu tun, deren Bezeichnung schon Teil der Kontroverse ist. Lebensschützer nennen sie sich selbst, von Anti-Abtreibungsaktivisten sprechen ihre Kritiker. Hunderte von Gruppen und Vereine finden sich im Internet. Recherchiert man zum Schwangerschaftsabbruch, listen Suchmaschinen deren Seiten oft zuerst auf. Seiten wie "Babykaust" und "abtreiber.com" beschwören die Erinnerung an den millionenfachen Massenmord der Nazi-Zeit und schockieren mit Fotos von blutroten Föten. Andere Engagierte setzen eher auf Mitgefühl mit den Ungeborenen als auf Abschreckung und verteilen kleine weiße Plastik-Embryos. Die Beweggründe sind unterschiedlich - katholisch oder evangelikal, ökumenisch oder ökologisch. Einige beten still, damit die Frau doch nicht abtreibt, andere protestieren vor Praxen und Kliniken. Einmal im Jahr, im September, finden sich alle zusammen beim Marsch für das Leben in Berlin, meistens übertönt von Gegendemonstranten.
    "Herzlichen Willkommen zu dieser Kundgebung. Die Schwächsten schützten, Ja zu jedem Kind, Selektion und Abtreibung beenden."
    Publizieren, beten, demonstrieren – manchen ist das zu wenig. Zunehmend werden Ärztinnen und Ärzte wegen Verstoßes gegen Paragraf 219a angezeigt. Bis 2014 zählte die Polizeiliche Kriminalstatistik zwischen zwei und 14 Anzeigen jährlich wegen unerlaubter Werbung, 2016 gab es schon 35. Meistens wurden die Verfahren eingestellt. Auch deshalb hat das Gießener Urteil gegen die Ärztin Kristina Hänel Symbolwirkung. Hänels Gegner feiern es als Erfolg, ihre Unterstützer nehmen es zum Anlass, das Gesetz zu ändern.
    Gefahr der Liberalisierung von Abtreibung
    Viele exponierte Abtreibungsgegner sind Männer. Klaus Günter Annen betreibt die Seite "Babykaust", Gerhard Steier ist Geschäftsführer der Kooperative Arbeit Leben Ehrfürchtig Bewahren, kurz Kaleb, die besonders im Osten Deutschlands aktiv ist. Dem Verein "Ärzte für das Leben" steht ein männlicher Mediziner vor. Die Initiative Christdemokraten für das Leben, kurz CdL, wird hingegen von einer Frau geleitet. Von der Unternehmensberaterin Mechthild Löhr.
    "Alle Dinge, für die ich werben kann, sind doch alltäglich. Nicht nur der Gesetzgeber, auch die Gesellschaft, glaube ich, ist in der Mehrheit ist der Meinung, dass Abtreibung letztlich doch nichts Alltägliches ist, für das man werben sollte. Wenn wir konkret den Fall der Frau Hänel nehmen: So führt sie seit über 25 Jahren Abtreibungen durch, sie selber hat, das kann man ungefähr mal hochrechnen, Tausende von Abtreibungen durchgeführt, so dass sie weiß Gott nicht zu einer unterstützenwerten und an den Rand gedrängten Ärzteschaft zu zählen ist, die jetzt nicht wüsste, wie sie bekannt machen kann, dass sie Abtreibungen macht. Also das Ganze hat für mich den Charakter einer Inszenierung, in der es darum geht, die Liberalisierung der Abtreibung bis zur völlig unkontrollierten Freigabe vorzubereiten."
    Abwägung zwischen Lebensschutz und Selbstbestimmung
    Liberalisierung versus Restriktion, Selbstbestimmungsrecht der Frau versus Lebensrecht des Ungeborenen: Hinter der Diskussion um den Detailparagrafen bricht jener Grundsatzkonflikt auf, den der Kompromiss aus den 90er Jahren mühsam überdeckte.
    Mit einem Plakat mit der Aufschrift "Frauen haben ein Recht auf Information" spricht sich diese Demonstrantin am 24.11.2017 vor dem Amtsgericht in Gießen (Hessen) für die Selbstbestimmung von Frauen beim Thema Abtreibung aus. Im Gericht muss sich die Ärztin Kristina Hänel verantworten. Sie soll auf ihrer Homepage für Abtreibung geworben haben und sich damit strafbar haben.
    Vor dem Amtsgericht in Gießen am 24.11.2017. Im Gericht muss sich die Ärztin Kristina Hänel verantworten. (dpa / Boris Roessler)
    Kristina Hänel schreibt auf ihrem Info-Blatt weder von Kind noch vom Ungeborenen. Schwangerschaftsgewebe steht da. Im Gespräch dagegen bevorzugt sie die Worte Empfängnis und Leibesfrucht.
    "Ich kenne Frauen, die in dem Moment der Zeugung wissen, jetzt habe ich empfangen. Und für sie ist es mental ein Kind. Das würde ich auch niemals bestreiten. Und ich kenne Frauen, für die ist eine ungewollte Schwangerschaft lebensgefährlich. Die können damit nicht überleben, zum Beispiel in verschiedenen religiösen Zusammenhängen auch. Ich finde, es hängt davon ab, ob eine Frau einem Kind das Leben schenken kann und wenn es dann auf der Welt ist, dann ist es ein Kind."
    Für Mechthild Löhr hat das Ungeborene einen Wert an sich. Abtreibung bezeichnet sie als "Tötung".
    "Der Sachverhalt ist ja: Wenn wir zulassen, dass Werbung für Abtreibung erlaubt wird, dann werden wir Jugend- und Frauenzeitschriften haben, in denen für bestimmte pharmakologische Mittel geworben wird, mit denen man abtreiben kann. Und die Banalisierung dieser Tötung eines ungeborenen Menschen, die setzt einfach das Signal an die jungen Frauen, die ohnehin sehr oft von ihrem Umfeld gedrängt werden, dass das Kind abzutreiben doch für alle die beste und effizienteste Lösung ist. Der Druck ist ja oft da."
    Hass-Mails und Gewaltfantasien
    Ulle Schauws wischt die Anliegen der Lebensschützer nicht beiseite. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete kommt dennoch zu einem anderen Ergebnis:
    "Es gibt immer absolut berechtigt die Frage: Was bedeutet Lebensschutz, bzw. welchen Stellenwert sollte er in unserer Gesellschaft haben? Und ich finde, das ist keine einfache Debatte. Sie ist immer moralisch auch aufgeladen. Und Lebensschutz spielt auch für mich persönlich eine gewichtige Rolle, Aber diese Abwägung, wer letztendlich diese Entscheidung treffen muss, ist für mich eine klare Antwort: Nämlich die Frau hat letztendlich diese Entscheidung zu treffen."
    Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen
    Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen (Imago / CommonLens)
    Von Hass-Mails berichten alle. Kristina Hänel und Ulle Schauws werden von rechtspopulistischen Kreisen mit Gewaltfantasien überzogen, Mechthild Löhr spürt die Aggression linker Aktivisten. Die alte Auseinandersetzung schlägt frische Wunden. Der Ton ist schärfer geworden, seit Populisten weltweit das Thema Abtreibung auf ihre Agenda gesetzt haben. Donald Trump buhlte mit Anti-Feminismus um die Stimmen der Evangelikalen, Polens PiS-Regierung plant eine Verschärfung des Abtreibungsrechts. Im Bundestagswahlkampf 2017 erwähnten zwei Parteien das Thema in ihren Programmen: Die Grünen und die AfD. Die Grünen fordern die Abschaffung des Paragrafen 219a. Die AfD erklärt:
    "Wir lehnen alle Bestrebungen ab, die Tötung Ungeborener zu einem Menschenrecht zu erklären."
    Im nächsten Absatz ist von einer Willkommenskultur für Kinder die Rede – als stünde diese in Konkurrenz zur Willkommenskultur für Flüchtlinge.
    "Gleichstellung und Emanzipation werden in Frage gestellt"
    Antje Schrupp, Journalistin, evangelische Theologin und Feministin, verfolgt die Abtreibungsdebatte seit Jahrzehnten. Die aktuelle politische Brisanz beschreibt sie so:
    "Der Rechtspopulismus hat zum Markenzeichen erkoren, dass bestimmte Errungenschaften der Gleichstellung und Emanzipation wieder in Frage gestellt werden. Und da bieten sich die Paragrafen 218 und 219 an als altes Streitthema, wo man eben auch viele konservative Gruppen abholen kann, zum Beispiel christliche Gruppen. Und deswegen ist das ein Propagandafeld für rechtsextreme Bewegungen. Ich glaube nicht, dass es denen wirklich um das Wohl des ungeborenen Lebens geht, schon gar nicht geht es um das Wohl der schwangeren Frauen. Und ich glaube auch nicht, dass es um eine christliche Ethik geht, die töten verbietet. Sondern es ist einfach ein Thema, um eine gesellschaftliche Debatte im eigenen Sinne anzustoßen."
    Abtreibungsgegner, die ihre Haltung mit dem biblischen Tötungsverbot begründen, finden sich im Bunde mit der AfD und anderen bevölkerungspolitischen Scharfmachern wieder. Mechthild Löhr vom Verein Christdemokraten für das Leben sieht keine Verwechslungsgefahr:
    "Wir hatten bei dem letzten zwei Leute, die AfD-Plakate hochstellen wollten, die haben wir sofort weggenommen. Es werden nur unsere eigenen Plakate gezeigt vom Bundesverband."
    Teilnehmer an der Demonstration "Marsch für das Leben" (16.09.17 in Berlin vor dem Reichstag.
    Teilnehmer an der Demonstration "Marsch für das Leben" 16.09.17 in Berlin vor dem Reichstag (dpa / Paul Zinken)
    Von Seiten wie ""Babykaust", die Abtreibung mit Holocaust gleichsetzen, distanziert sie sich. Allerdings sagt sie auch:
    "Wir machen keine Sprach- und Gesinnungskontrolle. Ich möchte auch nicht in einem Land leben, wo nur der demonstriert, der vorher durch eine Wortschleuse gegangen ist."
    Die Publizistin Liane Bednarz hat sich für ihr neues Buch "Die Angstprediger" intensiv mit der konservativ-christlichen Szene befasst. Drei Gruppen, sagt sie, scharten sich um das Thema Abtreibung.
    AfD: "Mehr Kinder statt Masseneinwanderung"
    "Es gibt die klassische christliche Begründung, die Abtreibung ablehnt, weil man in dem werdenden Kind ein Geschöpf Gottes sieht und dementsprechend eine Abtreibung als Sünde betrachtet. Und dann gibt es eben auch diejenigen Kreise, die es mit demografischen Erwägungen in Richtung der einheimischen Bevölkerung konnotieren. Das ist bei der AfD der Fall, denn sie spricht sich klar gegen Abtreibung aus. Aber bemängelt eben auch derzeitig hohen Abtreibungszahlen im Zusammenhang mit ihren Ausführungen zu einer sogenannten aktivierenden Familienpolitik unter dem Schlagwort: Mehr Kinder statt Masseneinwanderung. Und da gerät man schon doch in ein eher rechtes Fahrwasser, zumal die Rede ist von einheimischer Bevölkerung. Dann gibt es noch radikalere Äußerungen auf Blogs, da wird dann behauptet, dass das durch Kindstötung entstandene Bevölkerung- und Pensionsloch augenscheinlich durch Massenzuwanderung gestopft werden soll."
    So entstehen - teils freiwillig, teils unfreiwillig - Allianzen zwischen Rechtspopulisten, Rechtsextremen und christlich-kirchlichen Lebensschützern. Heiner Koch, Erzbischof von Berlin, ist in der Deutschen Bischofskonferenz für Familienfragen zuständig. Gegenüber dem Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb) sagte er:
    "Wir sehen uns schon noch als Kirche vor der Aufgabe, wie wir diese Werte - diese Werte des ungeborenen Kindes, für das keiner außer uns so richtig eintritt - wieder in unsere Gesellschaft hineinbringen. Wer verteidigt bei uns das ungeborene Kind?"
    Laut Papierform verteidigt auch die AfD das Ungeborene. Dazu Koch:
    "Dass vielleicht auch Parteien dem zustimmen, gegen die wir in anderen Zusammenhängen und im Gesamtzusammenhang große Bedenken haben, nimmt uns nicht aus der Pflicht heraus, dieses Anliegen des ungeborenen Kindes wegen weiter zu vertreten."
    Katholische Schwangerenkonfliktberatung, aber ohne Schein
    Was das katholische Anliegen ist, formulierte einst Papst Johannes Paul II. - auf Deutsch: "Die Tötung ungeborenen Lebens ist kein legitimes Mittel der Familienplanung."
    Wie eine besondere Mahnung an deutsche Frauenrechtlerinnen, die es auch in der katholischen Kirche gibt, klangen diese Worte. Diese Ansage aus Rom führte dazu, dass sich die katholische Kirche nicht am System der Schwangerenkonfliktberatung beteiligte. Angeregt vom Erfolg der Anzeigen gegen Ärzte und beflügelt vom Aufwind der AfD machen derzeit Anti-Abtreibungsaktivisten Druck auf katholische Bischöfe. Eine Gruppierung namens Zentrumspartei etwa versucht, den Bischof von Limburg, Georg Bätzing, wegen Verstoßes gegen Paragraf 219a zu belangen. Sein angebliches Vergehen: Auf einer kirchlichen Seite im Bezirk Hochtaunus war eine Sammlung von Kontaktadressen für Menschen in Not zu finden, darunter der Hinweis auf die Schwangerenkonfliktberatung der evangelischen Diakonie. Die Diakonie gibt Beratungsscheine aus. Das Verfahren gegen Bischof Bätzing wurde eingestellt, das Bistum plant seinerseits rechtliche Schritte gegen die Zentrumspartei. Aber: Die attackierte Adressliste verschwand von der Seite. Das zeigt: Auch Kleinstgruppen können in der katholischen Kirche einflussreich sein, wenn sie sich eines Großthemas wie Abtreibung annehmen.
    Trump: "Plötzlich zum Abtreibungsgegner mutiert"
    Was christlich ist, bestimmen Lebensschützer – so das Selbstverständnis der religiös motivierten Abtreibungsgegner. Besonders für die Parteien mit dem C im Namen ist die Situation heikel. 219a ist zum C-Prestige-Paragrafen geworden. Die Union hält an ihm fest, auch weil CDU und CSU befürchten, dass konservative Wähler ansonsten zur AfD abwandern könnten.
    Liane Bednarz verweist auf amerikanische Erfahrungen:
    "Trump, der sich früher für die Wahlfreiheit der Frau ausgesprochen hat, ist plötzlich zum Abtreibungsgegner mutiert. Und das führte dazu, dass 81 Prozent der weißen Evangelikalen Trump gewählt haben. Und jetzt gibt es eben diese Partei, die AfD, die sich stark gegen Abtreibung ausspricht, und das ist eben für viele christlich-konservative Wähler ein Grund, die AfD zu wählen. Man betrachtet es fast schon als eine Christenpflicht, keine Partei zu wählen, die nicht strikt gegen Abtreibung ist."
    Hoffnung auf die CDU in Sachen Lebensschutz
    Mitgewählt wird Hetze gegen schon Geborene, gegen Flüchtlinge zum Beispiel. Mechthild Löhr gehört auch dem Vorstand des Bundesverbands Lebensrecht an. Sie bestreitet, völkische oder rassistische Positionen zu dulden. Die Lebensschutz-Bewegung sei international, sagt sie. Löhrs politische Hoffnung ruht nicht auf der AfD, sondern auf der CDU. Wie einflussreich die Christdemokraten für das Leben sind, ist unklar. Löhr ist sich jedoch sicher, dass ihre Partei den Paragrafen 219a verteidigt:
    "Da die sich die Union sehr klar aufgestellt hat mit ihren Abgeordneten und die meisten Abgeordneten direkt gewählt sind, und weil das an der Basis sicher für Unruhe und Aufruhr sorgen könnte, wenn ausgerechnet in einer CDU-geführten Regierung Werbung für Abtreibung in Zeitschriften, online, erlaubt würde. Ich fürchte, wenn es anders käme, würde das sofort überschlagen auf den Paragrafen 218. Frau Hänel bietet ja an, man kann bei ihr auch mit Bargeld die Abtreibung zahlen."
    Kristina Hänel erzählt von Frauen, die zu ihr in die Arztpraxis kommen, die eigentlich gegen Abtreibung seien, aber sich das Leben mit einem Kind oder einem weiteren Kind nicht zutrauen. Weil die Partnerschaft das nicht aushalte. Weil das Geld knapp sei. Weil die Frauen psychisch labil seien. Gern würde Hänel mit Christdemokraten darüber debattieren, was das christlich in solchen Situationen bedeutet, sagt sie.
    "Wenn ich zum Beispiel eine Frau habe, die mehrere Kinder hat und eins davon ist krebskrank und die Überlebenschance ist 50 Prozent. Dann hätte ich gern, dass diese Frau sich ihre Information einfach holen kann, ihren Abbruch machen kann und zu ihrem kranken Kind gehen kann. Wenn ich so eine Frau sehe und dann höre, wie bestimmte Politiker sich etwas von Lebensschutz abgucken von Leuten, die völlig am Rande der Gesellschaft stehen und von Hass geprägt sind, dann verstehe ich das einfach nicht. Dann möchte ich die bitten, einen Tag hierhin zu kommen und sich das anzugucken, was ich mir angucken."