Archiv

Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel
Gefahr für die Medienvielfalt?

Kinder sollen medial weniger mit Werbung für Produkte mit viel Zucker, Salz oder Fett in Kontakt kommen. Ein geplantes Werbeverbot für solche Lebensmittel stößt auf Kritik – auch von den Landesmedienanstalten. Die sehen die Medienvielfalt gefährdet.

Tobias Schmid im Gespräch mit Mirjam Kid |
Mehrere Packungen Haribo hängen an einem Kiosk.
Ein geplantes Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel sorgt für Kritik. (IMAGO / Bihlmayerfotografie / IMAGO / Michael Bihlmayer)
In Großbritannien, Irland, Schweden, Polen oder Portugal gibt es bereits ein gesetzliches Verbot für Werbung für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder richtet. In Deutschland soll das nun auch folgen, nachdem eine Selbstverpflichtung der Industrie laut Bundesernährungsminister Cem Özdemir nicht gegriffen hat.

TV-Werbung für zuckrige Lebensmittel soll stark eingeschränkt werden

Der ursprüngliche Plan von Özdemir: Keine Werbung für ungesunde Lebensmittel zwischen 6 und 23 Uhr – egal ob im Radio, im TV, Online, auf Social Media oder in der Außenwerbung.
Ein entsprechender Gesetzentwurft wurde u.a. von der Werbewirtschaft und den Vermarktern kritisiert – und den Landesmedienanstalten: Auch wenn das grundsätzliche Ziel, dass sich Kinder und Jugendliche besser ernähren sollten, geteilt werde, so Tobias Schmid von der Landesmediananstalt Nordrhein-Westfalen. Aber:
"Immer dann, wenn ich in Werberegelungen eingreife oder zusätzliche Regelungen schaffe, muss ich mir vergegenwärtigen, dass Medien – und vor allen Dingen die kommerziellen Medien – durch Werbung finanziert werden. Und das bedeutet, wenn sie diese Einnahmemöglichkeit nicht mehr haben, können sie bestimmte Inhalte nicht mehr finanzieren – und das geht dann am Ende zu Lasten der medialen Vielfalt."

Ministerium passt Entwurf an

Das Landwirtschaftsministerium hat den Entwurf angesichts der Kritik angepasst. "Wir konzentrieren uns bei den Sendezeiten nun auf die Kinder-Primetime – also auf die Zeitfenster, in denen besonders viele Kinder sehr viel schauen", so Özdemir im Interview mit der "Rheinischen Post".
Konkret seien diese TV-Zeitfenster wochentags zwischen 17 und 22 Uhr, samstags zusätzlich zwischen 8 und 11 und sonntags zwischen 8 und 22 Uhr. Im Hörfunk wird auf eine Sendezeitenregelung ganz verzichtet.
"Was Angebote im Internet angeht, sind alle gängigen Kanäle betroffen und auch Influencer, deren Inhalte zunehmend von Kindern konsumiert werden", so Özdemir.

Landesmedienanstalten: Kritik bleibt bestehen

Für Tobias Schmid bleibt jedoch auch nach dieser Anpassung das grundlegende Problem bestehen: Denn zum einen hielten sich Kinder und Jugendliche nur selten an gewünschte Vorstellungen, wann sie fernsehen und wann nicht. Zum anderen befürchtet Schmid einen "extremen Streuverlust": "Sie würden ganz viele Werbemöglichkeiten einschränken, obgleich der faktische Anteil von Kindern und Jugendlichen gar nicht besteht, weil es zum Beispiel ein Sender ist, bei dem sowieso keine Kinder und Jugendlichen zugucken."
Viel sinnvoller sei es, bei einzelnen Sendungen den Anteil der Kinder und Jugendlichen am Publikum zu analysieren, findet er. Nach diesem Prinzip gingen auch die meisten Selbstregulierungsansätze vor.
Aber generell sei das Regulieren von Medien nicht Verantwortungsbereich des Ernährungsministeriums – dafür seien nach wie vor die Länder selbst verantwortlich.