Nein, komplett werbefrei sind auch Streaming-Dienste wie Amazon Prime oder Netflix nicht. Schließlich werden viele Serien dort zumindest zum Teil über Sponsoring oder Produktplatzierungen finanziert, erklärt Florian Kerkau von der Berliner Unternehmensberatung und Medienforschungsfirma Goldmedia Custom Reseach.
"Früher hat man auch Schleichwerbung gesagt. Dass man eben nicht so ganz genau mitbekommt als Zuschauer, dass es Werbung ist. Aber trotzdem diese Angebote eben positiv werden für so ein Produkt. Und der Vorteil ist natürlich, dass die Kunden, weil sie das eben nicht merken, das auch nicht als störend empfinden."
Werbeunterbrechungen bei Amazon und Netflix tabu
Beispielsweise weil die Marke regelrecht Teil der Geschichte ist oder hilft, den Charakter einer Person zu zeigen. So hat in einer Netflix-Serie eine der Hauptpersonen ein Faible für eine spezielle Waffelsorte – was in der Serie immer wieder für skurrile Situationen sorgt.
Klassische Werbung in Form von Werbespots und Werbeunterbrechungen ist dagegen bei Netflix und Amazon zumindest bisher tabu. Der Grund dafür könnte die große Konkurrenz durch Internet-Tauschbörsen und illegale Streaming-Portale sein, sagt Medienforscher Kerkau. Schließlich konnten die Zuschauer ihre Lieblingsserien dort von Anfang an auch ohne lästige Werbeunterbrechungen anschauen.
"Und insofern haben sich die Leute sofort daran gewöhnt, dass man fernsehen kann ohne Werbung. Und sie sehen ja eben auch heute noch, in den Mediatheken der privaten Sender, dass dort weniger Werbung ausgestrahlt wird als im linearen Programm."
Produktplatzierungen sind umstritten
Dass Netflix und Amazon deshalb lieber ganz auf Werbespots verzichten, könnte für die deutsche Werbeindustrie und manche Hersteller von Markenprodukten allerdings zum Problem werden, sagt Kerkau. Denn sie setzten im Fernsehen bisher vor allem auf diese klassische Spot-Werbung. Produktplatzierungen sind dagegen immer noch umstritten, und wenn sie allzu platt daherkommen, können sie sogar für negative Nutzerkommentare und Schlagzeilen sorgen. Außerdem müssen Produktplatzierungen in Fernsehserien und Filmen langfristig geplant werden, und sie sind gerade bei den attraktiven Produktionen für ein internationales Publikum entsprechend teuer.
Gleichzeitig werden die vermeintlich werbefreien Streaming-Angebote beim Publikum immer beliebter: Inzwischen nutzt ein knappes Drittel der Menschen in Deutschland solche Angebote. Manche davon schauen praktisch überhaupt kein klassisches Fernsehen mehr – und sehen damit eben auch keine Werbespots, sagt Kerkau.
"Für große Markenartikler wird es teilweise sehr schwierig, bestimmte Zielgruppen zu erreichen, weil die sich von den Werbeangeboten komplett zurück gezogen haben und gar nicht mehr ansprechbar sind. Und das ist für diese Firmen natürlich ein sehr, sehr großes Problem."
Hoffen auf neue Werbemöglichkeiten
Die Werbebranche hofft deshalb bei Netflix und Co. auf Werbemöglichkeiten auch jenseits von Produktplatzierungen. Für Klaus-Peter Schulz von der Organisation der Mediaagenturen OMG ist das aber ohnehin nur eine Frage der Zeit.
"Wir gehen davon aus, dass diese Kanäle in den nächsten Jahren sich auch für Werbung öffnen werden, um hier die entsprechenden Zielgruppen zu erreichen. Wobei, eines ist aus unserer Sicht natürlich wichtig: dass hier nicht zu viel Werbung ausgestrahlt wird – sondern immer in einem Maß, was der Zuschauer auch akzeptiert."
Höhere Erlöse dank genauer Nutzerprofile
Tatsächlich hat Anfang des Jahres der bisher werbefreie Sport-Streamingdienst DAZN angefangen, in seinem Programm Werbespots auszustrahlen. Auch für Netflix und Amazon dürften die Zusatzeinnahmen durch Werbeerlöse durchaus interessant sein. Denn durch die vergleichsweise genauen Nutzungs- und Interessenprofile ihrer Kunden können Streaming-Dienste Werbeblöcke für einzelne Nutzer deutlich gezielter ausspielen und dadurch pro Zuschauer höhere Werbeerlöse verlangen als klassische Fernsehsender. Und je genauer ein Werbespot auf den einzelnen Nutzer zugeschnitten ist, umso besser kommen die Botschaften auch an.
"Kehrseite der Medaille ist, dass ich eben nicht mehr wie früher mit wenigen Medien – sei es ARD, ZDF, RTL, ProSieben, Sat.1 – ausreichend meine Zielgruppen erreiche. Ich muss immer mehr Medien dazu nehmen. Und das macht es für die Werbung treibende Wirtschaft teurer."
"Es muss sich nicht kannibalisieren"
Schließlich werden für die unterschiedlichen Zielgruppen und Abspielgeräte teilweise auch noch eigene Versionen des gleichen Werbespots produziert. Aber vielleicht bleibt die Werberevolution bei den Streaming-Diensten auch vorerst aus. Anne Marie Grote vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft gibt sich jedenfalls optimistisch. Zwar sieht auch sie die steigende Beliebtheit von Netflix und Co., aber sie verweist auch auf Studien zur Mediennutzung. Und die gehe insgesamt weiterhin nach oben, erklärt Grote.
"Das heißt: Es muss nicht zu Lasten eines Senders oder mehrerer Sender gehen. Sondern es wird dann zusätzlich genutzt. Ich kann ja auf meinem Smartphone in der S-Bahn - auf dem Weg von der Schule nach Hause oder von der Arbeit nach Hause - dann auch noch einen Film schauen. Das heißt: Es muss sich nicht kannibalisieren."
Zusätzliche Werbemöglichkeiten bei Netflix und Co. wären zwar grundsätzlich schön. Letztlichendlich müssten aber die Streaming-Anbieter selbst entscheiden, ob sie Werbespots und Fremdwerbung in ihrem Programm wollen.