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Werbung um Anerkennung

Seit bald 18 Jahren gibt es den Staat Transnistrien - allerdings nur für die Transnistrier selbst. Denn kein anderes Land der Welt hat Transnistrien als Staat anerkannt. Der Landstrich unweit der Hafenstadt Odessa hat sich Anfang der 90er Jahre von der Republik Moldau losgesagt. Transnistrien gilt als Schmugglernest und Polizeistaat. Vieles dort erinnert an die Sowjetunion. Es gibt einen eigenen Rubel, den keine Bank außerhalb Transnistriens umtauscht, es gibt transnistrische Pässe, mit denen niemand reisen kann, und es gibt diverse sehr aktive Geheimdienste. Etwa eine halbe Million Menschen leben in Transnistrien. Ein Beitrag von Gesine Dornblüth.

    Morgens in einer Plattenbauwohnung in Tiraspol, der Hauptstadt Transnistriens. Andrej Smolenski ist gerade aufgestanden. Er ist bester Laune, denn er hat eine neue Freundin, und die war die ganze Nacht bei ihm. Andrej hat in Transnistrien Germanistik studiert. Das Lied hat er selbst geschrieben.

    Andrej legt das Akkordeon zur Seite und setzt sich an den Computer. Der 23-Jährige arbeitet bei Radio Pridnestrovien, kurz Radio PMR, dem staatlichen Rundfunk von Transnistrien. Er übersetzt Erfolgsmeldungen der Regierung aus dem Russischen ins Deutsche, dann fährt er ins Studio und liest diese Meldungen vor. Gesendet wird auf Kurzwelle, mehrfach am Tag eine Viertelstunde in deutscher Sprache. Es gibt noch andere Fremdsprachenprogramme von Radio PMR. Die Führung von Transnistrien fühlt sich im Ausland missverstanden, die Sendungen sollen das Image von der Schmugglerrepublik korrigieren und für die Anerkennung der Republik werben. Andrej macht den Job des Geldes wegen.

    " Eine Jugendbewegung, die sich vielleicht gegen den Staat, gegen die heutigen Verhältnisse wehrt, gibt es nicht, weil unsere Jugend konform mit dem Staat in die gleiche Richtung geht. Vielleicht gibt es keine Möglichkeiten, keine Gründe für Protestaktionen. "

    Pünktlich um elf ist Andrej im Sender. Das Funkhaus ist nicht größer als ein Zweifamilienhaus. Im Flur sitzt ein alter Mann gelangweilt hinter einem antiquierten roten Telefon. Kaputte Treppenstufen, die Wände sind vergilbt. Das Radio gilt als strategisch wichtig, deshalb müssen deutsche Journalisten draußen bleiben. Andrej verschwindet in einem engen Gang.

    "Hier ist Tiraspol, die Hauptstadt der Pridnestrowisch-Moldauischen Republik. Am Mikrophon ist Andrej Smolenskij.

    In Pridnestrowien hat der Bau der Eisenbahnlinie zwischen den Siedlungspunkten Levada und Novosovitskaja begonnen. Der Staatschef Pridnestrowiens, Igor Smirnov, hat im Zusammenhang mit der Aufnahme der Bauarbeiten allen für die verrichtete Arbeit gedankt."

    Nach der Arbeit fährt Andrej mit dem Rad durch die Stadt. Aus Lautsprechern an Laternenmasten tönt Propaganda. Tiraspol wirkt mit 130.000 Einwohnern beschaulich. Gärtner pflegen Blumenbeete, Oberleitungsbusse fahren, Banner erinnern an die Unabhängigkeitserklärung. Von dem Konflikt zwischen der Republik Moldau und dem abtrünnigen Gebiet am Dnjestr, Transnistrien, ist im Alltag nicht viel zu spüren. Armut herrscht auf beiden Seiten des Flusses. Die verdeckte Arbeitslosigkeit ist hoch, die Löhne sind gering. Viele junge Leute gehen deshalb, wenn sie die Möglichkeit haben, ins Ausland. Andrej kommt ans Parlamentsgebäude, steigt vom Rad. Westliche Mittelklassewagen brausen vorbei.

    " Es fällt nicht leicht, in einem nicht anerkannten Status zu leben, aber ich glaube, es gibt hier auch einige Möglichkeiten zur Entwicklung, und vielleicht, wenn dieses Land anerkannt worden wäre, dann wäre das Leben einfacher, als es jetzt ist. Ich glaube, es wäre nicht schlecht, dass unser Land irgendwann ein Teil Russlands wird. "

    Am Nachmittag besucht Andrej einen Freund. Auch der lebt in einem Plattenbau. Vasilij Rudjaga, ein bärtiger Mann um die 50, malt realistische Bilder, meist Auftragsarbeiten für reiche Transnistrier. Die Wände sind voll gehängt mit Porträts und Stillleben. Auch Rudjaga fühlt sich zu Russland hingezogen.

    " In einem Film heißt es: Wir können den Ort verfluchen, an dem wir leben, aber wir mögen es nicht, wenn Ausländer ihn verfluchen. Da ist etwas dran. Ich spüre einen gewissen Patriotismus, weil ich hier lebe, hier arbeite, mein Kind hier aufwächst. "

    Andrej nimmt auf einem Sofa Platz. Obwohl er die Propaganda des Staatssenders verbreitet, fühlt er sich an Transnistrien nicht besonders gebunden.

    " Ich würde mich eher als einen Kosmopoliten bezeichnen. Ich bin ein Bürger des Planeten; ich bin ein Bürger der ganzen Welt. Ich zum Beispiel werde meine Lebenszeit für die Reformen hier nicht einsetzen, weil ich im Zweifel bin, dass etwas zum Guten, zum Besseren sich ändert. "