Gleich drei deutsche Profi-Fußballvereine haben sich in den letzten Tagen von X, dem Nachfolger von Twitter, verabschiedet. St. Pauli und Werder Bremen sind die ersten beiden Vereine aus dem deutschen Profifußball, die „X“ aus klar inhaltlichen Gründen verlassen. Andere Vereine könnten ihrem Beispiel folgen.
Welche Vereine haben X verlassen und warum?
Die Erstligisten Werder Bremen mit über 600.000 Followern, St. Pauli und der Drittligist Hansa Rostock haben ihre Aktivitäten auf X (ehemals Twitter) allesamt in den letzten Tagen beendet. Bereits 2023 hat sich der Drittligist 1. FC Magdeburg aus ähnlichen Gründen bei X zurückgezogen. Es gibt auch vereinzelt noch Vereine, die keinen Account haben oder ihn nicht bespielen.
Die Gründe für das X-Aus variieren: Werder Bremen kritisiert in einem Statement auf der Homepage die zunehmende Radikalisierung auf X und nannte die toxische Entwicklung als Hauptgrund. "Es wird auf der Plattform nahezu nichts mehr sanktioniert. Die Algorithmen und Steuerung der Plattform X ist vollkommen intransparent. Mit der Radikalisierung der Plattform in der letzten Zeit ist für den Bundesligisten eine rote Linie überschritten worden."
St. Pauli ergänzte in seinem Statement auf der eigenen Webseite, dass der US-Milliardär Musk Twitter nach seiner Übernahme zu einer Hass-Maschine umgebaut habe. "Rassismus und Verschwörungslegenden verbreiten sich ungehindert oder werden sogar kuratiert." Dem Bundesligisten folgen dort 250.000 Accounts.
Hansa Rostock hingegen sah rein praktische Vorteile in der Konzentration auf andere Kanäle und entschied sich strategisch, sich auf Plattformen mit höherer Reichweite zu konzentrieren. Der 1. FC Magdeburg kritisierte das Bezahlmodell rund um den blauen "Verifizierungs-Haken".
Wo sind die Vereine jetzt aktiv?
Werder Bremen und St. Pauli verlagern ihre Kommunikation auf Blue Sky. Dort bauen sie ihre Präsenz weiter aus. In diesem noch recht jungen Netzwerk hat auch Werder Bremen die Begründung für den Rückzug von der Plattform X gepostet und damit auch den neuen Account offiziell gestartet.
Wie reagieren die Fans, wie reagiert die Community?
Unter dem Werder-Bremen-Posting auf der Plattform sind sehr viele negative Kommentare zu lesen, auch Unverständnis darüber, warum Werder Bremen sich auch von X zurückzieht. Heftig hat es auch den FC St. Pauli erwischt, der einen Shitstorm erlebt, der in der Fußball-Blase seine Kreise zieht und unter bestimmten Personengruppen verbreitet wird.
Warum bleiben andere Vereine noch auf X?
Vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Für viele Vereine bleibt X eine zentrale Plattform, um eine große Reichweite zu erzielen und dadurch Sponsoren zu gewinnen. Bundesliga-Vereine erreichen über solche Kanäle eine enorme Anzahl an Fans, die oft in die Millionen geht. Diese Reichweite ist von direktem finanziellen Nutzen, da sie für Sponsoren ein Indikator dafür ist, wie groß die Anhängerschaft eines Vereins in den sozialen Medien ist.
Ein Verzicht auf ein Profil auf X bedeutet daher auch, auf potenzielle Einnahmen zu verzichten. Allerdings betonen einige Experten, dass ein Bundesligaklub, der beispielsweise seinen Account auf dieser Plattform löschen würde, dadurch nicht automatisch in eine wirtschaftliche Schieflage geraten würde.
Auch die Vermittlung eigener Werte auf dieser Plattform spielt eine wichtige Rolle, wie der VfB Stuttgart auf Anfrage der ARD-Sportschau betonte: "Der VfB positioniert sich – gerade auch auf „X“ – unmissverständlich gemäß seiner Werte und steht dafür aktiv ein."
Ein Problem dabei ist jedoch, dass auf X nicht alle Inhalte gleichbehandelt werden, wie Martin Fehrensen von Social Media Watchblock gegenüber der ARD-Sportschau erklärte: "Bei X sind es vor allem die Inhalte von Musk selbst oder aber Inhalte, die seinen Vorstellungen sprechen. X gehört nicht nur einfach Elon Musk. Die Plattform ist Musks wichtigstes Instrument geworden, sich und seinen radikalen Ansichten uneingeschränkt Gehör zu verschaffen."
Ein weiteres Problem für Vereine könnte darin liegen, dass es schwer nachvollziehbar wirkt, wenn ein Klub fragwürdige Sponsorenverträge mit bestimmten Staaten eingeht, gleichzeitig aber die Plattform X mit der Begründung verlässt, diese sei nicht mit den eigenen Werten vereinbar.
Werden weitere Vereine X verlassen?
Das ist derzeit unklar. Die Diskussion in Deutschland steht noch am Anfang, doch es gibt bereits Überlegungen bei einigen Klubs: In einer SID-Umfrage äußerten Vereine wie der deutsche Meister Bayer Leverkusen, der Vizemeister VfB Stuttgart, der 1. FC Heidenheim, der VfL Wolfsburg, der Hamburger SV und der 1. FC Kaiserslautern ihre Besorgnis über die Entwicklung der Plattform.
Obwohl sie "X" weiterhin wegen der hohen Reichweite bei ihren Fans nutzen, zeichnet sich bei vielen eine Tendenz ab, die – wie bei Drittligist Hansa Rostock – in der Stilllegung des Profils münden könnte.
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) erklärte gegenüber dem SID, er beobachte "die Entwicklung der Plattform sehr genau und mit großer Sorge". Bereits 2024 habe man die X-Kanäle zur 3. Liga und zum DFB-Pokal geschlossen und die Anzahl der Beiträge auf den Hauptkanälen deutlich reduziert. Als einen der Gründe nannte der Verband mit 3,2 Millionen Followern auf dem Männer-Nationalmannschaftskanal die "politische Entwicklung". Weitere Maßnahmen würden geprüft und diskutiert.
Auch die Deutsche Fußball Liga (DFL) betont fast wortgleich, sie verfolge die Entwicklungen "genau" und mit "zunehmender Sorge". Dennoch wolle sie weiterhin auf der Plattform präsent bleiben.
Deutsche Sportverbände lassen X-Account ruhen
Einige deutsche Sportverbände verfahren mit X anders: Der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) verzichtet seit März darauf, "X" aktiv zu bespielen, und plant "derzeit keine Wiederaufnahme". Der Deutsche Skiverband (DSV) stellte die "Berichterstattung auf diesem Kanal bis auf Weiteres" schon im November 2022 ein. Auch der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB) lässt sein Profil "stillschweigend ruhen".
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