Diese Ausstellung ist eine kleine Sensation. Erstmals weltweit zeigt die Schau öffentlich Fotomontagen und Collagen von Ludwig Mies van der Rohe aus dem Museum of Modern Art New York. Manche der plakativen Blätter lassen vermuten, dass dieser Baumeister sich von Dadaisten inspirieren ließ. Verständlich, dass deshalb van der Rohes Arbeiten jetzt in einer Abteilung einem dadaistischen Klebebild von Hannah Höch gegenübergestellt wurden. Um Verwandtschaften, vor allem aber um Unterschiede zu dokumentieren, sagt Wolf Eiermann, Leiter des Museums Georg Schäfer.
"Wie muss man die Collage jetzt einordnen … Ist es eine ästhetische Spielerei? Ist es eine Vision? Ist es vielleicht nur Ausdruck dessen, dass Mies van der Rohe immer sehr nahe an der Bildenden Kunst stand? Dass er vielleicht Dada aufgegriffen habe, dass er Bauhaus natürlich als Direktor von 1930 bis 1933 das auch so quasi mit aufgenommen hat. Wir sind aber zu dem Schluss gekommen: Das kann kaum sein. Denn wenn er 1910 schon mit der ersten Collage arbeitet, ist er seiner Zeit nahezu voraus."
Während die dadaistischen Anarcho-Künstler Pressefotos zerschnitten und grotesk gestalteten, um auf diese Weise die Gesellschaft zu schockieren, verwendete van der Rohe Montagen, um seine Projekte anschaulich zu machen. Beispielsweise bei einem Bismarck-Denkmal am Rhein, bei dem ein abgelichtetes Gipsmodell und ein schlichtes Landschaftsfoto auf dem Papier mit Hilfe von Tusche zu einem stimmigen Ganzen arrangiert wurden.
"Verwechseln Sie bitte nicht das Einfache mit dem Simplen. Da ist ja doch ein Unterschied", sagte van der Rohe.
Kontrast von Architektur mit Werken anderer Künstler
Eine gewisse Lust an der Provokation scheint Ludwig Mies van der Rohe eigen gewesen zu sein - trotz der vornehmen Zurückhaltung und "klassischen Ruhe", die seinen Werken allgemein bescheinigt werden. So hängt auf einer der jetzt zu sehenden großformatigen Collagen - die meist begleitende Studien zu den jeweiligen Projekten waren, aber manchmal auch als eigenständige Kunstwerke fungierten - das Stars-and-Stripes-Banner aus Stoff verkehrt herum an der gerasterten Decke der Chicago Convention Hall. Darunter: ein Foto aus dem Life-Magazin mit jubelnden Anhängern eines Parteitags der Republikaner. Die Wände der Halle bestehen aus schwarzem Marmor mit grünlichen Schlieren.
Gerne hat van der Rohe, der durch seine reduzierte Formensprache und den Slogan "Weniger ist mehr" weltweit für Furore sorgte, Kunstwerke in seine Papierarbeiten integriert - egal ob es sich um Reproduktionen von Braque, Picasso oder von Kandinsky handelt. Originale dieser Künstler bilden zu den mit feinem Grafitstift und Holzfurnieren versehenen Architekturentwürfen für öffentliche Gebäude oder Villen einen reizvollen Kontrast, meint Museumsleiter Wolf Eiermann zu Recht.
"Das Geheimnisvolle an diesen Collagen ist, dass sie gar nichts Geheimnisvolles haben. Sie sind Visionen, die aber durchaus realisierbar sind. Er setzt nur Elemente ein wie z.B. Palisander oder vertäfelte Holzwände oder Marmorwände oder auch Figuren von Maillol oder Wilhelm Lehmbruck genauso wie Leinwände von Klee und anderen Künstlern. Er stellt manches auf den Kopf, um einfach nur eine ästhetische Spielerei vorzuzeigen."
Studien der Neuen Nationalgalerie
Van der Rohe: "Ich mache nicht jeden Bau verschieden. Das würde mir gar nicht einfallen. Nur wenn die Aufgabe verlangt, dass da etwas anderes entstehen wird."
Wie zur Bestätigung dieses Statements van der Rohes bilden seine collagierten Studien von Anfang der 1960er-Jahre zu einem geplanten Kunstmuseum den Abschluss dieser hochkarätigen Schau. Nachdem die ursprünglich für das Verwaltungsgebäude einer kubanischen Rumfabrik vorgesehen Pläne aus Kostengründen in Schweinfurt nicht realisiert werden konnten, wurde das Projekt mit wenigen Änderungen kurzerhand in Berlin verwirklicht: als Neue Nationalgalerie.
Die Ausstellung "Mies van der Rohe. Die Collagen aus dem Museum of Modern Art, New York" ist vom 26.02.2017 bis 28.05.2017 im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt zu sehen.