Ein Werkstattgespräch zur Migrationspolitik. Das klingt ernst und ziemlich trocken. Und doch begann die CDU-Veranstaltung unfreiwillig heiter. Annegret Kramp-Karrenbauer sorgte höchstselbst dafür. Die CDU-Chefin begrüßte die Gäste in der CDU-Parteizentrale, dem Konrad-Adenauer-Haus und fuhr dann fort:
"Ich freue mich insbesondere, dass wir dies nicht nur als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hier heute Abend unter uns tun, sondern dass wir dies gemeinsam, mit Freundinnen und Freunden der CSU tun."
Kramp-Karrenbauer war in Gedanken offensichtlich bei den Sozialdemokraten, die ebenfalls gestern tagten, allerdings zum Thema Sozialpolitik:
"Natürlich waren die Christdemokraten gemeint."
"Flüchtlingspolitik der CDU aufarbeiten"
Der Lapsus der CDU-Vorsitzenden war möglicherweise auch ihrer Nervosität geschuldet. Das Werkstattgespräch war Kramp-Karrenbauers Idee, ihr Versprechen, die Flüchtlingspolitik der CDU aufzuarbeiten, vor allem die Entscheidung ihrer Amtsvorgängerin Angela Merkel im Herbst 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, die Grenzen nicht zu schließen. Hunderttausende kamen damals nach Deutschland:
"Was haben wir seit damals eigentlich gelernt und verändert? Und würde das ausreichen, um so etwas wie 2015 auch in der Zukunft zu verhindern. Denn das ist das erklärte Ziel, das wir alle miteinander haben."
Die CDU hatte vier Experten einladen, die sich dieser Fragestellung knapp zwei Stunden lang aus unterschiedlichen Perspektiven näherten. Öffentlich zugänglich war das Werkstattgespräch nicht, wurde aber Online im Livestream übertagen. Es war keine bloße Rückschau, keine ideologisch geführte Debatte, sondern ein praktisch-realistischer Blick nach vorn. Basierend auf der Feststellung des Politikwissenschaftlers Egbert Jahn:
"Flüchtlingspolitik bleibt ein Dauerthema wie Gesundheitspolitik oder Rentenpolitik usw. Es lässt sich nicht abschaffen."
"Mischung aus Humanität und Härte"
Wie aber funktionieren Steuerung und Begrenzung von Migration am besten? Nur mit einer Mischung aus Humanität und Härte, erklärte Daniel Thym, Völkerrechtler der Universität Konstanz:
"Wir müssen Wege finden, dass wir diejenigen, die Schutzbedarf haben, dass wir denen Schutz geben, und dass wir diejenigen, die keinen Schutzbedarf haben, dann gegebenenfalls auch zurückführen und verhindern, dass die überhaupt nach Europa kommen."
Eine praktische Voraussetzung dafür: Schnellere Asylverfahren. Bei der Integration müsse man klar zwischen Flüchtlingen mit und ohne Bleibeperspektive unterscheiden. Und schließlich: Deutschland könne die Herausforderungen der Migration nicht allein stemmen, sondern müsse mit anderen EU-Ländern eine Koalition der Willigen bilden, mit Spanien, Frankreich, mit den Niederlanden beispielsweise, forderte der Vorsitzende der Europäische Stabilitätsinitiative, Gerald Knaus:
"Machen wir ein Aufnahme- und Asylzentrum im Mittelmeer, für alle die, die jetzt noch kommen, die gerettet werden, die wir irgendwo hinbringen, und versuchen dort, Verfahren inklusive Berufung innerhalb von zwei Monaten abzuhalten."
Keine Abrechnung mit Merkel
Zu einer Abrechnung mit Angela Merkel, die einige befürchtet hatten, geriet der Abend nicht, sie selbst war ohnehin nicht anwesend. Wie sehr das Thema Migration aber vielen CDU-Anhängern auf den Nägeln brennt, verdeutlichten die Anmerkungen aus dem Publikum, wie die von Tilman Kuban, Chef der Jungen Union in Niedersachsen:
"Ich glaube allerdings, dass es eine Debatte ist, die ganz Deutschland bewegt, die auch die CDU in ihrer Gesamtheit bewegt. Und von daher glaube ich, dass wir diese Debatte weiterführen müssen, auch mit der Parteibasis."
Schon heute geht das Werkstattgespräch weiter. Dann diskutieren Unions-Politiker in vier Workshops mit Bürgermeistern, Ehrenamtlichen, Mitarbeitern von Ausländerbehörden. Mit Menschen also, die tagtäglich mit praktischer Flüchtlingspolitik zu tun haben.