Bei der Firma "Peine Träger" schmilzt ein Drehstromofen Stahl. Drei Elektroden tauchen in den mit Schrott gefüllten Kessel ein, Rauch und Flammen schießen empor und über allem liegt zentimeterdicker Staub. Entflieht man dem Treiben durch ein paar Türen in eine Nachbarhalle, ist von dem Lärm und dem Schmutz kaum etwas übrig. Hier steht eine Maschine zum Gießen von Stahl. Allerdings keine gewöhnliche. Es ist eine Pilotanlage zum horizontalen Bandgießen. Auf der Stahltreppe, die sich um die haushohe Maschine windet, steht Ulrich Grethe von der Firma Salzgitter Flachstahl. Zusammen mit der Technischen Uni Clausthal und dem Anlagenbauer SMS Siemag hat er die Maschine entwickelt.
"Der Stahl wird hier in einer Größenordnung von 70 Tonnen mit einer Temperatur von 1.500 Grad in einer Pfanne von dem Elektrostahlwerk angeliefert. Der flüssige Stahl läuft hier in den Verteiler, dann durch das Tauchrohr in das Aufgabesystem. Und das Aufgabesystem gibt dann kontinuierlich den flüssigen Stahl auf das umlaufende Band, welches von unten mit Wasser gekühlt wird. Der Stahl verteilt sich dann gleichmäßig auf das einen Meter breite Band und erstarrt in 15 Millimeter Dicke. Diese Maschine ist rund zwölf Meter lang, neun Meter hoch und der Stahl muss natürlich am Ende der Maschine erstarrt sein."
Dieses umlaufende Band kann man sich wie ein Laufband im Fitnessstudio vorstellen. 3.800 Wasserdüsen kühlen es von unten, damit der Stahl erstarrt. Dabei muss er gut verteilt sein, damit der fertige Stahlstrang überall genau 15 Millimeter dick ist.
"Das ist das eigentliche Thema, die eigentliche Herausforderung. Es geschieht mittels elektromagnetischer Rührer. Das heißt: Wir können in Längs- wie in Querrichtung elektromagnetische Felder aufbringen, die dazu führen, dass der Stahl sich gleichmäßig verteilt und damit eine gleichmäßige Oberfläche bildet."
Bei dem Aufwand drängt sich die Frage auf, warum man das alles überhaupt braucht. Wozu den Stahlguss neu erfinden? Die Antwort liegt in den Prozessen nach dem Gießen. Die heute gängige Gusstechnik ist der sogenannte Strangguss. Dabei fließt die Schmelze in eine Kokille – eine Art gekühltes, nach unten offenes Gefäß, an dessen Rändern der Stahl fest wird. Der Stahl rutscht durch die Kokille, heraus kommt ein Strang, der zehn bis 45 Zentimeter dick ist. Die Industrie verlangt aber dünne Stähle, um etwa Karosserien zu bauen. Also müssen riesige Walzen den Stahl aufwendig in Form bringen.
Die Maschine kann völlig neue Stähle herstellen
"Wir schaffen es, direkt auf 15 Millimeter Dicke zu gießen, ein Endprodukt hier aus der Anlage zu erzeugen, das 15 Millimeter dick ist. Um dann in dem nachfolgenden Walzprozess eben mit weniger Energieaufwand, mit weniger Verarbeitungsschritten zum Endprodukt zu kommen."
Damit nicht genug. Die Maschine kann Stähle herstellen, die es heute noch gar nicht gibt. Zum Beispiel solche mit hohem Mangananteil. Die sind leicht und trotzdem fest, weshalb gerade die Autoindustrie sich dafür interessiert. Doch diese Stähle sind schwer zu gießen, denn im heißen Zustand können sie leicht brechen. Und grade bei den klassischen Gießmethoden wirken Kräfte auf den noch frischen Stahl. Anders ist es beim horizontalen Bandgießen, wo sich der Stahl nur auf das Band legt. Doch auch wenn die ersten Tests dieser Methode schon in den 90ern an der TU Clausthal liefen und sie immer weiter verfeinert wurde, bis diese Pilotanlage in Peine 2012 endlich in Betrieb ging: Perfekt funktioniert sie noch immer nicht.
"Eine Weltneuheit, ein Prototyp im Anlagenbau bedingt schon, dass man sich auf alles vorbereiten muss, weil man gar nicht weiß, was nicht funktioniert. Jetzt stehen wir vor dem Punkt: Wie bekomme ich eine gleichmäßige Erstarrung hin, eine gleichmäßigere Oberfläche des gegossenen Produktes? Wir bauen zurzeit um, wir wollen die Kühlverhältnisse verändern und hoffen damit, eben auch den nächsten Schritt getan zu haben, um die Produktqualität zu verbessern. Und das ist auch ein ganz normaler Vorgang. Das ist ein Forschung und Entwicklungsprojekt."
Zwei oder drei Jahre soll die Forschung und Entwicklung hier noch vorangehen. Dann könnte der Stahl aus Peine in die ersten Produkte fließen.