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Werner Egk - "Irische Legende"

Ich möchte Ihnen heute eine historische Opern-Produktion vorstellen, die jetzt auf dem Label Orfeo zum ersten Mal auf Tonträger erschienen ist: den Uraufführungs-Mitschnitt der Oper "Irische Legende" von Werner Egk. Die Aufnahme stammt aus dem Archiv des Österreichischen Rundfunks und entstand im Rahmen der Salzburger Festspiele 1955. * Musikbeispiel: Werner Egk - 1. Bild (Ausschnitt) aus: "Irische Legende" Am 17.August 1955 erlebte Werner Egks Oper "Irische Legende" im Salzburger Festspielhaus eine prachtvolle und international vielbeachtete Uraufführung. Über den Rundfunk hatten Opernliebhaber in aller Welt, bis hin nach Kanada und Australien, die Möglichkeit, die Premiere zu verfolgen. Dieses Opernereignis fiel in eine Phase, als Salzburg in besonderer Weise Brennpunkt des modernen Musiktheaters war. Zwischen 1947 und 1957 erlebten die Salzburger Festspiele allein neun Oper-Uraufführungen, darunter waren so bedeutende Werke wie von Einems "Dantons Tod" , Orffs "Antigone", Blachers "Romeo und Julia" oder "Die Liebe der Danae" von Richard Strauss. Werner Egk, der in München noch bei Carl Orff studiert hatte, konnte sich bereits in den dreißiger Jahren mit den Opern "Die Zaubergeige", "Peer Gynt" und später dann mit "Columbus" als einer der innovativsten deutschen Opernkomponisten profilieren. Nach diesen Erfolgen zog sich Egk für einige Jahre vom Musiktheater zurück. 1955 schließlich boten ihm dann die Salzburger Festspiele das Podium für die "Irische Legende". Dort fand Egk einen Verbündeten in Wilhelm Furtwängler. Nur in Kenntnis des Stoffes und ohne die Musik ganz gehört zu haben, soll Furtwängler Egks neues Opern-Projekt vorbehaltlos unterstützt haben. Die in fünf Bildern ablaufende Handlung basiert auf der Erzählung "The Countess Cathleen" des irischen Dichters und Nobelpreisträgers William Butler Yeats. Sie ist tief im irischen Volkstum verwurzelt, das in seinem Hang zur Mystik heidnische und christliche Vorstellungs-Welten vermischt. Die Handlung: Eine Hungersnot ist über Irland gekommen. Zwei als Kaufleute verkleidete Boten des Teufels ziehen durch das Land und versprechen den Hungernden Nahrung, wenn sie dafür ihre Seelen verkaufen. Viele Verzweifelte geben der Versuchung nach und handeln sich die Hölle ein. Um die Armen vor der ewigen Verdammnis zu bewahren, bietet die edle Gräfin Kathleen den Teufelsboten ihre eigene Seele an. Der Reiz, diesen Stoff als Grundlage eines Opernlibrettos zu wählen, erklärte Werner Egk, "liege in der Vorstellung, dass ein Einzelner in scheinbar hoffnungsloser Lage - der eigenen Verantwortung bewusst und gegen alle Wahrscheinlichkeit - einen Ausbruch aus der Hoffnungslosigkeit unternimmt." Wohl eine gezielte Anspielung auf die Praktiken skrupelloser Machtsysteme der Neuzeit. Wobei die Lichtgestalt der Kathleen den ins Heldenhafte überhöhten moralischen Widerstand des Menschen gegen das Unmenschliche verkörpert. Ein Inhalt von erschreckender Aktualität also, der den Hörer zur Auseinandersetzung förmlich herausfordert: * Musikbeispiel: Werner Egk - 3. Bild (Ausschnitt) aus: "Irische Legende" "Hunger regiert überall" aus dem dritten Bild der Oper "Irische Legende" von Werner Egk. Eulen, Geier und Tiger, in der Oper Handlanger des Teufels, wurden in der Salzburger Uraufführung verkörpert von Chloe Owen, Lilian Beninngsen, László Szemere und Walter Berry. Mit der "Irischen Legende" forderte Werner Egk nicht nur das Publikum heraus, er machte es auch den Akteuren nicht leicht. Sowohl die musikalische wie auch die szenische Darstellung stellten erhebliche Anforderungen an alle Beteiligten. Aber in Salzburg hatte Egk das Glück, wirklich erstklassige Kräfte einsetzen zu können. Die Wiener Philharmoniker spielten unter der strengen Stabführung von George Szell, als Regisseur stand Oscar Fritz Schuh zur Verfügung, das Bühnenbild gestaltete Casper Neher. Und ganz im großen Salzburger Stil waren natürlich alle Gesangsrollen prominent besetzt: Kurt Böhme als Dichter Alleen, Geliebter der Kathleen, Walter Berry in der Rolle des Tigers oder Gottlob Frick in der Doppelrolle als "Erscheinung des verdammten Faust" und als "Stimme hinter der Szene". Und dann natürlich die Salzburg-Debütantin Inge Borgh als Gräfin Kathleen. Sie setzte der Aufführung mit ihrem dramatischen Sopran das stimmliche Glanzlicht auf: * Musikbeispiel: Werner Egk - 5. Bild (Ausschnitt) aus: "Irische Legende" "Ich sah sie nicht vordem, die Eulen in Weibsgestalt" aus dem Fünften Bild der "Irischen Legende" von Werner Egk. Sie hörten Inge Borgh in der Rolle der Kathleen. Aus Werner Egks Musik spricht eine ungewöhnliche Originalität, eine ganz persönliche Handschrift. Meisterhaft und mit größten Raffinement beherrscht Egk den modernen Orchesterapparat. Verglichen mit früheren Werken meldet sich Egk in der "Irischen Legende" mit einer noch pointierteren und ausdrucksstärkeren Tonsprache zu Wort, die das Drama und die Abgründe der szenischen Situationen plastisch ausmalt. Etwa in der starken klanglichen Differenzierung zwischen der Sphäre der Kathleen und der finsteren Welt der Dämonen. Im relativ klein besetzten Orchester sorgen zahlreiche Schlaginstrumente für ein ganz spezielles Kolorit. Die Spielkultur der Wiener Philharmoniker hält erwartungsgemäß ein sehr hohes Niveau. George Szells Dirigat steht für Konzentration, rhythmische Präzision und Spannung. Szell setzt die musikalischen Energien der Partitur frei und führt sie dem Drama zu.. Entsprechend euphorisch reagierte auch das Salzburger Premierenpublikum, wohl wissend, dass es eine Sternstunde des modernen Musiktheaters miterlebt hatte. Am Schluss des Fünften Bildes treten die Engel den Dämonen entgegen und nehmen Kathleen mit sich, da sie ohne Schuld ist. Denn eine reine Seele kann nicht dem Bösen verfallen und einen Pakt zwischen Verdammnis und Seligkeit kann es nicht geben. * Musikbeispiel: Werner Egk - 5. Bild (Ausschnitt) aus: "Irische Legende"

Norbert Hornig |