Soweit man nicht an der sozialen Tendenz der Bücher Sinclairs Anstoß nimmt, wird er als Schriftsteller geschätzt, der wie kein Zweiter in den gut 20 Werken, die er seit dem "Sumpf` schrieb, das moderne Amerika von allen Seiten geschildert hat.
Upton Sinclairs Roman "The Jungle", "Der Sumpf" - später hieß das Buch im Deutschen "Der Dschungel" - beschrieb die sozialen Missstände und die katastrophalen hygienischen Zustände in den Schlachthöfen Chicagos. Er erschien 1906. Die Wirkung war unvorstellbar. Unmittelbar nach der Veröffentlichung wurde der Roman in 17 Sprachen übersetzt und in Millionen Exemplaren verbreitet. Der Umsatz von amerikanischem Corned Beef ging weltweit zurück; die Verbraucher stiegen auf argentinische Fleischkonserven und Hausmacherwurst um. Präsident Roosevelt setzte eine Untersuchungskommission ein, die Sinclairs Befunde bestätigte. Die Industrie versuchte den Autor mit Geld und Aufsichtsratsposten zu kaufen, und ließ ihn, als das fehlschlug, in den Zeitungen als "Schmutzaufwirbler" diffamieren. In Deutschland kamen Sinclairs Bücher zunächst in verschiedenen Verlagen heraus. Zum populärsten amerikanischen Autor machte ihn der 1917 von Wieland Herzfelde gegründete Malik Verlag, ein der KPD weltanschaulich nahestehendes, in Fragen der Ästhetik, der Neigung zum dadaistischen Experiment, eher fernstehendes Unternehmen. Im Malik Verlag erschienen bis zur Machtübernahme der Nazis 29 Romane Sinclairs. Die meisten übersetzte Hermynia Zur Mühlen.
Herzfelde und Zur Mühlen waren Kommunisten, den Sozialismus Upton Sinclairs nannte Lenin naiv, der Autor sei ohne theoretische Bildung, ein Gefühlssozialist. Der Mangel hinderte weder Sinclair noch Herzfelde daran, über Jahrzehnte geschäftlich erfolgreich und freundschaftlich miteinander zu verkehren. Es war eine kalkulierte Liebesheirat. Man traf sich, die ideologischen Differenzen nicht aussparend, auf der inhaltlichen Ebene. "Neu und beinahe einzigartig bei diesem Dichter ist", heißt es in Herzfeldes Rede, "dass er sich nicht mit den zufälligen Eindrücken und Problemen seines Privatlebens beschäftigt, dass er sich nicht mit seiner Phantasie begnügt, sondern dass die jede Phantasie überbietende gesellschaftlichen Konflikte der Gegenwart sein Rohmaterial sind". Die Übersetzerin Hermynia Zur Mühlen betonte wiederholt den "Propagandawert" der Romane. Man redete sich mit W.G., Werter Genosse, "Dear Comrade", später mit "Lieber Freund" an. "Wir sollten uns nicht aus den Augen verlieren", schreibt Upton Sinclair 1943 an Wieland Herzfelde, als der schon längst kein Verleger mehr ist, sondern mittelloser Emigrant in New York. Das Kalkül ging mit dem Engagement Hand in Hand. Sinclairs Bücher waren Bestseller. Als die Nationalsozialisten 1933 den Verlag, seine Konten und Bestände beschlagnahmten, lagen allein bei einem Leipziger Vertrieb noch über 69 000 Sinclair-Bücher zur Auslieferung bereit.
Die Herausgeber des Briefbandes, Walter Grünzweig und Susanne Schulz, haben aus rund 750 Briefen, die zwischen Sinclair, Herzfelde, Zur Mühlen in den Jahren nach 1919 gewechselt wurden, knapp ein Viertel zur Veröffentlichung ausgewählt und in einem 5o Seiten langen Nachwort die Geschichte dieser erstaunlichen deutsch-amerikanischen Kooperation kommentiert Natürlich liegt solch editorischer Großleistung ein Projekt der Deutschen Forschungsgesellschaft zu Grunde, das die "Normalität" der transatlantischen Beziehungen während der 20er Jahre und die, wie es heißt, "politische Differenzierung, hier insbesondere im linken politischen Spektrum" zum Thema hatte. Leserfreundlich ist der Briefband nur bedingt. Das betrifft vor allem die Korrespondenz zwischen Zur Mühlen, Sinclair, Herzfelde. Am Ende einer quälenden Kontroverse über die literarische Qualität der Übersetzungen, die richtigen und die falschen "Propagandawörter" trennten sich Verlag und Autor von Zur Mühlen.
Besser steht es mit dem Briefwechsel zwischen Verleger und Autor. Er imponiert nicht nur durch die Vielzahl der Informationen zur Verlagsgeschichte, sondern mehr noch durch einen in Streitfragen wie in Notlagen gleichbleibend achtungsvollen Umgang miteinander. Wenn Sinclair von Herzfelde auf dem Weg der Rechtsabweichung vermutet wird, antwortet der: Ich werde mit Ihnen ein wenig über Politik diskutieren" und erklärt seine Positionen der Emigrant Herzfelde über Monate nichts von sich hören lässt, heißt es: "Was mich betrifft, so habe ich so lange nicht geschrieben, weil ich es nicht mag, über private Angelegenheiten zu schreiben. Es war nicht leicht, für mich und meine Familie ein Auskommen zu finden, und ich musste, wie die Amerikaner sagen den hard way gehen, der uns Europäern aber trotzdem doch noch ziemlich leicht erscheint."
Wie in den kürzlich wieder aufgelegten Erinnerungen des im Amsterdamer Exil für deutsche Autoren tätigen Verlegers Fritz H. Landshoff, berührt auch hier die nüchterne, unsentimentale Reaktion des angesehenen Verlegers auf den Verlust sicherer Arbeitsbedingungen. Der letzte Brief Sinclairs geht nach Ostberlin, wohin Herzfelde 1949 übersiedelte. 1950 bricht die Korrespondenz ab. Die Herausgeber schreiben den Abbruch der veränderten politischen Lage zwischen den Weltmächten, dem beginnenden Kalten Krieg zu. Einfacher lässt sich das Ende der Beziehung zwischen Sinclair und Herzfelde wohl dadurch erklären, dass Wieland Herzfelde - ähnlich wie Fritz H. Landshoff - in der Nachkriegszeit keine Chance bekam, wieder als Verleger zu arbeiten.
Upton Sinclairs Roman "The Jungle", "Der Sumpf" - später hieß das Buch im Deutschen "Der Dschungel" - beschrieb die sozialen Missstände und die katastrophalen hygienischen Zustände in den Schlachthöfen Chicagos. Er erschien 1906. Die Wirkung war unvorstellbar. Unmittelbar nach der Veröffentlichung wurde der Roman in 17 Sprachen übersetzt und in Millionen Exemplaren verbreitet. Der Umsatz von amerikanischem Corned Beef ging weltweit zurück; die Verbraucher stiegen auf argentinische Fleischkonserven und Hausmacherwurst um. Präsident Roosevelt setzte eine Untersuchungskommission ein, die Sinclairs Befunde bestätigte. Die Industrie versuchte den Autor mit Geld und Aufsichtsratsposten zu kaufen, und ließ ihn, als das fehlschlug, in den Zeitungen als "Schmutzaufwirbler" diffamieren. In Deutschland kamen Sinclairs Bücher zunächst in verschiedenen Verlagen heraus. Zum populärsten amerikanischen Autor machte ihn der 1917 von Wieland Herzfelde gegründete Malik Verlag, ein der KPD weltanschaulich nahestehendes, in Fragen der Ästhetik, der Neigung zum dadaistischen Experiment, eher fernstehendes Unternehmen. Im Malik Verlag erschienen bis zur Machtübernahme der Nazis 29 Romane Sinclairs. Die meisten übersetzte Hermynia Zur Mühlen.
Herzfelde und Zur Mühlen waren Kommunisten, den Sozialismus Upton Sinclairs nannte Lenin naiv, der Autor sei ohne theoretische Bildung, ein Gefühlssozialist. Der Mangel hinderte weder Sinclair noch Herzfelde daran, über Jahrzehnte geschäftlich erfolgreich und freundschaftlich miteinander zu verkehren. Es war eine kalkulierte Liebesheirat. Man traf sich, die ideologischen Differenzen nicht aussparend, auf der inhaltlichen Ebene. "Neu und beinahe einzigartig bei diesem Dichter ist", heißt es in Herzfeldes Rede, "dass er sich nicht mit den zufälligen Eindrücken und Problemen seines Privatlebens beschäftigt, dass er sich nicht mit seiner Phantasie begnügt, sondern dass die jede Phantasie überbietende gesellschaftlichen Konflikte der Gegenwart sein Rohmaterial sind". Die Übersetzerin Hermynia Zur Mühlen betonte wiederholt den "Propagandawert" der Romane. Man redete sich mit W.G., Werter Genosse, "Dear Comrade", später mit "Lieber Freund" an. "Wir sollten uns nicht aus den Augen verlieren", schreibt Upton Sinclair 1943 an Wieland Herzfelde, als der schon längst kein Verleger mehr ist, sondern mittelloser Emigrant in New York. Das Kalkül ging mit dem Engagement Hand in Hand. Sinclairs Bücher waren Bestseller. Als die Nationalsozialisten 1933 den Verlag, seine Konten und Bestände beschlagnahmten, lagen allein bei einem Leipziger Vertrieb noch über 69 000 Sinclair-Bücher zur Auslieferung bereit.
Die Herausgeber des Briefbandes, Walter Grünzweig und Susanne Schulz, haben aus rund 750 Briefen, die zwischen Sinclair, Herzfelde, Zur Mühlen in den Jahren nach 1919 gewechselt wurden, knapp ein Viertel zur Veröffentlichung ausgewählt und in einem 5o Seiten langen Nachwort die Geschichte dieser erstaunlichen deutsch-amerikanischen Kooperation kommentiert Natürlich liegt solch editorischer Großleistung ein Projekt der Deutschen Forschungsgesellschaft zu Grunde, das die "Normalität" der transatlantischen Beziehungen während der 20er Jahre und die, wie es heißt, "politische Differenzierung, hier insbesondere im linken politischen Spektrum" zum Thema hatte. Leserfreundlich ist der Briefband nur bedingt. Das betrifft vor allem die Korrespondenz zwischen Zur Mühlen, Sinclair, Herzfelde. Am Ende einer quälenden Kontroverse über die literarische Qualität der Übersetzungen, die richtigen und die falschen "Propagandawörter" trennten sich Verlag und Autor von Zur Mühlen.
Besser steht es mit dem Briefwechsel zwischen Verleger und Autor. Er imponiert nicht nur durch die Vielzahl der Informationen zur Verlagsgeschichte, sondern mehr noch durch einen in Streitfragen wie in Notlagen gleichbleibend achtungsvollen Umgang miteinander. Wenn Sinclair von Herzfelde auf dem Weg der Rechtsabweichung vermutet wird, antwortet der: Ich werde mit Ihnen ein wenig über Politik diskutieren" und erklärt seine Positionen der Emigrant Herzfelde über Monate nichts von sich hören lässt, heißt es: "Was mich betrifft, so habe ich so lange nicht geschrieben, weil ich es nicht mag, über private Angelegenheiten zu schreiben. Es war nicht leicht, für mich und meine Familie ein Auskommen zu finden, und ich musste, wie die Amerikaner sagen den hard way gehen, der uns Europäern aber trotzdem doch noch ziemlich leicht erscheint."
Wie in den kürzlich wieder aufgelegten Erinnerungen des im Amsterdamer Exil für deutsche Autoren tätigen Verlegers Fritz H. Landshoff, berührt auch hier die nüchterne, unsentimentale Reaktion des angesehenen Verlegers auf den Verlust sicherer Arbeitsbedingungen. Der letzte Brief Sinclairs geht nach Ostberlin, wohin Herzfelde 1949 übersiedelte. 1950 bricht die Korrespondenz ab. Die Herausgeber schreiben den Abbruch der veränderten politischen Lage zwischen den Weltmächten, dem beginnenden Kalten Krieg zu. Einfacher lässt sich das Ende der Beziehung zwischen Sinclair und Herzfelde wohl dadurch erklären, dass Wieland Herzfelde - ähnlich wie Fritz H. Landshoff - in der Nachkriegszeit keine Chance bekam, wieder als Verleger zu arbeiten.