Parteigründung
Maaßen will aus der Werteunion eine Partei machen

Der frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen will die konservative Werteunion zu einer eigenen Partei ausbauen. Sie könnte bereits an den kommenden Landtagswahlen im Osten teilnehmen. Was ist über die Ziele der Partei bekannt?

    Hans-Georg Maaßen (Werteunion) bei einer Rede in Thüringen.
    Hans-Georg Maaßen möchte eine neue konservative Partei gründen. (picture alliance / dpa / Heiko Rebsch)
    Der Chef der Werteunion, Hans-Georg Maaßen, hat sich in ersten Äußerungen zu der möglichen eigenen Partei offen für Gespräche mit anderen politischen Kräften gezeigt. In einem Interview mit dem Sender „Welt TV“ sagte er auf die Frage, ob er etwa eine Koalition auch mit der AfD in Thüringen bilden würde: Man werde mit allen sprechen, von links bis rechts. Ob es zu einer Verständigung komme, sei aber offen. Maaßen ist noch CDU-Mitglied, gegen ihn läuft allerdings ein Parteiausschlussverfahren.

    Inhaltsübersicht

    Was ist über die politischen Ziele der geplanten Partei bekannt?

    Gegenüber dem Sender "Welt TV" erklärte Maaßen, die Werteunion spreche sich nicht für den Stopp jeglicher Zuwanderung nach Deutschland aus. Sie trete für eine Politik mit Augenmaß ein. Maaßen zählte weitere Punkte auf, dazu gehöre eine neue Programmatik in den Bereichen Energiepolitik, Gender und Klima.
    In Positionspapieren hat die Werteunion auf ihrer Webseite einige Eckpfeiler benannt. Wie stark sich eine mögliche Partei daran orientieren würde, ist unklar.
    In der Einleitung zum Positionspapier zu Umwelt und Energie heißt es, dass „Umwelt und Klima seit Jahrmillionen einem ständigen Wandel unterworfen“ seien. Man werde das Klima nicht konservieren können. Konkret befürwortet die Werteunion unter anderem die Realisierung neuer Kernkraftwerke und mehr Forschungsgelder für die Kernfusionstechnologie.
    Im Positionspapier zu Zuwanderung heißt es unter anderem, dass die Migrationsbewegungen der vergangenen Jahre eine Fehlentwicklung darstellten, die man „rückwirkend und in Zukunft gerichtet“ korrigieren wolle. Konkret möchte die Werteunion beispielsweise keine Menschen ohne Schutzstatus mehr dulden. Wer weder nach Einwanderungsgesetz noch als politisch Verfolgter ein Recht zum Aufenthalt habe, müsse das Land verlassen. Um diese Aufgabe personell zu bewältigen, müsse eventuell auch die Bundeswehr hinzugezogen werden.
    In Deutschland leben nach Angaben der Bundesregierung etwa 250.000 Menschen, die ausreisepflichtig, aber geduldet sind. Duldungen bekommen Menschen etwa, wenn ihr Herkunftsland zu gefährlich für eine Abschiebung ist, wenn Reisepapiere fehlen oder sie wegen Krankheit nicht reisefähig sind.
    Die Werteunion pocht darüber hinaus auf eine „deutsche Leitkultur“. Wer in Deutschland leben wolle, müsse die Bereitschaft zur Anpassung mitbringen. Zuwanderer müssten „die deutsche Leitkultur nicht nur tolerieren oder akzeptieren, sondern sich aktiv mit ihr identifizieren. Dies ist vorrangig eine Bringschuld der Zuwanderer, bei der wir fördern und unterstützen.“ Wer dazu nicht bereit sei, dürfe keine deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.

    Wie soll die Parteigründung ablaufen?

    Am 20. Januar soll laut Maaßen in Erfurt eine Mitgliederversammlung der Werteunion darüber entscheiden, ob das Namensrecht auf eine neu zu gründende Partei übertragen wird. Dies wäre der erste Schritt zu einer Absonderung von CDU und CSU. Sollten sich die Mitglieder für die Gründung entscheiden, würde die Werteunion zum Förderverein für die neue Partei. Dann solle es einen Gründungsparteitag und die Anmeldung beim Bundeswahlleiter geben, kündigte Maaßen an. 
    Um an Wahlen teilnehmen zu können, müsste die Partei einige Fristen einhalten. Mitte Juni müsste sie etwa ihre Landesliste einreichen, um an den Wahlen in Sachsen und Thüringen (1.9.2024) teilnehmen zu können.

    Was ist die Werteunion?

    Die Werteunion verstand sich lange Zeit als parteinahes, konservatives Korrektiv der CDU. Parteigliederung war sie nie, sie gehört also formell nicht zu den Unionsparteien. Und zuletzt hat die Werteunion auf ihrer Homepage sogar mit drastischen Worten Stimmung gegen die CDU gemacht: Nachdem bekannt geworden war, dass CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann Altkanzlerin Angela Merkel um Wahlkampfunterstützung gebeten hatte, hieß es dort wörtlich: "Wer diese CDU wählt, wählt den Untergang Deutschlands".
    Unklar ist, wie viele Personen dem Verein angehören. Maaßen spricht von über 4.000. Unklar ist auch, wie viele davon der CDU angehören. Unter Maaßen hatte der Verein im vergangenen Jahr bereits beschlossen, dass auch Mitglieder anderer Parteien aufgenommen werden können.

    Wofür steht der Vorsitzende Hans-Georg Maaßen?

    Von 2012 bis 2018 war der Jurist Maaßen Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Seine Amtszeit war geprägt durch Debatten unter anderem über Fehler des Verfassungsschutzes im NSU-Komplex sowie durch die NSA-Überwachungsaffäre. 2021 scheiterte Maaßen bei der Bundestagswahl als CDU-Direktkandidat in Thüringen. Im Januar 2023 wurde er zum Chef der rechtskonservativen Werteunion gewählt.
    Maaßen hatte sich in der Vergangenheit wiederholt gegen die Flüchtlingspolitik der früheren Kanzlerin Angela Merkel (CDU) positioniert. Im Interview mit dem Deutschlandfunk am 31. Januar 2023 kritisierte er einen angeblichen Linksruck, den die Bundesrepublik durchlaufen habe:
    „Ich sehe Deutschland in Teilen in einem Niedergang begriffen. Ich sehe, dass wir hier eine grün-woke Dominanz haben, was die Sprache angeht, die Medien angeht, die Kultur angeht, und meine Erwartung wäre, dass eine CDU, die zurückfindet zu den Grundsatzpositionen von Kohl und Adenauer, diese Politik wieder umgestalten kann.“
    Parteipolitische Gegner und politische Beobachter werfen Maaßen eine mangelnde Abgrenzung gegenüber der AfD und Antisemitismus vor. Maaßen hatte in einem Tweet behauptet, Stoßrichtung der „treibenden Kräfte im politischen-medialen Raum“ sei ein „eliminatorischer Rassismus gegen Weiße“. In einem Interview sprach er zudem von einer „grün-roten Rassenlehre“. Der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Jens-Christian Wagner, warf ihm daraufhin „klassische rechtsextreme Schuldumkehr“ und eine Verharmlosung des Holocausts vor.
    Laut einem Bericht des „Spiegel“ bremste Maaßen als Verfassungsschutzpräsident seinerzeit eine frühe Befassung seiner Behörde mit der AfD aus: Bei einem Treffen der Amtsleiter 2016 soll der Chef eines Landesamts gefragt haben, warum im Fall der AfD noch nichts unternommen werde. Die Äußerungen des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke zum Beispiel genügten doch für einen Prüffall. Maaßen habe geantwortet, dass da nichts sei, also nichts gemacht werde.

    Warum läuft ein Parteiausschlussverfahren in der CDU gegen Maaßen?

    Forderungen nach einem Parteiausschluss aus der CDU kamen bereits im Juli 2021 auf, am 30. Januar 2023 forderte das CDU-Präsidium Maaßen dann einstimmig zum Austritt aus der Partei auf. Maaßen verstoße laufend gegen Grundsätze und Ordnung der Partei. Immer wieder gebrauche er die Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen bis hin zu völkischen Ausdrucksweisen, erklärte das Präsidium weiter. Das zuständige CDU-Kreisparteigericht in Thüringen lehnte einen Ausschluss Maaßens im Juli 2023 aber ab.
    Im November 2023 ging die CDU-Führung mit dem Verfahren in die nächste Instanz. Maaßens Pläne für die Gründung einer eigenen Partei werden einen Ausschluss erleichtern. Denn die CDU-Statuten legen die Zugehörigkeit zu einer anderen Partei als Ausschlussgrund fest.

    Welche Reaktionen gibt es?

    Die CDU-Spitze hält sich mit Äußerungen zu Maaßen seit Langem zurück. Andere suchen das Positive in der Entwicklung. Während Maaßen selbst sein Verhältnis zur CDU für den Fall offen lässt, dass die Abspaltung scheitert, begrüßt Gordon Hoffmann, CDU-Generalsekretär in Brandenburg, gegenüber dem "Tagesspiegel", dass Maaßen erkannt habe, dass die CDU nicht mehr seine Heimat sei.
    CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt sagte am 5.1.2024 im Deutschlandfunk, dass Maaßen wohl angesichts des geplanten Ausschlusses aus der CDU glaube, "politisch auf diese Weise weiterleben zu können". Maaßens geplante Partei werde aber "keinen nennenswerten Effekt auf die deutsche Politik haben", sagte Hardt.

    gü, pto