Die sogenannte Werteunion hat seit kurzen einen neuen Vorsitzenden: Der Ökonom und Kritiker der Euro-Rettung Max Otte hatte in der Vergangenheit Sympathie für die AfD geäußert und Rechtsextremismus verharmlost. Unter anderem hatte er auch für eine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geworben.
Was ist die Werteunion?
Die rund 4.000 Mitglieder der Werteunion sind zum Großteil Mitglieder der Union. Der eingetragene Verein sieht sich selbst als "konservative Basisbewegung in der CDU/CSU". Sie hat aber keine organisatorische Verankerung in den Parteien.
Die rund 4.000 Mitglieder der Werteunion sind zum Großteil Mitglieder der Union. Der eingetragene Verein sieht sich selbst als "konservative Basisbewegung in der CDU/CSU". Sie hat aber keine organisatorische Verankerung in den Parteien.
Wie sich die Union positioniert
Die Personalie ist deshalb auch für den Kanzlerkandidaten der Union, Armin Laschet, ein Problem. Laschet hatte im Dlf-Interview (1.6.2021) deutlich gemacht: Wenn Otte eine Linie überschreite, könne er nicht in der CDU bleiben. Die Werteunion habe mit der CDU nichts zu tun. "Die Werteunion hat keine CDU-institutionelle, organisatorische Verankerung." Otte bedauerte hingegen im Dlf, dass die Werteunion nicht als offizielle CDU-Gruppierung anerkannt sei. Es liege an der Partei, das zu ändern.
"Ich bin bombenfest CDU-Mitglied"
Mit Blick auf die Kritik von CDU-Chef Laschet will Otte erst mal abwarten. Die ihm mitunter vorgeworfene Nähe zur AfD sei Quatsch, so der Vorsitzende der Werteunion. "Ich bin seit 30 Jahren CDU-Mitglied, habe nie an einen Parteiaustritt gedacht." Grundsätzlich halte er das ganze Wording für falsch. "Ich bin bombenfest CDU-Mitglied. Ich halte diese Abgrenzung für falsch." Auch die Querdenker würden durch die Beobachtung des Verfassungsschutzes diskreditiert. "Das sind Dinge, die ich mit Sorge beobachte, dass der Verfassungsschutz im internen politischen Spiel eingesetzt wird. Ich mache mir da lieber selber mein Bild und vertraue da nicht mehr auf die Einschätzung des Verfassungsschutzes, der da politisch instrumentalisiert ist."
Zur Rolle, die er in der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung gespielt hat, sagte Otte im Dlf-Interview: "Ich bin da ausgetreten, als mir die Wissenschaft etwas zu sehr in den Hintergrund rückte und das Politisierende zu groß wurde." Außer ihm gehörten auch drei weitere Mitglieder der CDU an. "Meine Loyalität gilt primär unserem Land und wenn ich Konzepte entwickeln kann für unser Land, wenn ich gefragt werde, tue ich das, und wenn ich von der CDU gefragt würde, was ich natürlich viel lieber würde, dann würde ich das auch tun."
Die Tatsache, dass Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen seine Mitgliedschaft vorerst ruhen lasse, hat in den Augen von Otte mit seinem Wahlkampf in Sachsen-Anhalt zu tun. Er sei sicher, dass er seine Mitgliedschaft wiedernehmen werde.
Das Interview im Wortlaut:
Dirk-Oliver Heckmann: CDU-Chef Armin Laschet will mit Ihnen keine Gespräche führen. Wir haben es gerade gehört. Fühlen Sie sich gemobbt?
Max Otte: Nein, in dem Sinne nicht. Er muss erst mal schauen, wie ich mich verhalte in der Position. Ich finde auch, dass er sich klug ausgedrückt hat. Wir sind keine offizielle CDU-Gruppierung, was ich sehr bedauere, denn Sie haben es in Ihrer Anmoderation gesagt: 80 Prozent plus bei uns sind CDU-Mitglieder. Und man kann bei uns nur Mitglied werden, wenn man entweder CDU-Mitglied ist oder in einer CDU-nahen Vereinigung wie zum Beispiel CDA oder Christdemokraten für das Leben. Selbst wenn uns die Mutterpartei bislang nicht anerkannt hat, haben wir doch den Mitgliederkörper, der uns gestatten würde, uns jederzeit anzuerkennen. Es liegt nur an der Partei, ob wir anerkannt werden oder nicht, aber wir wollen in die Partei hineinwirken. Wir wollen den Mitgliederstatus haben, der uns erlaubt, eine Organisation zu werden.
"Ich habe nie an einen Parteiaustritt gedacht"
Heckmann: Die Bereitschaft scheint allerdings auf Seiten der Union, auf Seiten der CDU nicht da zu sein. Auch von Seiten der SPD gibt es massive Kritik. Lars Klingbeil, der Generalsekretär der Sozialdemokraten, hat am Wochenende gesagt, mit Ihrer Wahl, mit der Wahl Ottes hat es in der Werteunion den Putsch der AfD-Treuen gegeben. Was daran ist falsch?
Otte: AfD-treu ist Quatsch! Ich bin seit 30 Jahren CDU-Mitglied, habe nie an einen Parteiaustritt gedacht.
Heckmann: Aber Sie haben für die Wahl der AfD geworben im Jahr 2017 im Interview mit der "Wirtschaftswoche".
Otte: Das ist auch so etwas übertrieben. Ich habe gesagt, ich persönlich wähle diesmal die AfD, und das ist jetzt vier Jahre her, weil ich Angela Merkel nicht wählen kann. Das Problem Angela Merkels stellt sich bei der nächsten Bundestagswahl nicht. Ich habe nicht geworben, sondern ich habe gesagt, mein Gewissen zwingt mich in diesem Falle, tatsächlich nicht die CDU zu wählen. Das Thema ist abgeschlossen, jetzt können wir in die Zukunft schauen.
Heckmann: Und das würden Sie jetzt nicht mehr aufrechterhalten?
Otte: Richtig.
"Nähe zur AfD – in finde das ganze Wording falsch"
Heckmann: Sie würden eine Nähe zur AfD, die Ihnen unterstellt wird, bestreiten?
Otte: Ich finde das ganze Wording falsch. Nähe zur AfD, Nähe zur SPD, Nähe zur FDP. Zunächst mal bin ich felsenfest und bombenfest CDU-Mitglied. Vorher war ich im Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung. Mein Vater war CDU-Mitglied. Ich habe mit zwölf meine ersten Bürgerbriefe verteilt in Plettenberg im Sauerland. Es geht um Positionen. Ich halte diese Abgrenzung für falsch. Es ist ja auch durch die Presse gegangen, dass ich sogar mal bei Querdenkern gesprochen habe. Auch die werden diskreditiert.
Heckmann: Mehrfach.
Otte: Dreimal genau, in Darmstadt, Stuttgart und Aachen. Auch die werden diskreditiert. Ich habe den Herrn Ballweg kennengelernt. Er ist mittelständischer Unternehmer.
Heckmann: Die ganze Bewegung wird jetzt vom Verfassungsschutz beobachtet.
Ottes Zeit als Kuratoriumsvorsitzender der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung
Otte: Na ja, der Verfassungsschutz ist mittlerweile nicht mehr unparteiisch. Herr Dr. Maaßen, mit dem ich mich oftmals austausche, ist auch abgelöst worden, damit der Weg frei ist für eine Beobachtung der AfD. Das sind Dinge, die ich mit Sorge beobachte, dass der Verfassungsschutz im internen politischen Spiel eingesetzt wird. Das kann man schon mit Sorge beobachten. Ich mache mir da lieber selber mein Bild und vertraue da nicht mehr auf die Einschätzung des Verfassungsschutzes, der da politisch instrumentalisiert ist.
Heckmann: Sie halten die Diskussion, die Fragestellung für nicht adäquat, AfD-nah ja oder nein. Aber man muss festhalten – ich habe es in der Anmoderation ja auch schon gesagt -, Sie waren bis Januar Kuratoriumsvorsitzender der AfD-nahen Desiderius Erasmus Stiftung.
Otte: Richtig!
Heckmann: Da muss man konstatieren, da ist die Frage nach der Nähe zur AfD eigentlich beantwortet, oder?
Otte: Jein! Es geht auch da um Positionen. Das Kuratorium ist ja ein wissenschaftlicher Beirat gewesen ohne jegliche Entscheidungskompetenz. Das wird Ihnen Erika Steinbach sicherlich bestätigen, die dort die Fäden mit eiserner Hand führt. Wir waren Wissenschaftler, sind 30 Wissenschaftler, übrigens drei weitere CDU-Mitglieder, die ehemalige Bürgerrechtlerin und Bundestagsabgeordnete Angelika Barbe, der Pater Ockenfels und auch der Staatsrechtler Ulrich Vosgerau. Das sind CDU-Mitglieder im Kuratorium der Desiderius-Erasmus-Stiftung. Es ging da um wissenschaftliche Konzepte. Ich habe auch ein Buch herausgegeben vor zwei oder drei Jahren, Nachdenken für Deutschland, im Rahmen dieser Tätigkeit. Da sind viele Artikel drin, die kann man lesen. Die Sachen kann man teilen oder nicht. Es geht um eine wissenschaftliche Funktion und ich bin da ja auch ausgetreten, als mir die Wissenschaft etwas zu sehr in den Hintergrund rückte und das Politisieren zu stark wurde.
Heckmann: Herr Otte, Sie können doch jetzt nicht ernsthaft Ihre Tätigkeit im Kuratorium dieser AfD-nahen Stiftung so kleinreden.
Otte: Was heißt hier kleinreden? Ich spreche über Konzepte. Es geht um Konzepte. Wo ich die entwickle, das ist egal.
"Meine Loyalität gilt primär unserem Land"
Heckmann: Das heißt, Sie haben die AfD beraten und haben dafür gearbeitet, dass diese Partei stärker wird?
Otte: Meine Loyalität gilt primär unserem Land und wenn ich Konzepte entwickeln kann für unser Land, wenn ich gefragt werde, tue ich das, und wenn ich von der CDU gefragt würde, was ich natürlich viel lieber würde, dann würde ich das auch tun. Klar! Und wenn ich das nicht mehr in der mir gemäßen Weise tun kann, in der mir eigenen Freiheit, dann trete ich aus, was passiert ist im Januar.
Heckmann: Selbst der von Ihnen gerade erwähnte Hans-Georg Maaßen, der Ex-Verfassungsschutzpräsident lässt seine Mitgliedschaft ruhen, nachdem Sie gewählt worden sind zum Vorsitzenden der Werteunion. Auch der Landesverband der Werteunion Bayern hat Sie aufgefordert, so schnell wie möglich zurückzutreten. Auch die Landesverbände Baden-Württemberg, Sachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt haben ihre Kandidaten zurückgezogen und die Tagung in Fulda vorzeitig verlassen. Mit Ihrer Wahl sei eine völlige politische Neuausrichtung verbunden, die mit unserem wirtschaftsliberalen und wertkonservativen Gründungsmanifest nichts mehr zu tun haben wird. – Die Kolleginnen und Kollegen aus der Werteunion, Ihre Kolleginnen und Kollegen irren sich da gewaltig?
Otte: Ich halte das für eine Empörungswelle. Ich weiß jetzt gar nicht, Sie haben drei Fragen gestellt. Zunächst einmal muss ich berichtigen: Die Landesverbände haben mich nicht aufgefordert, sondern das sind Funktionäre beziehungsweise Funktionsträger.
Heckmann: Der Landesverband Bayern hat das so auf seiner Homepage stehen, berichten Deutsche Presseagentur und Die Welt.
Otte: Nein, hat er nicht. Ja; das stimmt aber nicht. Es ist falsch, es ist falsch, es ist falsch. Es sind die Landesvorstände.
Heckmann: Die sprechen ja für die Verbände.
Otte: Nein! – Ja, aber von den Mitgliedern bekomme ich ganz andere Rückmeldungen, vielfach positive. Wir hatten auch viele Eintritte schon in den letzten Tagen. Wenn ein Vorstand so etwas macht, dann ist das zunächst einmal für die Medien gedacht. Dann ist es in Bezug auf die Organisation natürlich unschön.
Heckmann: Sind die demokratisch nicht legitimiert?
Otte: Von der Vereinssatzung her gibt es das in der Form noch nicht. Das ist eine Zwischenstufe. Die Satzung muss auch weiterentwickelt werden. Im Prinzip sind wir ein Verein mit einem Bundesvorstand. Von daher ist das in der Tat in den Medien falsch transportiert worden.
Sie haben gleich ein zweites Thema angeschnitten, Dr. Hans-Georg Maaßen. Ich tausche mich weiter mit ihm aus. Er ist natürlich im Wahlkampf jetzt und lässt ja seine Mitgliedschaft ruhen, um das zu beobachten. Wir sind im Austausch und ich bin da sehr zuversichtlich, dass er dann, wenn er sich seinen Rückhalt gebildet hat, die Mitgliedschaft wiederaufnimmt.
Tweet nach Lübcke-Mord: "Twitter ist ein teuflisches Medium"
Heckmann: Das werden wir weiterverfolgen, Herr Otte. – Der damalige Vorstand der Werteunion, dessen Chef Sie jetzt sind, der hatte in der Vergangenheit bereits gefordert, ein Parteiausschlussverfahren gegen Sie zu prüfen. Grund: Ihr Tweet nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Ich zitiere einmal: "Endlich hat der Mainstream eine neue NSU-Affäre und kann hetzen. Es sieht alles so aus, dass der Mörder ein minderbemittelter Einzeltäter war, aber die Medien hetzen schon jetzt gegen die "rechte Szene", was auch immer das ist." – Sie haben dann später den Tweet gelöscht und sich bei der Familie von Lübcke entschuldigt. Trotzdem meine Frage: Was unterscheidet Ihre Thesen von denen von Rechtsextremen?
Otte: Entschuldigung! Das hat mit Rechtsextremismus jetzt gar nichts zu tun. Das ist ein schrecklicher Mord. Ich habe mich dafür entschuldigt. Twitter ist ein teuflisches Medium. Das wird jetzt natürlich tausendfach wiederholt, geistert durch das Netz.
Heckmann: Aber die Verantwortung trägt ja nicht Twitter, sondern derjenige, der da was reinschreibt, oder?
Otte: Ja, natürlich! Aber ich habe keine große Presseabteilung hinter mir. Da sind überhaupt keine Positionen drin. Das war pietätlos, das war geschmacklos. Man hätte viel mehr sich um das Opfer kümmern müssen in dem Moment und an die Familie denken. Gleichwohl: Da sind keine rechtsextremen Thesen und sonst was drin. Der Täter scheint minderbemittelt zu sein. Er scheint nicht in einem großen Netzwerk gearbeitet zu haben.
Heckmann: Er ist verurteilt worden zu lebenslanger Haft, und zwar, weil er erwiesenermaßen einen Mord aus rechtsextremer Motivation heraus verübt hat.
Otte: Ja, natürlich! Das ist auch schrecklich. Das habe ich auch nie in irgendeiner Form bestritten.
Heckmann: Aber Sie haben doch gesagt, dass die Medien jetzt gegen die rechte Szene hetzen würden.
Otte: Der Mann hat mehr oder weniger alleine gearbeitet. So tief bin ich jetzt nicht mehr drin, aber es war kein riesen Komplott von irgendeiner großen Szene. Es war dieser Mensch, der in seinem kranken Hirn sich das ausgedacht hat, vielleicht noch mit ein, zwei weiteren Leuten, und das ist krank, das ist schrecklich, aber es entsteht bei solchen Sachen dann immer. Von daher: Ich habe mich entschuldigt dafür und man kann jetzt mal in die Zukunft blicken. Da sind keine, in irgendeiner Form rechten Thesen in diesem Tweet drin gewesen. Er war unglücklich. Er war falsch, ich habe mich entschuldigt und damit dürfte das Thema ja mal irgendwann durch sein.
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