Ein weißer Kreis auf schwarzem Grund, wie der Mittelkreis eines Basketballspielfelds, angebracht auf der Drehbühne. Später mal eine Art Feuerleiter mit Galerie wie an amerikanischen Hochhäusern. Ein kleiner Ständer für die Obst- und Gemüseauslage von Tony. Ein Doppelbett, auf dem sich Maria und dann auch Tony fallen lassen können.
Die Bühnenausstattung ist minimalistisch. Und das ist gut so. An der Rückseite der Bühne zu sehen: lediglich eine geschwärzte Backsteinwand und Stangen fürs Bodybuilding. Gearbeitet wird vor allem mit Licht: mit einer Wolke von Partykugeln, wenn Maria zum ersten Mal tanzen gehen will. Mit Suchscheinwerfern, wenn Tony auf der Flucht ist.
Auf Lokalkolorit ist in dieser Neuinszenierung von Leonard Bernsteins "West Side Story" an der Berliner Komischen Oper so gut wie ganz verzichtet worden. Hausherr Barrie Kosky hat sie in Szene gesetzt, und auch fürs Bühnenbildkonzept zeichnet er verantwortlich. Das mörderische Funktionieren von Großstandgangs will er vor allem zeigen. Und wie zwei Menschen sich über deren Grenzlinien hinwegzusetzen versuchen.
Die Hauptlast der Inszenierung kommt bei einem so sehr durch Bernsteins packende Musik geprägten Musical allerdings der Choreografie zu. Die originale Einrichtung durch Jerome Robbins dient dabei als Vorbild. Otto Pichler, Koskys langjähriger Mitarbeiter, hat sie behutsam adaptiert und mit modernen Elementen auch von Breakdance abwechslungsreich und fantasievoll erweitert.
Musikalisch setzt man mit Koen Schoots am Pult auf die originale Besetzung Bernsteins mit reichlich Streichern, was dem Stück auch den sanften Klang in den Liebesarien und -duetten verleiht. Das Protagonistenpaar, für das Bernstein wie auch sein Vorbild Kurt Weill ausgebildete Sänger fordert, ist mit Julia Giebel als Maria und Tansel Akzeybek als Tony angemessen, wenn auch nicht überragend besetzt. In ihren Stimmen hört man doch immer wieder ein leichtes Flackern. Schauspielerisch fügen sie sich jedoch gut ein in die vor allem mit Tänzern besetzten Gangs der Jets und der Sharks. Auch Chorsolisten sind hier integriert, aus musikalischen Gründen.
Was etwas zu kurz kommt, ist die Sprechkultur in den deutschen Dialogen – trotz Verstärkung über Mikrofone. Man versteht nicht alles. Die Mischung mit den im originalen Englisch gesungenen Songs jedoch ist perfekt.
Intendant Kosky will mit dieser Produktion die Linie des Hauses, auch Operette und Musical zu zeigen, wieder stärker betonen. Und Bernstein-Robbins' Anpassung des Shakespeare-Plots von "Romeo und Julia" an das Amerika der 1950er-Jahre ist sicher eine überfällige Wahl. Durch die komplizierte Rechtesituation bei amerikanischen Musicals allerdings war sie lange gar nicht sinnvoll möglich.
Dass das Publikum den Abend feierte, war zu erwarten. Zumal was das leichtere, unterhaltsame Genre anlangt, hat Kosky ein gutes Gespür. Die "West Side Story" ist zudem ein Werk von dramaturgischer wie musikalischer Substanz. Und szenisch wird sie hier fast mustergültig bewältigt.
Eine lange Laufzeit dürfte der Produktion mithin beschieden sein – auch wenn sie die über 500 Vorstellungen von Walter Felsensteins einstiger "Anatevka"-Inszenierung kaum erreichen dürfte.