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Westafrika
Ärzte ohne Grenzen im Kampf gegen Ebola

In Liberia, Sierra Leone und Guinea gab es seit Beginn des Jahres über 300 Todesfälle durch den Ebola-Virus. Es handele sich um den schlimmsten jemals registrierten Ausbruch, sagte Christian Katzer von Ärzte ohne Grenzen im DLF. Notwendig sei mehr Personal vor Ort und eine bessere Behandlung, um die Epidemie einzudämmen.

Christian Katzer im Gespräch mit Peter Kapern |
    Frauen in Liberia sitzen auf Plastikstühlen und lesen Informationsblätter über den Schutz vor dem Ebola-Virus
    Ebola-Virus in Liberia: UNICEF informiert auf Informationsblättern über Möglichkeiten, sich vor der Epidemie zu schützen. (picture alliance / dpa/ Ahmed Jallanzo)
    Die Behandlung sei aus vielen Gründen schwierig. Durch die räumlich gesehen weite Verbreitung der Krankheitsfälle falle es den Helfern vor Ort schwer, die Fälle zu isolieren und adäquat zu behandeln, erläuterte Christian Katzer, Leiter der Projektabteilung bei Ärzte ohne Grenzen. Helfer und Ärzte trügen Schutzanzüge, viele Menschen schrecke das ab, so dass sie sich nicht behandeln ließen. Außerdem mangele es an Aufklärung und einer ausreichenden Anzahl von Isolierstationen. Durch die hohe Sterblichkeitsrate werde die Krankheit in den betreffenden Ländern außerdem mystifiziert.
    Ärzte ohne Grenzen ist mit rund 40 Mitarbeitern in der Region vertreten - als einzige internationale Organisation, die in der aktuellen Epidemie im Einsatz sei, unterstrich Katzer. Wichtig zur Eindämmung der Krankheit sei mehr Personal und eine bessere Aufklärungsarbeit sowie Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden.
    Das Ebola-Virus löst hämorrhagisches Fieber aus, das von Blutungen begleitet wird. Zurzeit gibt es für Menschen keinen Impfstoff gegen Ebola.
    Ein Übergreifen der Epidemie auf Europa hält Katzer für unwahrscheinlich. Zwar handele es sich um eine äußerst "mobile" Krankheit, doch seien die Schutzmaßnahmen und hygienischen Bedingungen in Europa mit denen in Afrika nicht zu vergleichen.

    Das Interview in voller Länge:
    Peter Kapern: Die Ebola-Epidemie in Westafrika scheint, außer Kontrolle zu sein. In Guinea, Liberia und Sierra Leone gibt es inzwischen 60 Krankheitsherde. Das Risiko ist groß, dass sich die Krankheit weiter ausbreitet. Bisher sind seit Jahresbeginn von mehr als 560 Infizierten 350 gestorben.
    Bei uns am Telefon ist Christian Katzer, Leiter der Projektabteilung der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Guten Morgen!
    Christian Katzer: Guten Morgen, Herr Kapern.
    Kapern: Herr Katzer, Ärzte ohne Grenzen ist die einzige internationale Organisation, die Ebola-Patienten in Westafrika behandelt. Wie viele Leute haben Sie vor Ort?
    Katzer: Im Moment haben wir rund 40 internationale Mitarbeiter vor Ort, die in fünf verschiedenen Isolierstationen Patienten behandeln.
    Kapern: Und was tun die genau? Wie sieht diese Behandlung aus?
    Katzer: Leider kann man, wie in Ihrem Artikel auch schon angeklungen, den einzelnen Patienten nicht ...Es gibt kein Mittel, um Ebola zu behandeln. Wir sorgen vor allem dafür, dass die Patienten nicht zu sehr dehydrieren. Wir helfen ihnen aber auch, mit Ängsten umzugehen, Schmerzen zu lindern. Wir versuchen, das Fieber der Patienten zu senken und auch Erregungszustände einzudämmen.
    "Die Aufklärung über die Krankheit ist einfach zu gering"
    Kapern: Warum gelingt es eigentlich nicht, diese Ebola-Epidemie einzugrenzen?
    Katzer: Dafür gibt es eigentlich viele Gründe. Zum einen ist es der erste große Ausbruch in der Region, sodass sowohl die Bevölkerung als auch die Gesundheitsbehörden nicht wirklich auf solch eine Krankheit vorbereitet waren. Zum anderen ist es aber so, dass es zu wenig Kapazität gibt, um Patienten zu behandeln und um Kontakte, Menschen, die in einem direkten Kontakt mit Patienten standen, zu überwachen. Auch die Verbreitung von Nachrichten und die Aufklärung über die Krankheit ist einfach zu gering.
    Kapern: Sind die Menschen sich des Risikos gar nicht bewusst?
    Katzer: Zum Teil nicht. Zum anderen Teil sind sie sich der Risiken überbewusst. Wie auch bei Ihnen anklang: Es ist schon so, dass durch die Schutzmaßnahmen die Helfer oft recht futuristisch wirken, und die hohe Sterblichkeitsrate trägt natürlich dazu bei, dass eine Mystifizierung der Krankheit entsteht. Die Leute kriegen Angst, Patienten verstecken sich, Menschen, die Kontakt hatten, verschweigen das, und damit kommt es immer wieder zu neuen Ausbruchherden. Die Menschen sind sehr mobil und tragen dann die Krankheit durch die verschiedenen Länder.
    Katzer: Ebola-Aufklärung braucht Zeit und Personal
    Kapern: In Agenturen, Herr Katzer, war zu lesen, dass Traditionen in diesen Regionen auch der Bekämpfung der Ebola-Epidemie entgegenstehen. Wie genau sieht das aus?
    Katzer: Das sind zum Großteil Riten und Praktiken zur Beerdigungsvorbereitung, wo gemeinsame Waschungen von Verstorbenen vorgenommen werden. Solche Traditionen kennen wir auch aus anderen Ausbrüchen und eigentlich kann man dort versuchen, damit umzugehen, indem man sehr klar und offen mit den Menschen spricht, sie auf die Gefahren hinweist und eine Akzeptanz für eventuell eine Abweichung von solchen Riten oder eine Einschränkung von solchen Riten erfragt. Das heißt aber, dass trotzdem der Verstorbene gewaschen werden kann. Dafür wird dann Schutzkleidung zur Verfügung gestellt. Das braucht Zeit und das braucht Personal, und das ist im Moment einfach zu wenig vorhanden.
    Kapern: In dem Beitrag, den wir eben gehört haben, da haben wir auch gehört, dass die Menschen den internationalen Helfern gegenüber mit großer Skepsis reagieren. Warum ist das so?
    Katzer: Menschen werden zu wenig über Ebola aufgeklärt
    Katzer: Zum einen ist es so, dass man sich wundert, warum auf einmal so viel Aufwand betrieben wird, warum internationale oder weiße Menschen auftauchen, oft in diesen Schutzkleidungen in die Dörfer kommen, um sich selber zu schützen. Die fehlenden Informationen zu der Krankheit sorgen dann dafür, dass die Menschen sich zurückziehen.
    Es gibt ein gesundes Misstrauen, das auch hier anzutreffen ist. Wenn jemand durch die Dörfer fährt mit einem Kennzeichen aus einer anderen Stadt, dann wird erst mal geguckt, und wenn dann nicht genug aufgeklärt wird, wenn die Leute nicht erfahren, warum man da ist, was man machen will, warum man die Isolierstationen aufbaut, warum man Menschen aus Familien holt, um sie isolieren zu können, um eine Ausbreitung zu verhindern, dann wächst das Misstrauen und schlägt zum Teil in Ablehnung um.
    Kapern: Was muss geschehen, um die aktuelle Ebola-Epidemie unter Kontrolle zu bekommen?
    Katzer: Mehr internationale Unterstützung erforderlich
    Katzer: Letztendlich braucht es eine größere internationale Unterstützung für die betroffenen Länder. Es braucht mehr Personal, das ausgebildet werden muss, um Menschen behandeln zu können. Es braucht Menschen, die täglich die Kontakte überwachen, und es braucht Menschen, die durch die Dörfer gehen, die aufklären, die mit den Menschen sprechen und die die Arbeit der medizinischen Helfer unterstützen.
    Kapern: Warum ist das nicht alles schon längst geschehen, denn diese Epidemie zieht sich ja doch schon seit einer geraumen Zeit hin?
    Katzer: Lokale Gesundheitsbehörden haben Ebola-Gefahr in Westafrika unterschätzt
    Katzer: Ich glaube, wie das in Ihrem Beitrag anklang, dass das zum einen von den lokalen Gesundheitsbehörden etwas unterschätzt wurde. Zum anderen gibt es nicht sehr viele Menschen in dieser Welt, die Erfahrungen mit der Behandlung von Ebola haben und daher nicht sehr schnell reagieren, um Unterstützung anzubieten. Das muss sich jetzt ändern. Auch die Weltgesundheitsorganisation und andere internationale Organisationen müssen einfach ihre Einsätze noch etwas verstärken.
    Kapern: Ebola hat eine recht lange Inkubationszeit von 21 Tagen. Das heißt, erst nach drei Wochen stellt man fest, dass man möglicherweise infiziert ist. Und sie haben eben gesagt, die Menschen in der Region seien sehr mobil. Da scheint es doch nur eine Frage der Zeit zu sein, bis der erste Ebola-Infizierte in einem Flugzeug nach Europa oder Amerika sitzt, oder?
    Katzer: Serh geringe Wahrscheinlichkeit für Ebola-Epidemie in Europa
    Katzer: Theoretisch ist das möglich. Praktisch kann das auch vorkommen. Aber meistens ist es so: Wenn dann doch isolierte Fälle in Europa auftreten sollten, dann sind die Gesundheitsbehörden hier eigentlich relativ gut vorbereitet. Es ist sehr normal hier in einem Krankenhaus, dass Pfleger, Krankenschwestern und Ärzte Handschuhe tragen. Solche einfachen Schutzmaßnahmen helfen schon, falls der Verdacht nicht sofort aufkommt, aber auch, wenn man hier mit Fieber in ein Krankenhaus kommt, dann wird eine Krankheitsgeschichte abgefragt, bei der dann relativ schnell herauskommen wird, dass man gerade aus Westafrika gereist ist, sodass eigentlich hier in meinen Augen die Gesundheitsbehörden sehr gut auf so was vorbereitet werden.
    Kapern: Das heißt, wir müssen uns hierzulande keine Sorgen machen?
    Katzer: Ich glaube, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Epidemie in Europa sehr gering ist.
    Kapern: Christian Katzer von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Herr Katzer, vielen Dank, dass Sie Zeit für uns und unsere Hörer hatten.
    Katzer: Vielen Dank, Herr Kapern.
    Kapern: Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
    Katzer: Danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.