Eine Gruppe von Männern und Frauen nähert sich einem großen Baum. Die Menschen murmeln unverständliche Worte, klatschen ab und zu in die Hände und klingeln mit kleinen Metallglöckchen. In Kpêtêkpa, dem kleinen Dorf in Zentralbenin, gibt es weder Schulen noch Strom - dafür pflegt man aber uralte Voodoo-Zeremonien, erklärt Voodoopriester Dah Sonon Houevenon:
"Sie kommen, um den Baum zu grüßen. Dann gehen sie wieder zurück in den Tempel und kommen anschließend noch einmal. Alles dreht sich hier um den Baum. Es geht wirklich nicht, dass sie nur einmal kommen. Das ist hier alles sehr symbolisch zu verstehen."
Dem Baum werden magische Kräfte nachgesagt. Seine Wurzeln scheinen völlig verdorrt, doch er trägt frische und kräftig grüne Blätter. Für die Einwohner ist er das Symbol des Voodoo-Gottes Zakpata. Für Victor Adohonannon, religiöses Oberhaupt im Dorf, spielt dieser sogenannte Gott der Erde eine ganz besondere Rolle:
"Selbst wenn die anderen Voodoo-Götter im Wasser sind und man das Wasser dann fortnimmt, findet man die Erde. So ist das doch. Und die Erde ist Zakpata. Alles im Voodoo wird von Zakpata geleitet. Alles, was gepflanzt wird, hat Zakpatas Kraft. Wenn man trinkt oder isst, dann ist es auch Zakpata. Er ist überall."
Erd- und Wassergötter sind wie die Heiligen im Katholizismus
Die Götterwelt des Voodoo - für Nicht-Kenner klingt das oft nach Zauberei. Weit gefehlt, erklärt Henning Christoph, Voodoo-Kenner und Gründer des Soul of Africa Museums in Essen:
"Voodoo bedeutet in der Sprache der Fon einfach nur Gott. Und da der Schöpfergott für die Gläubigen zu weit entfernt ist, kommunizieren sie mit den Kindern dieses Schöpfers, mit den Erd- und Wassergottheiten. Jeder dieser Götter hat seinen eigenen Aufgabenbereich. So ähnlich wie die Heiligen im katholischen Glauben."
In Kpêtêkpa in Benin erklingen wieder Glocken und die Gruppe kommt zum zweiten Mal zum Baum. Die Gesichter sind rot geschminkt, Männer und Frauen tragen lange, bunte Ketten, sogenannte Fetische. Sie können mit dem Baum in Kontakt treten. Als die Gruppe sich wieder ins Dorf zurückzieht, hebt Victor Adohonannon den Zeigefinger:
"Du darfst nicht dorthin gehen, wohin sie nun gegangen sind. Das ist der Tempel, das ist wie ein Kloster, das Verborgene dieses Gottes. Dort sind sie in Trance. Bevor man daran teilnehmen darf, muss man in einer speziellen Zeremonie in die Geheimnisse eingeweiht werden. Man könnte es sich natürlich von draußen ansehen. Aber das ist nicht dasselbe."
"Wenn man es für Böses nutzt, wird Böses zurückkommen"
Genau das macht Voodoo für Außenstehende häufig so unverständlich. Es gibt unzählige mysteriöse Rituale und Bräuche, die für jeden Gott verschieden sind. Der Dorfbewohner Baba Guevigbe erklärt Voodoo an einem ganz praktischen Beispiel. Am Morgen lag seine Frau in den Wehen. Doch das Kind wollte nicht kommen.
"Ich habe Wasser geholt und bin zu meinem Fetisch gegangen. Ich habe ihm erklärt: Meine Frau will unser Kind gebären. Aber es ist schwierig, weil ihr die Kraft dazu fehlt. Genau das habe ich ihm anvertraut. Genau eine Stunde später hat sie mich angerufen und gesagt: Das Kind ist da - es ist ein Junge!"
Jetzt strahlt Baba Guevigbe, freut sich nicht nur über den kleinen Sohn, sondern auch über die Kraft seines Glaubens.
"Denen, die Voodoo nicht kennen, sei gesagt: Wenn man es für etwas Böses nutzt, dann wird das Böse auch zurückkommen. Aber wenn man Voodoo für gute Zwecke nutzt, dann profitiert man im positiven Sinne davon. Voodoo, das ist so etwas wie jemand, der uns leitet und auf uns aufpasst."