„Die Jihadisten haben wirklich schon angefangen, ähnlich wie in Mali, einen Parallelstaat aufzubauen.“ - “Die Frage des Sicherheitsmanagements in der Sahelzone – Wie kann es sein, dass es Männern auf Motorrädern gelingt, so schlagfertig zu sein, obwohl die Zahl der ausländischen Streitkräfte weiter zunimmt?“ - „Sie haben einen Staat, der komplett dysfunktional ist und der auch das Problem hat, dass die malischen Eliten in den vergangenen Jahren keine Verantwortung übernommen haben.“
So Experten über die Lage in Burkina Faso, Mali und Niger. Die drei Länder in Westafrika unterscheiden sich und haben doch einige entscheidende Gemeinsamkeiten. Denn seit Jahren kommen von dort schlechte Nachrichten: Von Tod, Terror und Krieg. Burkina Faso, Mali und Niger bilden ein Dreiländereck und gehören zur sogenannten „Sahelzone“. Was aber macht diese Zone so instabil, so gefährlich, so unkontrollierbar?
Es sind verschiedene Faktoren, die aufeinandertreffen: Es ist der Klimawandel, die Sahara, die sich immer weiter ausdehnt. Es ist die Armut - das Bevölkerungswachstum, das damit einhergeht. So bilden laut jüngstem „Human Development Report“ der Vereinten Nationen die drei Staaten der westlichen Sahelzone das Schlusslicht, nur der Tschad und Süd-Sudan schneiden schlechter ab. Immer mehr Menschen müssen also mit immer weniger Nahrung und Ressourcen auskommen. Das wiederum führt zu mehr Gewalt - vonseiten der Islamisten und Separatisten, vonseiten krimineller Banden. Eine Gewalt, die extreme Formen annimmt.
Beispiel Burkina Faso. Es ist Anfang Juni 2021: „Die meisten Angreifer waren Kinder - zwischen 12 und 14 Jahren alt. Das ist eine Information, die wir nicht hatten, als der Angriff stattfand. Und wir wussten auch nicht, dass Frauen dabei eine Rolle spielten, sie haben vorgegeben, wer ein Ziel ist und wer nicht", so Ousseni Tamboura, damals Regierungssprecher, als er zum sogenannten „Massaker von Solhan“ Stellung bezieht. Das Dorf Solhan, im Osten von Burkina Faso, war überfallen worden, mehr als 130 Menschen wurden dabei getötet. Am Tag danach gab es nur noch Asche-Haufen, wo einst Hütten gestanden hatten, an verbliebenen Häuserwänden waren Rußspuren, auf den Straßen lagen ausgebrannte Motorrad-Wracks.
Kinder als Teil des bewaffneten Konflikts
Die Brutalität des Überfalls und das Alter der Täter verstörte die Menschen, trieb Tausende auf die Straßen der Hauptstadt Ouagadougou. Sie trugen Plakate mit Aufschriften wie: “Gestern Solhan - welches Dorf wird es morgen sein?” Auch Maurice Somé hat darauf keine Antwort. Doch der Sozialarbeiter, der für die Hilfsorganisation „SOS Kinderdörfer“ tätig ist, kennt den Teufelskreis in vielen Regionen des Landes - da, wo islamistische Milizen Fuß gefasst haben:
„Man muss die Situation der Kinder verstehen: Seit 2015 sehen wir eine Entwicklung, dass Schulen in den Gegenden, wo Terrorgruppen aktiv sind, geschlossen werden. Doch wenn Schulen geschlossen werden, bringt man die Kinder dazu, etwas Anderes zu machen. Und wenn die Armee und die Regierung dann zurückschlagen, versuchen die Terroristen, die Kinder in den Vergeltungsangriffen einzusetzen.“
Und die Zahl der Kinder in bewaffneten Gruppen nehme rasant zu – so die Angaben der Vereinten Nationen in ihrem Bericht von 2021. Einige Organisationen, die in der Sahel-Zone aktiv sind, versuchen, die Kinder zu schützen. Ihre Arbeit ist jedoch extrem gefährlich, daher möchte ein Mitarbeiter im ARD-Interview anonym bleiben. Er erklärt, wie bewaffnete Gruppen - zum Beispiel militante Islamisten - Kinder zum Töten anstiften:
„Man kann sich natürlich fragen: Haben diese Kinder kein Gewissen? Es gibt zwei Strategien, mit denen die Islamisten die Kinder motivieren: Sie nutzen bestehende ethnische Konflikte und setzen die Kinder auf ethnische Gruppen der Gegenseite an. Oder sie führen die Religion an, benutzen sie, sagen den Kindern, dass sie ins Paradies kommen, wenn sie an der Waffe dienen. Und diese Kinder, wissen nichts, aber auch gar nichts über ihre Religion.“
Burkina Faso - Fünf Putsche in den vergangenen acht Jahren
Auf Hilfe aus der Hauptstadt können die Kinder vorerst nicht hoffen. Dort gibt es andere Probleme. In Burkina Faso regiert das Militär. Der selbsternannte neue Anführer der Militärjunta in Burkina Faso, Ibrahim Traoré, hat Ende September mit einem Putsch die Macht übernommen. Er soll bis 2024 Übergangspräsident bleiben. Von der Lage in seinem Land scheint sich Traoré keine falschen Vorstellungen zu machen: „In Burkina Faso ist alles dringend. Von der Sicherheit, über die Verteidigung, die Gesundheit, Soziales - bis hin zur Infrastruktur. Alles ist dringend. Wir müssen uns beeilen.“
Fünf Putsche in den vergangenen acht Jahren und jetzt ein Hauptmann, der mit Anfang 30 Übergangspräsident wird. Die Menschen in der Hauptstadt setzen dennoch Hoffnung in Hauptmann Traoré, manche bescheinigen ihm Rückhalt in der Bevölkerung. Burkina Faso sei bis vor einigen Jahren einigermaßen stabil gewesen, konstatiert Ulf Laessing. Er leitet das Regionalprogramm Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung:
"Weil zum einen die Streitkräfte in einem viel besseren Zustand waren als jetzt. Der vielleicht wichtigere Grund, warum das Land so lange stabil war - dass der damalige Machthaber Compaoré inoffizielle Abmachungen mit Jihadisten gemacht hat. Denen wurde im Prinzip gesagt: Ihr könnt hier im Land bleiben, dürft aber hier keine Anschläge verüben. Das war die Abmachung.“
Eine Strategie, die fragwürdig erscheint, darüber hinaus heute für keine Stabilität mehr sorgt. Mit ein Grund, warum Übergangspräsident Traoré jetzt 50.000 Zivilisten für den Dienst an der Waffe gewinnen will. Sie sollen helfen, die Dörfer gegen Übergriffe zu verteidigen. Laessing ist gegen diese Maßnahme, Selbstverteidigungsmilizen seien Teil des Problems, so der Sahel-Experte. Mit Blick auf die weitere Entwicklung ist er pessimistisch:
„Das Land ist eigentlich praktisch verloren. Die Jihadisten haben wirklich schon angefangen, ähnlich wie in Mali, einen Parallel-Staat aufzubauen. Die kontrollieren ganze Landstriche und da helfen dann auch keine militärischen Möglichkeiten mehr. Um nur mal ein Beispiel zu nennen: Die heiraten in Dörfer ein, kontrollieren Goldminen und werden Teil der Dorfgemeinschaft.“
Mali: Frankreich und Deutschland ziehen sich nach Putschen zurück
Laessing stellt sich auf weitere schlechte Nachrichten ein, aus Burkina Faso und aus der Region. Beispiel: Mali. Auch hier folgte ein Putsch dem Nächsten, das Militär ist an der Macht. Hinzu kommt, dass Mali zunehmend die internationale Unterstützung verliert. Frankreich - ehemalige Kolonialmacht und langjähriger Antiterror-Partner - hat sich in diesem Sommer komplett aus Mali zurückgezogen. Die Bundeswehr wird ebenfalls abziehen, hat das unlängst verkündet. Der vollständige Abzug der Deutschen soll im Frühjahr 2024 abgeschlossen sein.
Die Gründe: Das Militär hat sich mehrfach an die Macht geputscht. Und: Das Verhalten der jetzigen Militärregierung gegenüber den westlichen Partnern und der UN-Mission stößt auf Kritik. Frankreich und auch die Bundesregierung werfen dem Militär vor, vor allem den UN-Einsatz MINUSMA, der das Land seit 2013 stabilisieren soll, massiv behindert zu haben.
Frankreich hatte zudem in einem eigenen Einsatz die Aufgabe übernommen, Terroristen zu jagen und zu töten - ohne nachhaltigen Erfolg. Immer wieder kommt es zu Anschlägen: auf die ausländischen Truppen, besonders auf die Zivilbevölkerung - ein Problem, das die über 12.000 Einsatzkräfte in mehr als zehn Jahren nicht bewältigen konnten. MINUSMA ist bis heute der gefährlichste Blauhelmeinsatz weltweit.
„Derzeit sieht es so aus, als ob Mali voll auf Russland setzt.“ So der Sahel-Experte Ulf Laessing im August 2022. Ungefähr zur selben Zeit, als Bamako der Bundeswehr Überflugrechte verweigerte, landeten dort Kampfhubschrauber und Militärflugzeuge aus Moskau. Der malische Übergangspräsident Assimi Goita schrieb auf seinem Twitter-Account, dass er sich telefonisch bei Russlands Präsident Putin für die fortdauernde Unterstützung bedankt habe.
Das Verhältnis zur einstigen Kolonialmacht Frankreich erreichte zu diesem Zeitpunkt dagegen einen erneuten Tiefpunkt – so brachte es der Sprecher der Übergangsregierung in Bamako, Oberst Abdoulaye Maiga, in einer Botschaft an Frankreichs Präsident Macron zum Ausdruck. Oberst Maiga kurz vor dem kompletten Abzug Frankreichs im August 2022: „Die Übergangsregierung fordert Präsident Macron dazu auf, endlich seine neokoloniale, paternalistische und verächtliche Haltung abzulegen und zu verstehen, dass die Malier am besten selbst für sich sorgen können.“
Die Malier und ihre neuen Alliierten aus Russland – so müsste es wahrscheinlich treffender heißen - darunter mutmaßlich Söldner der Gruppe Wagner, die auch in Mali für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden. Die Strategie der malischen Führung, stärker auf Russland zu setzen, hat sich bislang jedoch nicht ausgezahlt. Der Journalist und Buchautor Seidik Abba gegenüber dem französischen Fernsehsender TV5 Monde: „Ganz allgemein hat sich die Sicherheitslage verschlechtert. Es gibt mehr Angriffe, sie sind durchdachter, es gibt viel mehr Tote.“
Internationale Anstrengungen konzentrieren sich nun auf Niger
Und die Menschen in Mali haben, nicht anders als die in den beiden Nachbarländern, einen schwachen Staat. Sahel-Experte Thomas Schiller, vormals Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bamako: „Sie haben einen Staat, der komplett dysfunktional ist und der auch das Problem hat, dass die malischen Eliten, seien es Militärs, seien es Zivilisten, in den vergangenen Jahren ihre Verantwortung nicht übernommen haben.“
Die Folge: Westliche Staaten geben Stück für Stück die Partnerschaft mit der malischen Regierung auf. Das könnte sich jedoch als eine gefährliche und fatale Entscheidung herausstellen, so die Ansicht von Sicherheitsexperten, denn Extremisten könnten in diese Sicherheitslücke stoßen. Schon jetzt flüchten viele, vor allem aus dem unsicheren Norden Malis. Sollte sich die Situation insgesamt im Sahel weiter verschlechtern, warnen Experten vor stärkeren Fluchtbewegungen - auch nach Europa. Um das zu verhindern und die Sahel-Zone nicht komplett sich selbst zu überlassen, konzentrieren sich nun große Anstrengungen auf Malis Nachbarland Niger, wo sowohl die Bundeswehr als auch zahlreiche andere westliche Streitkräfte bereits präsent sind.
„Jeder ist derzeit in Niger und will seine Millionen loswerden für irgendwelche Hilfsprogramme, Partnerschaften, sonst was.“ Um erfolgreicher zu sein als in den rund zehn Jahren Mali-Einsatz und um von Niger aus Stabilität in die Sahel-Zone zu bringen, wollen sich vor allem die EU-Staaten stark engagieren. Ulf Laessing, Leiter des Regionalprogramms Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung:
„Aber es wird wenig untereinander geredet. Ich war kürzlich mal bei der Europäischen Union, die haben eine Ausbildungsmission für die Polizei, die fragten mich, ob ich wüsste, was die Italiener eigentlich gerade machen. Die Italiener haben gerade ein riesiges Militärcamp aufgemacht, wo sie auch Spezialtruppen ausbilden, ähnlich wie die Bundeswehr. Aber es wird wenig untereinander gesprochen, und es ist so ein bisschen die Gefahr, dass wir Niger auch überfordern. Das ist halt wenig Staat, und jetzt kommen da Millionen an Hilfsgeldern rein oder immer mehr westliche Staaten. Jeder will irgendwas machen.“
"Man sieht russische Flaggen eigentlich im ganzen Sahel"
Doch nicht nur der Westen ist in Niger mit Militär und Millionen-Budgets präsent - auch Russland: "Man sieht russische Flaggen eigentlich im ganzen Sahel - in Burkina Faso und auch in Niger. Ich glaube nicht, dass die Russen schnell in Niger Fuß fassen werden - die Regierung dort ist pro-westlich und hat überhaupt kein Interesse, mit den Russen zusammenzuarbeiten.“
Die Regierung hat daran kein Interesse und setzt auf westliche Verbündete - bei der Bevölkerung ist die Stimmung dagegen weniger eindeutig. Viele sind auf der Linie der Regierung, so die Angestellte Massaouda Jaharou: „Unser Land ist bedroht. Die Lage ist fast überall instabil. Ich denke, wir brauchen daher diese militärischen Kräfte aus dem Ausland. Das führt zu mehr Sicherheit an bestimmten Orten, und es kann dabei helfen, dass unsere Armee besser wird.“
Die Bundeswehr zum Beispiel bildet im Land Spezialkräfte aus und soll helfen, eine Militärschule aufzubauen. Es gibt aber auch viele Menschen in Niger, die die Präsenz ausländischer Truppen für falsch halten.
Der 38-jährige Lehrer Ismaiel Moussa: „Ehrlich gesagt, macht uns das Sorgen. Wir haben schon viele internationale Truppen hier und werden trotzdem von Terroristen angegriffen. Die ausländischen Truppen haben Technik, Drohnen, mit denen sie die Terroristen ausfindig machen können, aber davon hat unser Land nichts. Denn unsere nigrische Armee wird angegriffen, unsere Zivilisten werden getötet. Das können wir nicht hinnehmen. Ich weiß nicht, was die Truppen hier suchen. Vielleicht sind sie nur da, um uns unsere Ressourcen zu nehmen.“
Damit spielt Ismaiel Moussa zum Beispiel auf Nigers Uranvorkommen an - Brennstoff, der in Kernreaktoren verwendet wird. In der derzeitigen Energiekrise dürfte der besonders gefragt sein. Frankreich hatte fast 40 Jahre lang ein Monopol auf die Uranförderung in seiner ehemaligen Kolonie Niger. Es gibt Vorwürfe gegen französische Firmen wegen radioaktiver Kontaminierung - das hat die Menschen aufgebracht.
Sahel-Experte Ulf Laessing über seine jüngsten Besuche: „Es gibt auch in Niger ein sehr starkes, antifranzösisches Sentiment. Das habe ich selbst bei meinem letzten Besuch gemerkt. Mehrere Leute haben mich gefragt, wo ich herkomme. Ob ich Deutscher sei oder Franzose. Man sagt, man sei Deutscher – das ist in Ordnung, da ist das Verhältnis intakt. Da merkt man, dass schon ein großes Anti-Frankreich-Potenzial, eine Anti-Frankreich-Stimmung, da ist und Russland versucht, das auszunutzen.“
Sicherheitslage verschlechtert sich zunehmend
Im September gab es in Nigers Hauptstadt Niamey Demonstrationen, bei denen mehrere Hundert Menschen für Russland und gegen die westliche Präsenz im Land demonstriert haben. Auf Plakaten war zu lesen “Lang lebe Putin und lang lebe Russland” – andere richteten sich gegen die im Niger stationierten französischen Truppen: “Nieder mit Frankreich!” oder “Raus mit der Kolonialarmee!”.
Den nigrischen Sicherheitsanalysten Mahaman Sanoussi verwundert das nicht: „Die Frage des Sicherheitsmanagements in der Sahelzone - in Mali, Burkina Faso und Niger – sie erscheint paradox. Denn je mehr ausländische Armeen in der Sahelzone operieren, desto mehr verschlechtert sich die Sicherheitslage. Wir haben den Eindruck, dass sich Terrororganisationen an diese Militärbündnisse anpassen und über eine große Widerstandsfähigkeit verfügen. Da fragen sich die Menschen: Wie kann es sein, dass es Männern auf Motorrädern gelingt, so schlagfertig zu sein, obwohl die Zahl der ausländischen Streitkräfte weiter zunimmt? Und diese Frage führt zur nächsten Frage, nämlich, ob diese Streitkräfte überhaupt effektiv sind.“
Es scheint schwierig, wenn nicht unmöglich, die Sahel-Region als Ganzes zu kontrollieren und zu befrieden. Das ist auch nach rund zehn Jahren ausländischer Militärpräsenz und der Entsendung tausender Einsatzkräfte nicht gelungen – ein Vorhaben, das Abermillionen Euro verschlungen hat. Erfolg gibt es allenfalls im Kleinen.
70.000 Kindern ohne Zugang zur Bildung
In Ouallam - knapp 250 Kilometer südlich vom Dreiländereck - besuchen nigrische Kinder ein Schulzentrum. Die Einrichtung hat sich darauf spezialisiert, Schülerinnen und Schüler mit traumatischen Gewalterfahrungen aufzunehmen. Adamou Dari ist der Direktor des Zentrums: „Wir bieten Kindern neben dem offiziellen Curriculum auch psychosoziale Hilfe an. Sie richtet sich an Kinder, die enormen Stress erlebt haben. Wir wollen ihnen helfen, zur Ruhe zu kommen, Abstand zu gewinnen von bestimmten Problemen, die sie mitgebracht haben.“
„Bestimmte Probleme“ - das heißt ganz konkret: Erfahrungen mit extremer Gewalt. Eines der Kinder, Mariamba, hat der Nachrichtenagentur AFP berichtet, ihr Onkel sei Bürgermeister gewesen. Bei einem Überfall sei eine Bande von Jihadisten mit Motorrädern in ihr Dorf gekommen und habe ihn vor den Augen der Familie ermordet. Ein anderer Junge, Moussa, berichtet stolz, er habe jetzt keine Angst mehr vor Motorrädern, verstecke sich auch nicht mehr, sobald er eins hört.
Für den Pädagogen Morou Chaïbou ist das ein Erfolg: „Die Kinder sind von solchen Erlebnissen traumatisiert. Sie haben vielleicht gesehen, wie ihre eigenen Eltern vor ihren Augen erschossen worden sind. So etwas hinterlässt Spuren. Deswegen dürfen wir diese Kinder nicht allein lassen. Wir müssen ihnen helfen, ins normale Leben zurückzukehren.“
UNICEF und die Hilfsorganisation International Rescue Committee unterstützen drei Schulzentren in Ouallam, damit hier 1.600 Kinder Aufnahme finden können. Die Regierung in Nigers Hauptstadt Niamey spricht aktuell von etwa 17.000 Schülerinnen und Schülern, die sie wieder ins Schulsystem eingliedern konnte. Ermutigende Zahlen, doch sie stehen gegen eine Realität, die erdrückend ist: Laut UNICEF mussten zwischen 800 und 900 Schulen im Land schließen. Mehr als 70.000 Kindern fehlt damit jeglicher Zugang zur Bildung. Der größte Teil von ihnen lebt im Westen des Landes, in der Nähe des Dreiländerecks Niger, Mali, Burkina Faso - also inmitten der Sahel-Zone von Westafrika.