"Ich fühlte mich definitiv wie auf einer Autobahn der Eisberge. Als wir den ersten sahen, waren wir alle sehr aufgeregt, jeder fotografierte - dann kam der nächste Eisberg, dann der nächste, der nächste - und es wurde ziemlich langweilig."- Vivien Cummings war Teammitglied an Bord der "Joides Resolution". Das US-Bohrschiff sollte 700 Kilometer vor der Antarktis in der Amundsensee bohren - in rund 4000 Metern Wassertiefe. Das Ziel der Bohrung: Material zu liefern für die Rekonstruktion der Klimageschichte in diesem Teil der Antarktis:
"Bei den Anpassungsstrategien an den Klimawandel gehört der Meeresspiegelanstieg, der durch die abschmelzenden Eiskappen an den Polen verursacht wird, zu den großen Unbekannten."
Eisberge als Indikator für den Klimawandel
Dabei spielt der Westantarktische Eisschild eine besonders wichtige Rolle: Er sei die Achillesferse des Kontinents, erklärt Karsten Gohl vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut. Steigende Wassertemperaturen nagen an den großen Eisströmen, die aufs Meer hinaus fließen, die Schmelzraten haben sich seit 1992 fast verdreifacht. Besonders viel Eis verliert die Westantarktis in der Amundsensee: Das erklärt die vielen Eisberge, die verhindert haben, dass die Forscher ihr eigentliches Ziel erreichen konnten - also Sedimente zu erbohren, die in der Zeit vor 15 bis 30 Millionen Jahren entstanden sind, als sich der Eispanzer der Westantarktis bildete.
"Wegen der Eisberge hatten wir etwa 50 Prozent Ausfallzeit, deshalb konnten wir nur zwei Bohrungen durchführen. Trotzdem haben wir es geschafft, einen 794 und einen 387 Meter langen Bohrkern zu gewinnen."
Ein Blick in die Vergangenheit, ein Blick auf die Gegenwart
Die Sedimente in den Bohrkernen reichen sechs bis sieben Millionen Jahre weit zurück. Frühere Forschungen haben gezeigt, dass es in dieser Zeitspanne eine Phase gab, in der die Kohlendioxidgehalte in der Atmosphäre den heutigen glichen. Allerdings waren die globalen Mitteltemperaturen noch um zwei oder drei Grad höher.
Die Analyse der Bohrkerne aus der Amundsensee soll verraten, wie der Eispanzer der Westantarktis im Lauf der Jahrmillionen auf die Veränderungen im Klima reagiert hat: "Mit den Bohrkernen können wir die Klimaveränderungen mit einer Auflösung von tausend oder zweitausend Jahren rekonstruieren. Das ist - geologisch betrachtet - sehr genau, und wir hoffen herauszufinden, wieviel der westantarktische Eisschild in vergangenen Warmzeiten zum Meeresspiegelanstieg beigetragen hat."
Ein Zusammenbruch des Eisschildes hätte dramatische Folgen
Dazu müsste man wissen, wie stark der Eisschild in den warmen Phasen abgeschmolzen ist - und das lässt sich an den Tiefseesedimenten der Amundsensee ablesen. Sie archivieren, was passiert ist, verraten anhand typischer Sedimente, ob die Eismassen vorstießen oder das Meer offen war:
"Wir können bereits sagen, dass sich der zentrale Teil des Westantarktischen Eisschilds in den vergangenen Jahrmillionen immer wieder weit aufs Meer hinaus ausgedehnt hat, um sich dann wieder zurückzuziehen. Es gab kurze Phasen mit vorstoßendem Eis und lange, in denen es sich zurückgezogen hat und in denen das Gebiet ziemlich eisfrei war."
Wie lange diese Zyklen genau dauerten, müssen die Auswertungen noch zeigen. Dann wird sich, so hoffen die Forscher, auch erweisen, ob der Eisschild während der Warmzeiten ganz zusammenbrechen konnte. Würde der Mensch das auslösen, würde er einen Anstieg des Meeresspiegels um drei bis sechs Meter verursachen.