Kurios, was sich im Westindischen Ozean seit über einem Jahrhundert abspielt. So urteilen die Autoren der neuen Studie. Bisher vernachlässigte die Wissenschaft das Seegebiet zwischen der afrikanischen Küste und dem indischen Subkontinent bis hinunter vor Madagaskar. Doch das könnte sich jetzt ändern. Der Klimaforscher Roxy Mathew Koll vom Indischen Institut für Tropische Meteorologie:
"Wir haben die Entwicklung der Meeresoberflächen-Temperaturen in den letzten mehr als hundert Jahren untersucht. Und festgestellt: Am stärksten hat sich der Indische Ozean in seinem westlichen Teil erwärmt. Und nicht etwa im Zentrum und Ostteil, wo er seinen sogenannten Wärme-Pool hat. Die Temperatur im Westen ist kontinuierlich gestiegen - um 1,2 Grad Celsius seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Damit ist die Erwärmung stärker als in jedem anderen tropischen Ozean. Und sie hält weiterhin an."
Möglicher Einfluss auf das Wetter der gesamten Tropenregion
Im Zentralen und Ostindischen Ozean stieg die Temperatur dagegen um 0,7 Grad Celsius - also nur etwas mehr als die Hälfte. Weil sich das Meeresbecken im Westen so stark erwärmt hat, ist auch das Temperaturgefälle zum angrenzenden afrikanischen Kontinent kleiner geworden. Roxy Mathew Koll kann sich vorstellen, dass dadurch das Wetter der gesamten Tropenregion beeinflusst wird:
"Starke Auswirkungen könnte das auf den Monsun haben. Seine treibende Kraft ist der Temperatur-Unterschied zwischen dem wärmeren Land und dem kälteren Meer im Sommer. Schrumpft er zusammen, wird nicht mehr so viel feuchte Luft Richtung Osten nach Südasien transportiert, wo über eine Milliarde Menschen auf den Monsun-Regen angewiesen sind. Tatsächlich gibt es Daten, die zeigen, dass die Monsun-Regenfälle in Pakistan, Zentralindien und Bangladesch erkennbar abgenommen haben."
Der Westindische Ozean ist eine Region, in der immer wieder kühles, nährstoffreiches Wasser bis an die Oberfläche aufsteigt, weil starke Winde vor Somalia das Meer kräftig durchmischen. Das steigert die sogenannte Primärproduktion, also das Wachstum von Algen und anderen Meeresorganismen am Fuß der Nahrungskette. Von ihnen leben letztlich auch die Fischschwärme im Ozean.
Biologische Produktivität wird reduziert
Doch auch die Primärproduktion könnte in Folge der starken Erwärmung des Oberflächenwassers zurückgehen. Kolls Arbeitsgruppe untersucht das jetzt näher.
"Wenn sich das Meer an der Oberfläche stark erwärmt, behindert das die Durchmischung des Wassers. Man bekommt dann eine warme Schicht an der Oberfläche, die sich über das kühlere, tiefere Wasser legt und die Nährstoffe nicht mehr nach oben gelangen lässt. Das kann die biologische Produktivität in diesem Meeresabschnitt reduzieren.
Am Ende haben dann womöglich auch Fische in dem Seegebiet weniger Futter. Vor gut zehn Jahren kümmerte sich noch kaum ein Klimaforscher um den Indischen Ozean. Heute weiß man, dass er am stärksten zum laufenden Temperaturanstieg in den Weltmeeren beiträgt. Und nicht etwa der viel größere Pazifik. Die Auswirkungen sind auch anderswo zu spüren, durch Fernwirkungen in der Atmosphäre. Weiqing Han, gebürtige Chinesin und Professorin für Atmosphäre und Ozean an der Universität von Colorado in den USA:
"Der wärmere Indische Ozean führt immer dann, wenn der Pazifik in einer natürlichen Kaltphase steckt, zu Dürren in vielen Weltregionen. Zum Beispiel in den USA und im Mittelmeer-Raum. Wir sollten uns den Indischen Ozean auf jeden Fall genauer ansehen. Wir können ihn nicht ignorieren!"
Bleibt noch die Frage, warum sich der Indische Ozean so stark erwärmt? Zum Teil habe das mit natürlichen Prozessen zu tun, sagt Roxy Mathew Koll. Aber:
"Der natürliche Anteil ist eher gering. Das ganze Ausmaß der Erwärmung im Indischen Ozean kann man nur dadurch erklären, dass der Mensch das Klima verändert."