Keine Werbung für Glücksspielanbieter bei der Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland: Der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen würde das begrüßen. Burkhard Blienert (SPD) unterstrich im Dlf, "der große Scheinwerfer einer Europameisterschaft" sorge für den Anlass, den Blick nochmal auf eine strengere Regulierung von Werbung für Sportwetten zu legen.
Glücksspielstaatsvertrag: Sportwetten in Deutschland legal
In Deutschland sind Sportwetten und ihre Bewerbung legal. Im neuen Glücksspielstaatsvertrag 2021 hatten sich die Bundesländer erst auf eine Reform für einheitliche Vorgaben und eine strengere staatliche Aufsicht geeinigt.
Werbung für Glücksspiel wird zumindest in zwei anderen EU-Ländern um einiges strenger gehandhabt. So ist sie in Italien komplett untersagt und in Spanien stark eingeschränkt, weil nur nachts erlaubt. Dabei sind Sponsorenverträge von Glücksspielanbietern mit Sportmannschaften aber ganz verboten.
Für Blienert sind diese Länder "Vorbilder" für Deutschland. Er erklärt: "Wir haben in den letzten Jahren über den Glücksspielstaatsvertrag eine Art von Kanalisierung von legalen Sportwetten. Und gleichzeitig aber erkennen müssen, dass wir in Deutschland mehr als vier Millionen Menschen haben, die eine Glücksspielstörung haben, also entweder problematisches Spielverhalten zeigen oder glücksspielsüchtig sind."
Keine genauen Zahlen zu Sportwettsüchtigen in Deutschland
Aktuell liegen keine Zahlen vor, wie viele Personen in Deutschland sportwettsüchtig sind. Schätzungen bewegen sich mal im fünf- und mal im sechsstelligen Bereich. Die Deutsche Suchthilfe spricht in ihrem Jahresbericht 2022 davon, dass etwa ein Drittel der Sportwetter Anzeichen einer Glücksspielstörung zeigen.
Kinder und Jugendliche für Blienert besonders vulnerabel
Auch kommen Studien zur Werbewirkung auf Verbraucherinnen und Verbraucher zu uneinheitlichen Ergebnissen. Blienerts Wahrnehmung ist dabei die folgende: "Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ist der frühe Kontakt über Werbung, diese permanente Verfügbarkeit und Normalität, die damit ausgedrückt wird, ein Hebel, der auch wissenschaftlich belegt ist."
Das heiße für ihn: "Nicht vor 23 Uhr Werbung, die sich auch an Kinder und Jugendliche richtet, weil sie zu dieser Zeit Medien konsumieren. Alles, was sowieso für Minderjährige verboten ist, sollte nicht vor 23 Uhr gezeigt werden."
Blienert wähnt Großteil der Bevölkerung hinter sich
Der Rückendeckung der Bevölkerung ist sich Blienert nach einer Befragung sicher: "Wir haben die Bevölkerung gefragt, was sie von Werbung und Sponsoring für Alkohol, Tabak und Sportwetten, halten. Über 70 Prozent der Menschen hätten überhaupt kein Problem damit, wenn wir auf Werbung für problematische Stoffe wie Alkohol und Tabak, aber eben auch Glücksspiel, verzichten würden."
Die Befragung sei nach Blienerts Aussage repräsentativ gewesen. "Insofern kann ich mich drauf verlassen, dass wir mehr als ein Stimmungsbild haben."
Sport als positiv belegtes Werbeumfeld
Für den Suchtbeauftragten der Bundesregierung spielt der Sport als Werbeumfeld eine besondere Rolle für "problematische Produkte" wie Glücksspiel. "Sport ist immer positiv belegt, hat mit Lebensfreude, mit Gemeinschaft zu tun. Und Werbung will das auf diese Produkte übertragen." Zudem seien Sportwetten für viele besonders reizvoll, "weil man sich doch angeblich in seinem Wissen zu Hause fühlt und als Profi empfindet".
Wichtige Sponsorenverträge: Widerstand aus der Sportwelt?
Doch wie realistisch ist eine Einschränkung der Glücksspielwerbung nach den Vorstellungen Blienerts? "Wir befinden uns in der Debatte noch am Beginn, deshalb gehe ich davon aus, dass wir mehr als diese Legislaturperiode brauchen", schätzt der 57-Jährige die Chancen auf eine schnelle Einigung der Länder als gering ein.
Und viele Sportverbände und -vereine dürften Blienerts Haltung nicht unbedingt teilen. Denn die Sportwetten-Industrie bringt viel Geld in Form von Sponsorings und Werbepartnerschaften ein. Blienert hofft auf Einsicht: "Es ist vielen heutzutage glaube ich offensichtlich, dass gesellschaftspolitische Debatten auch vor Sport nicht Halt machen, sondern dort hingehören."