Nein, Sahm Adrangi ist keiner, der in Gummistiefeln und Parka gegen Umweltverschmutzung protestiert. Oder durch die Berge wandert. Der drahtige 37-Jährige mit den dunklen Locken ist ein aggressiver Wall Street Finanzier, der neben einem halben Dutzend Mitarbeitern in einem unscheinbaren Büro über der 6th Avenue in Manhattan vor seinem Computer hockt, um die Aktienkurse zu verfolgen – und neuerdings Dankesbriefe von Indianerstämmen aus Alaska erhält.
Der Grund: Ein Feldzug seines 160 Millionen Dollar schweren Hedgefonds Kerrisdale Capital, den der Spekulant vor acht Jahren in seiner Wohnung gegründet hat, gegen Northern Dynasty Minerals, ein Minenunternehmen in Kanada. Adrangi argumentiert streng ökonomisch:
"Die Erzvorkommen sind wirtschaftlich nicht rentabel, denn sie sind von zu niedriger Qualität, die Investitions- und Betriebskosten aber sind zu hoch."
So fasst Adrangi in seinem Konferenzzimmer den 22 Seiten langen Bericht zusammen, den sein Hedgefonds im Februar ins Netz stellte. Darin behauptet er, dass die Aktien von Northern Dynasty "wertlos" sind.
Und das, obwohl sich der Aktienpreis des Unternehmens seit der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA mehr als vervierfacht hatte. Das Management war sich nämlich sicher, dass es von der Trump-Regierung die von Obama verwehrte Genehmigung zum Bau einer riesigen Goldmine in einem der letzten großen Wildnisgebiete von Alaska bekommt und Milliardengewinne macht. Bis Kerrisdale Capital es eines Besseren belehrte.
Noch am gleichen Tag, als der Bericht veröffentlicht wurde, brach die Aktie von Northern Dynasty um 40 Prozent ein – ein großer Erfolg für Kerrisdale: ein Shortseller - oder Leerverkäufer - , der beißende Analysen über Unternehmen erstellt und von dem Kursrutsch, den er auslöst, profitiert.
Dass Northern Dynasty sich über Kerrisdales Kritik und "mangelndes Verständnis beschwert", scheint Adrangi nicht weiter zu stören. Ebenso wenig wie die Klage, seine Firma habe die Aktion ausgeführt, um Spekulationsgewinne auf Kosten der Aktionäre zu machen. Sahm Adrangi sieht das gelassen:
"Wir brauchen auf diese Beschuldigungen überhaupt nicht einzugehen, denn das hat schon der Markt getan, als der Aktienpreis der Firma nach der Veröffentlichung ihrer Pressemitteilung weiter nach unten ging. Das ist der Beweis, dass ihre Argumente nicht ausreichend überzeugen."
Während Northern Dynasty sich in Schadensbegrenzung übt, bereiten Adrangi und seine Mitarbeiter bereits einen neuen Angriff vor – und wollen ihn noch effektiver machen. Der Hedgefonds-Leiter zeigt auf ein Kamerastativ, das neben ihm im Konferenzzimmer steht.
"Wir haben die Hälfte unseres Konferenzzimmers in ein Filmstudio verwandelt," erklärt er. "In Zukunft wollen wir Videos machen, damit wir uns noch mehr Gehör verschaffen können, wenn wir eine tolle Idee haben."
Leerverkauf ist keineswegs eine ungefährliche Strategie
Der im Iran geborene Kanadier weiß: Leerverkauf ist keineswegs eine ungefährliche Strategie. Sie geht nur auf, wenn der Kurs einbricht. Dann kann er die Aktien, die er sich ausgeliehen und wieder verkauft hat, zu einem niedrigeren Kurs zurückkaufen und an den Verleiher zurückgeben – mit Gewinn.
Adrangi selbst warnt vor schlimmen Folgen, wenn es anders kommt: "Leerverkäufe sind sehr gefährlich, denn es kann jederzeit passieren, dass sich der Aktienpreis auf einmal verzehnfacht und Leerverkäufer viel Geld verlieren. So wie 2008, als sie auf Kursverluste von Volkswagen setzten und der Aktienpreis auf einmal in die Höhe schoss."
Neun weitere Aktionen gegen überbewertete Unternehmen plant Adrangi in diesem Jahr. Ein lukratives Geschäft: Seit seiner Gründung 2009 erzielte der Hedgefonds laut eines Briefes an Investoren trotz immer kleiner werdender Gewinne bis Mitte letzten Jahres im Schnitt eine Nettorendite von über 40 Prozent pro Jahr.
Adrangi glaubt, dass er aufgrund der guten Leistungen konkurrenzfähig bleibt– obwohl er eine Management-Gebühr von zwei und eine erfolgsabhängige Gebühr von 20 Prozent verlangt.
"Die Trump-Wahl hat eine Rally in bestimmten Aktien und Branchen ausgelöst"
Einen Ausrutscher darf er sich aber nicht erlauben, warnt aber Marco Avellaneda, ein Finanzexperte an der New York Universität: "Money Management kann sehr grausam sein. Man muss recht haben und vom Glück begünstigt sein. Man muss Kapital erhalten und darf nicht zu viel ausgeben. Und wenn man das Geld von Kunden verliert, kann es sein, dass sie nie wieder mit einem sprechen."
Außerdem genießen Leerverkäufer einen schlechten Ruf – aber zu Unrecht, sagt Ron Geffner, ein Hedgefonds-Rechtsanwalt bei der New Yorker Kanzlei Sadis Goldberg: "Leerverkäufer können mit ihren Aktionen an der Börse gehandelten Unternehmen schaden, die Steuern bezahlen und Angestellte beschäftigen. Aber sie können auch Informationen ins Licht der Öffentlichkeit rücken, die von der Regierung übersehen werden. Wenn sie mit ihren Berichten falsch liegen, verlieren sie viel Geld."
Ein Argument, das Adrangi gefällt. Er ist fest davon überzeugt, dass sein Hedgefonds unter der Trump Regierung noch viele Unternehmen als Luftnummern enttarnen wird: "Die Trump-Wahl hat eine Rally in bestimmten Aktien und Branchen ausgelöst. Leider kaufen die Leute erst, bevor sie Fragen stellen. Jetzt gehen die Kurse dieser Aktien nach oben, ohne dass sich etwas grundlegend verändert hat. Was uns die Möglichkeit bietet, neue überbewertete Unternehmen zu finden."
Und zwar nicht nur solche, welche die Umwelt verschmutzen.