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"Man geht von mehr Extremen durch den Klimawandel aus"

Die aktuellen Extremwetter - Kälte in den USA, Überschwemmungen in Großbritannien und milder Winter in Deutschland - hingen alle miteinander zusammen, sagte Thomas Deutschländer vom Deutschen Wetterdienst im DLF. Das liege wahrscheinlich daran, dass sich die Arktis besonders stark erwärme.

Thomas Deutschländer im Gespräch mit Jule Reimer | 21.02.2014
    Jule Reimer: Die Meldungen und Bilder von Schneebergen in New York, Dürre in Kalifornien und überschwemmungsgeplagten Briten, die bis zur Hüfte im Wasser über Straßen waten, sind in den letzten Tagen seltener geworden. Aber die Wetterlage hält an. Frage an Thomas Deutschländer vom Deutschen Wetterdienst, wenn wir erst mal auf der Nordhalbkugel dieser Erde bleiben: Hängen die Kältewelle in den USA und die Überschwemmungen in Großbritannien eindeutig zusammen?
    Thomas Deutschländer: Ja, im Wesentlichen schon. Die sind auf jeden Fall eng miteinander gekoppelt, und das liegt daran: dadurch, dass die kalte Luft vom Nordpol immer wieder den nordamerikanischen Kontinent heimsucht, wird die Wetterküche Europas, also der Nordatlantik, angekurbelt. Die Tiefdruck-Aktivität ist ausgesprochen hoch und das sorgt dann dafür, dass es auf den britischen Inseln sehr stark regnet, es erhebliche Niederschläge gibt, und es sorgt auch dafür, dass bei uns dieser extrem milde Winter zurzeit herrscht.
    Reimer: In den USA tagt derzeit in Chicago der weltgrößte Wissenschaftsverband, AAAS, und dort thematisieren Wissenschaftler eine bestimmte Luftströmung, den Jetstream, der die Großwetterlage zwischen Europa und den USA bestimmt, und da kam die These auf, die Erwärmung der Arktis, wiederum ausgelöst durch den Klimawandel, würde genau diese Großwetterlage, diesen Jetstream verändern.
    Deutschländer: Ja, richtig. Die Theorie dazu ist die, das geht genau in das, was ich gerade gesagt habe: Dadurch, dass sich die Arktis besonders stark auch gegen den Rest der Welt erwärmt, geht man davon aus, dass sich der sogenannte Arktische Wirbel, der Polarwirbel, der mit Kaltluft gefüllt ist, häufiger aufspaltet und dann auch weiter nach Süden auf der Nordhalbkugel vorankommt, als er das früher eventuell getan hat. Das wiederum sorgt dann auch dafür, dass der Jetstream besonders stark ausgeprägt und auch besonders mäandrierend auf der Nordhalbkugel besonders weit nach Süden ausgreift. Das treibt die Zirkulation an und führt auch dazu, dass so starke Kältewellen, wie das jetzt über dem nordamerikanischen Kontinent der Fall ist, auftreten können und auch lange auftreten können, da diese Situation sehr stabil ist, diese Großwetterlage.
    Reimer: Können Sie denn eine Verbindung zwischen der Klimaerwärmung, dem tatsächlich erfolgten Anstieg der Erdtemperatur, und diesen Wetterextremen herstellen?
    Deutschländer: Ja, das kann man im Prinzip schon. Gerade diese Wetterextreme sind wohl schon auch auf die Erwärmung der Erde zurückzuführen, weil - ich habe es ja gerade ausgeführt - insbesondere die Arktis erwärmt sich besonders stark, und das hat dann die eben schon genannten Folgen. Da kann man wohl schon einen Zusammenhang sehen. Das ist natürlich nicht hundertprozentig sicher. Die Klimaforschung ist immer noch ein bisschen mit Unsicherheit verbunden. Aber man sollte schon davon ausgehen, dass es so ist.
    "Das Klima hat eine sehr hohe Variabilität"
    Reimer: Auch wenn Schwellenländer wie Brasilien, Indonesien oder vor allem China in den letzten Jahren wirtschaftlich und damit auch beim CO2-Ausstoß sehr zugelegt haben, in der Summe geht ja die Hauptmenge der menschengemachten Treibhausgas-Emissionen bislang immer noch auf die Industriestaaten im Norden der Welt zurück. Ist vor diesem Hintergrund, auch was Sie erläutert haben, die Anklage, die auf den Philippinen geäußert wurde, in dem Beitrag, den wir zuvor hörten, gegenüber den Industriestaaten in Sachen Verantwortlichkeit für so einen Taifun wie Haiyan gerechtfertigt?
    Deutschländer: Wenn man das allein auf einen Taifun bezieht, ist es immer schwierig, denn es ist ganz klar: das Klima hat eine sehr hohe Variabilität, also Veränderlichkeit. Es gab auch früher schon starke Stürme und es ist deswegen immer ganz schwer zu sagen, ein bestimmter Sturm wäre jetzt ohne den Klimawandel nicht passiert. Aber was man schon sehen muss - und da muss man natürlich aufpassen: man geht von mehr Extremen durch den Klimawandel aus in vielerlei Hinsicht. Bei tropischen Wirbelstürmen ist es übrigens gar nicht ganz so klar erwiesen. Da gibt es Forschungsergebnisse, relativ viele auch, die sagen, die Anzahl der tropischen Wirbelstürme dürfte wahrscheinlich etwa unverändert bleiben, auch in Zukunft, aber deren Intensität könnte zunehmen.
    Es gibt aber auch einige, eher weniger, noch neue Forschungsergebnisse, die dann sogar sagen, es könnte sogar sein, dass sich die atmosphärischen Bedingungen so verändern, dass tropische Wirbelstürme zukünftig seltener auftreten werden. Das ist noch nicht ganz klar. Trotzdem sollte man natürlich sehen, insbesondere allgemein: Wetterextreme dürften wohl durch den Klimawandel zunehmen, und da sind natürlich Regionen in den tropischen Bereichen, die ohnehin schon wesentlich heftigere Extrem-Ereignisse haben, als wir hier in Deutschland zum Beispiel haben, dort brodelt die Wetterküche einfach ganz anders als hier in unseren Bereiten, dass die dann natürlich auch möglicherweise besonders stark betroffen sind. Und was ganz klar ist, das ist mir in dem Beitrag eben auch aufgefallen: Zu dem Meeresspiegel kann man klar sagen, das hat mit dem Klimawandel zu tun.
    Reimer: Vielen Dank für diese Informationen an Thomas Deutschländer vom Deutschen Wetterdienst.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.