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Wetter
Woher die Hitzewelle kommt

Tagelang Hitze und kaum Abkühlung: In ganz Deutschland halten sich Temperaturen von über 30 Grad. Der Klimaforscher Christian Grams erklärte im Dlf, woher die heiße Luftmasse kommt - und warum die angesagten Spitzentemperaturen von 40 Grad nicht geknackt wurden.

Christian Grams im Gespräch mit Britta Fecke |
Hitzewelle: Ein Thermometer am Hamburger Rathaus zeigt 36 Grad Celsius an.
36 Grad und mehr: Ganz Deutschland schwitzt derzeit. (picture alliance / dpa / Bodo Marks)
Britta Fecke: Vom Klima zum Wetter. Wir haben Sommer und da ist es auch schon mal heiß. Dennoch – und so kommen wir vom Wetter zum Klima – häufen sich auf der längeren Zeitachse betrachtet diese Wetterereignisse: lange und stabile Hochdruckgebiete, die uns in Mitteleuropa glauben machen, wir sind gerade im Sommer auf Sizilien. Warum diese Hitzeperioden in unseren Breiten häufiger und länger auftreten, beschäftigt auch die Wissenschaftler des Karlsruher Institut für Technologie. Ich bin nun verbunden mit Dr. Christian Grams. Er ist Leiter der Forschungsgruppe großräumige Dynamik und Vorhersagbarkeit an eben diesem genannten Institut. Herr Grams, ist es die heiße Luft aus Algier, die uns in Karlsruhe, Köln oder auch Brandenburg zurzeit schwitzen lässt?
Christian Grams: Guten Tag, Frau Fecke, nach Köln! – Ja, das mag in erster Linie auf der Hand liegen. Aber tatsächlich ist die Atmosphäre etwas komplizierter und es mag verwundern, aber der Ursprung dieser heißen Luftmasse liegt im Ostsee-Raum und in Südskandinavien. Die war dort am Samstag noch auf ungefähr zwei Kilometer Höhe mit einer Temperatur von nur zehn Grad und ist auf einem weiten Bogen über Polen und die Tschechische Republik zu uns nach Süddeutschland geströmt. Das Entscheidende dabei ist, dass sie abgesunken ist von zwei Kilometer Höhe in die bodennahe Schicht unterhalb von einem Kilometer, und bei diesem Absinken erwärmt sich die Luft je 100 Meter um ein Grad. Das gibt dann 10 bis 20 Grad höhere Temperatur, so dass wir schon ein Level von 20 bis 30 Grad erreichen. Zusätzlich heizt sich dann die Luft noch bodennah auf, wenn sie über die überhitzte Erdoberfläche kommt, da wir wolkenfreie Verhältnisse haben. Aber es ist jetzt nicht so, dass die Sahara-Luft gar keinen Einfluss hat, nämlich in höheren Luftschichten, in drei bis fünf Kilometer Höhe, ist tatsächlich eine mächtige, staubgefüllte Sahara-Luftmasse zu uns geströmt.
Sahara-Staub mindert Temperaturen
Fecke: Warum kommt es in Mitteleuropa gefühlt oder tatsächlich immer häufiger zu diesen sehr lang anhaltenden und stabilen Hochdruckgebieten?
Grams: Die ursächliche Frage ist Gegenstand aktueller wissenschaftlicher Forschung. Da gibt es noch kein einheitliches Bild. Es gibt verschiedene Theorien. Aber wir können tatsächlich feststellen, dass in den letzten Jahren es häufiger solche Hochdrucklagen gab und dass diese ganz klar mit Hitzewellen zusammenhängen. Das liegt einfach an diesem Mechanismus, dass wir in einem Hochdruckgebiet starkes Absinken haben. Wenn wir Luftmassen von Süden nach Norden transportieren, verstärkt dies das Hochdruckgebiet und es kommt zu einem Absinken und dieser Entstehung warmer Luft nahe der Erdoberfläche.
Fecke: Sie haben es gerade schon ganz kurz angesprochen: Es gibt diese Sahara-Stäube, die jetzt mit der heißen Luft, die vielleicht eher aus der Ostsee kam, aber dennoch herüber kam. Welche Wirkung hat dieser Staub oder auch andere, in der Luft gelöste Partikel auf die Hitze am Boden?
Grams: Die Luftmasse kam wie gesagt in drei bis fünf Kilometern Höhe zu uns und hat zum Beispiel im Alpenraum auch direkt Temperaturrekorde auf den Gipfeln gebracht. Aber am Boden hat das einen Effekt, dass diese Staubpartikel die Einstrahlung abschirmen. Das heißt, wir konnten sehen, dass wir aktuell zehn Prozent weniger Einstrahlung haben, und das dimmt quasi auch die Erwärmung von der Erdoberfläche her. So haben wir Maximaltemperaturen erreicht, die doch erst mal ein bis zwei Kilometer unter den Prognosen lagen.
Strahlungseffekt wird in Vorhersagen nicht berücksichtigt
Fecke: Das liegt jetzt daran, dass der Staub ein bisschen die Sonneneinstrahlung verhindert?
Grams: Ja! Es ist wie eine schwache Abdunkelung der Atmosphäre. Dieser Strahlungseffekt wird aktuell in den normalen Wettervorhersage-Modellen nicht berücksichtigt – einfach, weil es Rechenzeit-intensiv ist und diese Rechenzeit-Kapazitäten nicht da sind. Jedoch betreibt hier die Arbeitsgruppe Spurenstoff-Modellierung zusammen mit dem Deutschen Wetterdienst eine voroperationelle Version eines neuen Modellsystems, das diesen Staubeffekt berücksichtigt. Wir konnten sehen, dass in diesen Vorhersagen der Staubtransport bereits zehn Tage vorher vorhergesagt war, und auch der Strahlungseffekt. Wir sahen, dass die Maximaltemperaturen dort ungefähr ein bis zwei Grad niedriger lagen, was jetzt letztlich auch gestern eingetroffen ist. Wir hatten nicht die 40 Grad geknackt, wie es Anfang der Woche noch hieß.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.