"Wir machen jetzt 'ne kleine Testfahrt. Der Microcontroller, also der kleine Rechner, der ist ein bisschen größer als eine Zigarettenschachtel, Die GPS-Maus auf dem Armaturenbrett, die ist wie 'ne Streichholzschachtel, nur rundlich. Und der optische Sensor ist vielleicht so groß wie ein Fünf-Mark-Stück, klebt von hinten an der Windschutzscheibe. Und alles ist durch Kabel verbunden."
Daniel Fitzner hat nicht nur viel Zeit und Kraft in ein Forschungsprojekt an der Universität Hannover gesteckt. Sondern auch noch sein Privatauto mit eingebracht. Fast vier Jahre lang war es eine rollende Messstation:
Genauer gesagt war Fitzners Skoda ein Regen-Auto. Denn so hieß das gemeinsame Projekt von Hannoveraner Hydrologen und Geoinformatikern: Raincars.
"Man kann noch nicht so hochgenau in der Fläche Regen bestimmen, wie man es eigentlich möchte. Und da war die Idee. Warum nicht einfach 'mal Autos ausprobieren, die ja eh schon irgendwie Regen messen. Die fahren 'rum, und wenn die Scheibenwischer an sind, weiß man, es regnet. Und wenn sie aus sind, weiß man, es regnet nicht. Und das haben wir untersucht."
Autos als Datensammler
Bis zu zehn Autos waren zeitweilig als Datensammler unterwegs, darunter auch Taxis aus Hannover. An ihre Scheibenwischer hefteten die Forscher kleine Magneten. Und im Fahrzeuginneren, an der Windschutzscheibe, befestigten sie Magnetfeld-Sensoren. Die registrierten genau, wann die Wischer liefen und mit welcher Frequenz: langsam oder schnell.
Daten, aus denen sich ableiten lassen sollte, an welchen Fahrzeugstandorten es gerade regnet. Und ob es dort nur nieselt oder schüttet ...
"Stellen Sie sich 'mal vor, Sie haben ein Flusseinzugsgebiet. Alles, was da runterkommt an Regen, fließt in einen Fluss. Und stellen Sie sich vor, Sie wollen jetzt wissen: Tritt der Fluss vielleicht über die Ufer? Dann müssen Sie wissen: Wie viel ist in dieses Flusseinzugsgebiet reingefallen? Und stellen Sie sich weiter vor, Sie haben da keine Regenstation in diesem Flusseinzugsgebiet. Wie wollen Sie feststellen, wie viel Regen da runtergekommen ist?"
Autos könnten da die Lückenfüller sein und fehlende Daten per Mobilfunk direkt an den Wetterdienst liefern. Dass das prinzipiell ginge - davon ist Daniel Fitzner nach vier Projektjahren überzeugt:
"Wir haben uns nicht mit einem operationellen System beschäftigt, sondern mit Grundlagenforschung. Wir wollten im Projekt erst mal herausfinden: Da hat jetzt jemand 30mal gewischt in der Minute - im Durchschnitt entspricht das der und der Regenmenge. Damit hat man dann eine Regenmengen-Messung durch ein Auto."
Auf dem Prüfstand im Labor klappte das sehr gut. Denn da ließen die Forscher definierte Regenmengen auf die Autoscheibe prasseln, die sie genau kannten. Und kamen zu einer allgemeinen Formel, die sie Wischer-Regen-Beziehung nennen. Draußen auf der Straße aber war alles anders:
"Ich würde nicht sagen, dass es gescheitert ist. Da ist natürlich die Schwierigkeit, dass man den wahren Regen an der Autoposition nicht kennt. Ein großer Einfluss ist auch die Auto-Geschwindigkeit. Je schneller man fährt, desto mehr kommt dann natürlich auf die Windschutzscheibe. Das können wir jetzt schon ganz gut alles rausrechnen sozusagen. Aber viele andere Faktoren, die da eine Rolle spielen: Abschattung durch Häuser, Bäume, Windrichtung - das müsste man noch großflächiger mit mehr Autos testen."
Es bleibt bei der Grundlagenforschung
Allerdings: Raincars endet jetzt erst einmal, und Daniel Fitzner schreibt seine Doktorarbeit darüber. Pläne für ein Anschlussprojekt gebe es nicht, sagt Monika Sester, Professorin für Kartografie und Geoinformatik an der Universität Hannover:
"Von unserer Seite bleibt's bei der Grundlagenforschung. Andererseits: Diese Möglichkeit, mit Sensoren, die eigentlich nicht für diesen Zweck gedacht sind, dennoch etwas zu erreichen - das ist etwas, was momentan sehr im Schwange ist. Man nennt das heutzutage auch Citizen Science: dass eben viele Menschen Informationen erfassen, die dann zu einem Mehrwert führen."
Aus Autos mobile Regenstationen zu machen – technisch wäre das ein Klacks:
"Also, im Grunde sind die Autos schon ausgestattet mit Wischfrequenz-Sensoren. Jedes Auto hat einen elektronischen Bus. Alle Autodaten liegen da in Bits und Bytes vor. Und da kann man sich rausziehen, was einen interessiert."
Man bräuchte also lediglich einen zusätzlichen Funksender, der die Daten übermittelt ...
"Wir brauchen noch eine Minute. Dann sind wir wieder am Institut."
Doch ob Auto-Kolonnen jemals die weißen Flecken der Regenmessungen auffüllen werden, ist auch nach Abschluss von Raincars ungewiss. Ein konkretes Interesse bei Autoherstellern oder Meteorologen haben die Hannoveraner offenbar nicht geweckt. Die Aussichten sind also eher bewölkt.
Bei der jüngsten Testfahrt fiel übrigens kein einziger Tropfen Regen. Was so klingt, war nur die Klimaanlage:
"Sonst regnet es nicht so selten in Hannover. Das sagen insbesondere unsere süddeutschen Kollegen."