Britta Fecke: Wer in diesem Jahr Zug gefahren ist, wurde bisher weniger durch streikende Lokführer als durch gekappte Oberleitungen an der Weiterfahrt gehindert. Lang anhaltende Regenfälle und heftige Stürme hatten immer wieder Bäume entwurzelt, die dann auf Gleise und Oberleitungen stürzten. Gewitter und Starkregen-Ereignisse treten seit Jahren in Deutschland immer häufiger auf. Zudem steigt auch die Zahl der extrem heißen Tage und der sogenannten tropischen Nächte. Mit welchen Wetterextremen wir in Zukunft rechnen müssen, wie sich die Folgen des Klimawandels auf Landwirtschaft, Gesundheit und Infrastruktur auswirken, das diskutieren aktuell Wissenschaftler verschiedener Disziplinen auf dem Extremwetter-Kongress in Hamburg. Dort ist auch Professor Peter Höppe, Leiter der GEO-Risikoforschung der MunichRe, dem weltweit größten Rückversicherer. Sturm, Hagel, Hochwasser, Herr Höppe, mit welchen Extremwetter-Ereignissen müssen wir denn in Zukunft vermehrt rechnen?
Peter Höppe: Guten Tag, Frau Fecke. Wir müssen vor allem in Deutschland mit mehr intensiven Niederschlagsereignissen rechnen, das sowohl flächig, was dann zu Flussüberschwemmungen führt, wie wir es ja im letzten Jahr ganz ausgeprägt hier in Deutschland hatten, aber auch kleinräumig, aus Gewittern sich entwickelnde Starkniederschläge, die dann wie in dem Tief Ela an Pfingsten in Düsseldorf große Verwüstungen hervorrufen können.
Fecke: Sie sprechen dieses Tief an, was auch den Bahnverkehr damals ziemlich lahmgelegt hat. Welche Auswirkungen wird das haben auf die Infrastruktur in Zukunft?
Höppe: Ich denke, dass wir häufiger hier Probleme bekommen, wenn wir uns nicht anpassen, das heißt, die Infrastruktur nicht weniger anfällig machen. Wir haben ja das nicht nur auf den Eisenbahnschienen gesehen, die auch durch die große Flut blockiert waren, monatelang die ICE-Strecke zum Beispiel von Hannover nach Berlin im letzten Jahr. Wir sahen das auch auf den Autobahnen, dass hier zementierte Autobahnen diese sogenannten Blowups hatten. Das heißt, dass sich hier Platten gehoben haben, weil es einfach heißer war, als man das zunächst angenommen hat. Sie haben es auch in der Anmoderation ja schon gesagt: Die Hitzewellen werden sicher auch zunehmen bei uns. Das heißt, man muss diese Infrastruktur für ganz andere Extreme auslegen.
"Es wird mehr Jahre mit Dürren geben"
Fecke: Die Infrastruktur ist das eine. Die Landwirtschaft ist ein anderer Bereich, der unter den Extremen leidet beziehungsweise sich auch anpassen muss, oder?
Höppe: Ja. Die Landwirtschaft ist ja genauso wie die Versicherungswirtschaft - und deswegen beschäftigen wir uns mit diesen Dingen so intensiv - besonders stark vom Klimawandel und von Wetter-Variabilität betroffen. Da sagt uns ja der Weltklimarat, dass wir in der Zukunft mit einer größeren Variabilität und mehr Extremen rechnen müssen, und das betrifft die Landwirtschaft ganz besonders. Es wird mehr Jahre mit Dürren geben, es wird mehr Jahre mit Stürmen und Überschwemmungen geben, und das heißt, es gibt auch mehr Ernteausfälle, zumindest regional, und da ist sicher Handlungsbedarf. In Deutschland gibt es keine Versicherung dafür für die Landwirte, nur für Hagel. In Amerika dagegen sind die Landwirte so versichert, dass sie mindestens immer 80 Prozent ihres erwarteten Ernteertrags bekommen, ganz egal wie das Wetter ist. Das ist eine sogenannte Ernteversicherung, die alle Naturgefahren mit einschließt.
"Mit diesen Veränderungen sind natürlich auch Chancen verbunden"
Fecke: Jetzt hatte ich aber das Gefühl, dass in einigen Sommern, weil der Frühling sehr früh ansetzt und der Herbst sehr viel später ist, sogar zwei Ernten eingefahren werden können.
Höppe: Ja! Mit diesen Veränderungen sind natürlich auch Chancen verbunden. Das geht beim Weinbau los, wo Sorten möglich sind, die bisher hier noch nicht angebaut werden konnten, aber auch, dass die Vegetationsphase länger wird, dass man teilweise zwei Ernten einfahren kann. Das ist sicher auch etwas, auf das sich die Landwirtschaft einstellen kann. Die Landwirtschaft kann sich schneller einstellen auf solche Veränderungen als zum Beispiel die Forstwirtschaft, die ja auch betroffen ist. Hier pflanzt man ja Bäume, die das Klima der nächsten 100 Jahre aushalten müssen. Hier sind sehr viel weitreichendere Entscheidungen notwendig.
"2013 war hinsichtlich Naturkatastrophen das zweitteuerste Jahr"
Fecke: Palmen im Wald. Sie haben es gerade schon kurz angesprochen: die Kosten und die Versicherung. Wenn Sie zurückblicken, inwieweit die Kosten gestiegen sind in den letzten Jahren, wie, glauben Sie, wird sich das in der Zukunft entwickeln?
Höppe: Ich denke, es wird sich so fortsetzen, wie wir es in unserer langjährigen Statistik sehen. Wir haben ja die weltweit größte Datenbank zu solchen Schadenereignissen und haben ein nahezu komplettes Bild global für die letzten 35 Jahre, und da sehen wir weltweit, aber auch in Deutschland ansteigende Schäden. Das letzte Jahr, 2013, war in Deutschland das zweitteuerste Jahr, was die Naturkatastrophen angeht. 14 Milliarden Euro hat uns das gekostet. Wir haben in den letzten Jahren etwa dreimal so viele wetterbedingte Schadenereignisse gehabt als noch zu Beginn der 1970er-Jahre, und wir müssen annehmen, dass sich dieser Trend in der Zukunft fortsetzt.
Fecke: Vielen Dank für diese Einschätzungen. Professor Peter Höppe war das, Leiter der GEO-Risikoforschung der MunichRe. Wir haben eine langfristige Wetterentwicklung oder eine langfristige Wetterprognose versucht.
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