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Wettlauf gegen einen Pilz

Biologie. - Neben der Überbevölkerung und anderen Faktoren haben auch Schädlinge ihren Anteil an der Verteuerung von Lebensmitteln. Dazu zählt vor allem ein Pilz namens UG99, auch bekannt als Halmrost, der Getreide befällt.

Von Gabor Paal |
    Statt schönem grünen Weizen, Getreide, das mit rotbraunen Pusteln übersät ist - das ist der Weizenrost. Der Pilz würgt die Pflanze praktisch ab. Er setzt sich an den Halm und unterbindet die Wasser- und Nährstoffversorgung der oberen Pflanzenteile – das Ergebnis sind Ähren ohne Körner – und somit zerstörte Ernten.

    "In Kenia haben wir diese Saison bereits Ernteausfälle bis zu 40 Prozent, in Äthiopien müssen wir noch sehen. Und es ist nicht nur ein Weizenrost. Die meisten Rostarten sind zwar spezifisch, es gibt Gerstenrost, Weizenrost oder Grasrost. Aber UG99 ist flexibel, er geht auf Gras, auf Gerste und auf Weizen, deshalb machen wir uns hier auch Sorgen um die Gerste, weil das ein wichtiges Anbauprodukt hier in den Trockenzonen ist."

    Amor Yahyaoui ist Pflanzen-Pathologe am Internationalen Agrarforschungszentrum ICARDA im syrischen Aleppo. Zwar gibt es seit Jahrzehnten Sorten, die gegen die klassischen Varianten des Weizenrosts resistent sind, doch das Tückische an UG99 ist, so Yahyaoui, dass er die dafür zuständigen Resistenzgene und damit die Abwehrkraft der Pflanzen überlistet.

    "Wir können seine vermutliche Ausbreitungsrichtung recht gut vorhersagen, weil wir Erfahrungen mit anderen Rost-Erregern hatten. Dem Gelb-Rost etwa, der sich in den spätern 80er Jahren ausgebreitet hat. Auch der kam aus Ostafrika und ist dann im Verlauf der Jahreszeiten den Ostafrika-Graben entlang nach Norden gewandert. Und so war es jetzt auch mit UG99. In Uganda tauchte er 1999 auf, in Kenia 2004, dann weiter nach Äthiopien, von dort aus hat er dann den Sprung auf die arabische Halbinsel in den Jemen geschafft und von dort in den Iran, schneller als wir dachten."

    Wenn der Erreger auftaucht, gibt es zunächst nur eine Sofortmaßnahme: Fungizide. Einfach, um den Erreger zu bekämpfen und die Ausbreitung zu verhindern. Aber das ist keine Dauerlösung. Aus Umwelt- und Gesundheitsgründen, aber auch weil Kleinbauern sich Fungizide nicht leisten können. Die Versuche, resistente Sorten heranzuzüchten, haben deshalb längst begonnen. Dabei hilft: Die Gen- bzw. Samenbank von ICARDA. Proben von 130000 verschiedenen Landrassen lagern hier in einem großen eiskalten Lagerraum. Der Australier Ken Street hat sie in seiner Kontrolle.

    "Hier sind es minus –20 Grad, man fühlt sich wie in einer riesigen Tiefkühltruhe, und hier, eingeschweißt in Aluminium, unsere Saatgutproben. So, wie wir es hier aufbewahren, sollte es 100 Jahre halten."

    Es gibt viele Genbanken auf der Welt. Diese ist besonders wichtig, denn im nahen und Mittleren Osten liegen die Ursprünge der Landwirtschaft.

    "Wir haben eine große genetische Vielfalt in den Kulturpflanzen, aber eine noch viel größere Vielfalt in ihren wilden Verwandten. Wir haben hier verschiedene Sorten von wildem Weizen. Wir versuchen also soviel vom Genpool wie möglich zu sammeln, von den modernen Sorten bis zu den wilden Verwandten."

    Mit Saatgut aus der Gen-Bank arbeitet auch Weizenzüchter Osman Abdalla. 12000 verschiedene Linien werden von den ICARDA-Forschern auf ihre mögliche Resistenz gegen UG99 getestet.

    "Wir sind zunächst mit unseren Proben dorthin gegangen, wo die Krankheit akut ist, also nach Äthiopien und Kenia. In die Hot Spots. Wir haben die Proben gepflanzt und damit dem Erreger ausgesetzt. Die, die sich als resistent erweisen, benutzen wir, um Saatgut herzustellen. Dann pflanzen wir erneut an, wobei wir damit auch in den Jemen gehen. Ziel ist zunächst einmal, Sorten zu ermitteln, die grundsätzlich resistent sind. Das ist sozusagen die Erste Hilfe. Der nächste Schritt wäre, diese resistenten Linien wieder mit den Sorten zu kreuzen, die auch an die lokalen Bedingungen angepasst ist. Und dieser Prozess braucht viel Zeit."

    Immerhin haben die Forscher bereits mehrere Linien identifiziert, die UG99-resistent sind. Und nachdem sie mit gerade mal anderthalb Kilogramm Saatgut angefangen haben, konnten sie inzwischen bereits 120 Tonnen erzeugen. Saatgut, das sie nun mehr als 100 Farmern zur Verfügung stellen, und zwar sowohl im Ursprungsgebiet der Krankheit, als auch dort, wo die Ausbreitungsfront verläuft. So hoffen sie, die Ausbreitung einzudämmen. Doch es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, ob sich der Erreger weiter ausgebreitet hat. Es wird ein spannender Sommer im Nahen und Mittleren Osten.