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Whistleblowerin Chelsea Manning
UN-Berichterstatter verurteilt "Beugehaft"

Weil sie sich weigert, gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange auszusagen, sitzt die Whistleblowerin Chelsea Manning seit März in Haft. Nils Melzer, UN-Sonderberichterstatter über Folter, warnt vor negativen Auswirkungen auf die Pressefreiheit.

Von Dietrich Karl Mäurer | 05.03.2020
02.05.2018, Berlin: Die US-amerikanische Whistleblowerin Chelsea Manning spricht auf der Internetkonferenz re:publica.
Die US-amerikanische Whistleblowerin Chelsea Manning 2018 (picture alliance/Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa)
Weil sie sich weigert vor der Grand Jury im US-Bundesstaat Virginia gegen Julian Assange auszusagen, sitzt Chelsea Manning schon seit Monaten in Haft. Zudem wird die Whistleblowerin jeden Tag mit einer Geldbuße in Höhe von tausend Dollar belegt. Nils Melzer, der Uno-Sonderberichterstatter über Folter, hat zu dieser Haft eine klare Meinung:
"Also es geht um Verletzung der Zeugenaussagepflicht. Das kann natürlich ein Vergehen sein, das man durchaus auch strafbar machen kann im nationalen Recht, aber es ist dann ein strafrechtliches Vergehen, das heißt die Strafe muss klar bemessen sein. Und wenn die dann abgesessen ist, dann die Sache auch vorbei. Was man nicht machen kann: Man kann nicht jemanden in Haft halten, um den Willen zu brechen."
US-Whistleblower Edward Snowden im Gespräch mit dem Deutschlandradio
Edward Snowden im Dlf-Interview: Was wäre die Gesellschaft ohne Whistleblower?
2013 ging Edward Snowden mit geheimen Dokumenten an die Öffentlichkeit, die eine massenhafte Überwachung durch US-amerikanische Geheimdienste enthüllte. Im Dlf kritisierte er, dass es für Quellen investigativer Recherche immer schwieriger werde. Sein Leben im Exil zeige, welche Konsequenzen die Entscheidung mit sich bringe.
Nils Melzer bezeichnet die Haft von Chelsea Manning eindeutig als Beugehaft:
"Das ist natürlich die Logik der Folter. Dass man eben zunehmend schwere seelische Leiden hier zufügt mit dem Zweck, jemanden dazu zu bringen eine Zeugenaussage machen, die er oder sie nicht machen will aus Gewissensgründen."
Bislang keine Reaktion aus Washington
Bereits im November richtete der Uno-Berichterstatter einen Aufruf an die US-Regierung, Chelsea Manning freizulassen. Eine Antwort aus Washington gab es bislang nicht:
"Nein, aber das ist - glaube ich – nicht nur auf diesen Fall bezogen. Seit Amerika aus dem Menschenrechtsrat ausgetreten ist, kooperieren sie eigentlich nicht mehr mit unseren Mandaten."
"Man versucht Präzedenzfälle zu etablieren"
Für Nils Melzer fügt sich der Umgang mit der 32-jährigen Whistleblowerin ein in eine ganze Reihe von ähnlichen Fällen - allen voran die Anklage gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange, aber auch das Vorgehen gegen den US-Journalisten Glenn Greenwald, der die Unterlagen von Edward Snowden aufbereitete, oder die Ermittlungen gegen Mitarbeiter des australischen Senders ABC. Für den Uno-Berichterstatter handelt es sich eindeutig um eine Einschränkung der Pressefreiheit:
"Das sehen wir doch jetzt, dass eine sehr repressive Haltung kultiviert wird, dass man versucht Präzedenzfälle zu etablieren, wo es kriminalisiert werden soll, der Öffentlichkeit die Wahrheit zu sagen über schwerste Missbräuche seitens der Regierung. Und das scheint mir schon ganz, ganz kritisch zu sein. Da muss auch die Öffentlichkeit reagieren."
Nur wenig Berichterstattung über Manning
Nils Melzer beobachtete, dass sich die Verfolgung von Journalisten und ihren Informanten schon jetzt auf die Berichterstattung anderer auswirkt:
"Also beim Assange-Fall ganz, ganz deutlich. Also man sieht ja dort auch, die Berichterstattung ist sehr, sehr zurückhaltend. Man möchte sich auf keinen Fall mit Assange assoziieren. Gerade in den englischsprachigen Mainstream-Medien sieht man dort praktisch keine Berichterstattung."
Bedeutung des Informatenschutz
Der Fall der inhaftierten Whistleblowerin Chelsea Manning stehe bei den Medien klar im Schatten der Berichte über das Schicksal von Julian Assange. Nils Melzer betont: Neben den investigativen Journalisten selbst seien auch die Informanten wichtig für eine freie Presse:
"Die müssen geschützt werden. Wir sind absolut darauf angewiesen, dass solche Menschen ihren Job machen und uns informieren und informiert halten. Deshalb ist ja die Presse die vierte Macht im Staat."
Wenn es jedoch zum Verbrechen werde, die Wahrheit zu sagen, dann lebten wir nicht mehr in einer freiheitlichen Demokratie. Das erscheine ihm sehr gefährlich, sagt der Uno-Sonderberichterstatter über Folter.