Archiv

Whitney Museum in New York
Künstlerprotest gegen Tränengas

Nicht zum ersten Mal widersetzen sich Kunstschaffende in den USA der Devise, dass man die Hand nicht beißen solle, die einen füttert. In New York demonstrieren sie zurzeit gegen ein Vorstandsmitglied des Whitney Museum, das sein Geld mit Tränengas verdient.

Von Antje Passenheim |
Das Whitney Museum of American Art in New York im Juli 2017.
Leerer und leerer - viele Künstler des New Yorker Whitney Museum of American Art haben ihre Arbeiten zurückgezogen (picture alliance / dpa / Johannes Schmitt-Tegge)
Vielleicht ist es das beste Kunstwerk der ganzen Sammlung, der Abzug der Werke, meinen manche. Und es ist Zufall, dass die Skulptur der amerikanischen Künstlerin Nicole Eisenman den Namen "Prozession" trägt. Der Reihe nach wandern sie ab – Künstlerin für Künstler – und tragen ihren Protest vor sich her.
Auch das Video des in London arbeitenden Recherchekollektivs "Forensic Architecture" verstummt in dem gläsernen Museum im New Yorker Stadtteil Chelsea. Dabei prangert "Triple Chaser" direkt an, was die acht Künstlerinnen und Künstler mitten in der seit zwei Monaten laufenden Ausstellung im Protest vereint: Warren Kanders, der reiche Mäzen, der im Vorstand des Museums sitzt und der zumindest einen Teil seines Geldes mit der Herstellung von Tränengas verdient.
Weltweite Geschäfte mit Munition
Tränengas, wie es an der US-Grenze zu Mexiko gegen Einwanderer eingesetzt worden ist. Tränengas, mit dem Kandlers Konzern Safariland in Konflikte weltweit verstrickt sein soll. Für ihren Film "Triple Chaser" haben die Künstler und Wissenschaftler einen Algorithmus darauf trainiert, auf Fotos Tränengasgranaten des Typs "Triple Chaser" zu erkennen. Nach ihren Recherchen lässt sich auch eine Verbindung von Kanders Firma zur Gewalt im Gazastreifen ziehen. Demnach ist der Whitney-Mäzen auch Direktor einer Munitionsfirma.
"Es war eine einfache Entscheidung", sagt der Künstler Nicholas Galanin dem Radiosender NPR per Telefon aus seiner Heimat Alaska. Auch er ist ein Multimedia-Künstler, der zwei Exponate aus der Ausstellung zurückzieht
Den Ärger um Kanders hatte es schon vor der Eröffnung der Ausstellung im Mai gegeben. Damals hatten bereits mehrere Künstler und Museumsangestellte seinen Rücktritt gefordert. Doch Whitney-Direktor Adam Weinberg überging die Bedenken, als er die Künstler zur Eröffnung der Biennale pries: "Die Welt, in der wir leben, ist immer komplexer, chaotischer, unsicherer, fragiler. Was gibt es für eine bessere Zeit, sich an Künstler zu wenden."
Solidarität mit dem Museum
Doch einer hatte sich schon abgewendet, bevor die Sammelschau begann. Michael Rakowitz hatte seine Teilnahme aus Solidarität mit dem Whitney-Museum abgesagt: "Mein Punkt ist, dass Adam Weinberg wissen sollte, dass die meisten Künstler die Existenz des Whitney unterstützen, dass sie sich verantwortlich fühlen. Und dass er Kollaborateure hätte, um zu überdenken, nach welchen Maßstäben Finanzierung funktionieren könnte."
Eine Diskussion, die nicht erst mit der Whitney-Biennale beginnt: Wie sollten Museen mit ethisch fragwürdigen Sponsoren umgehen? Erst im März hatte ein lautstarker Protest im New Yorker Guggenheim-Museum Erfolg: Er richtete sich gegen die Mäzene der Pharmaunternehmer-Familie Sackler. Das Guggenheim-Museum hat insgesamt sieben Millionen Dollar an Spenden von Mitgliedern erhalten.
Das Museum am Central Park brauchte nicht lange, bis es auf den Protest reagierte. Das Guggenheim-Museum kündigte an: Fortan werden keine Spenden von der Familie Sackler angenommen. Das Whitney Museum of Art hat hingegen angekündigt, dass es den Wünschen der Künstler nachkommen will – und die Werke aus der Biennale entfernen. Warren Kanders ist unterdessen weiterhin im Amt.