Die WHO-Liste der unentbehrlichen Medikamente, im Englischen abgekürzt EML, wird in diesem Jahr 40 Jahre alt. Sie wird alle zwei Jahre dem neuesten Stand der Forschung angepasst und soll als Modell für entsprechende nationale Listen dienen. Doch in diesem Jahr gab es bei der Überarbeitung eine besondere Neuheit. Die Experten haben die 39 antibiotischen Wirkstoffe auf der Liste in drei Klassen eingeteilt, wie Marie-Paule Kieny, Stellvertretende Generaldirektorin der WHO für Gesundheitssysteme und Innovation, erklärt.
"Die Klassen heißen 'Access', 'Watch' und 'Reserve' und das Ziel ist es, Antibiotika-Resistenzen in Schach zu halten und die Verwendung von Antibiotika zu optimieren, indem festgelegt wird, wann bestimmte Wirkstoffklassen eingesetzt werden sollen und wann nicht."
Antibiotika wurden in drei Klassen eingeordnet
Die erste Klasse, "Access" - also Zugang - genannt, enthält diejenigen Antibiotika, die bevorzugt gegen alltägliche Infektionskrankheiten eingesetzt werden sollen. Diese Wirkstoffe wirken zuverlässig und haben wenige Nebenwirkungen, wie zum Beispiel Penicillin oder Doxycyclin. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit, dass Bakterien Resistenzen gegen die Medikamente entwickeln, nach dem aktuellen Wissensstand gering.
In der zweiten Gruppe, "Watch" - also Beobachtung - genannt, sind Antibiotika gelistet, gegen die es erste Resistenzen gibt. Sie sollen nur eingesetzt werden, wenn Wirkstoffe aus der Access-Kategorie nicht geholfen haben oder aus anderen Gründen nicht verwendet werden können, etwa, weil jemand allergisch darauf reagiert. Damit soll verhindert werde, dass die Wirkstoffe nutzlos werden.
Die letzte Gruppe - Reserve - enthält vier antibiotische Wirkstoffklassen, die entweder starke Nebenwirkungen haben oder noch ganz neu sind.
"Sie sollten als letzte Möglichkeit betrachtet, und nur verwendet werden, wenn alle anderen Antibiotika erfolglos waren. Bei lebensbedrohlichen Erkrankungen durch multiresistente Erreger zum Beispiel. Diese Wirkstoffe sollten besonders geschützt werden, um ihre Wirksamkeit zu erhalten."
Marie-Paule Kieny ist bewusst, dass die Liste allein keine Lösung des Problems sein kann. Aber die Erfahrung zeige, dass weniger Resistenzen auftreten, wenn zum Beispiel von Ärzten und in Krankenhäusern darauf geachtet wird, Antibiotika gezielter einzusetzen. Die WHO hofft deshalb, dass möglichst viele Länder die Vorschläge für ihr nationales Gesundheitssystem übernehmen.
Wirtschaftlicher Faktor
Für Susann Hill, WHO-Direktorin für Unentbehrliche Medizin und Gesundheitsprodukte, ist der Erfolg der Bemühungen auch eine wirtschaftliche Frage.
"Wir müssen aufhören, Antibiotika danach zu bezahlen, wie häufig sie verschrieben werden, damit es weniger attraktiv wird, sie einzusetzen. Wir wollen zum Beispiel nicht, dass Colistin benutzt wird. Also müssen wir dafür sorgen, indem wir weltweit die Firmen, die es herstellen, dafür entschädigen, dass sie es nicht vermarkten, sondern in Reserve behalten."
Die Einteilung der Wirkstoffe auf der Liste helfe dabei, glaubt Susann Hill, denn sie sei eine Grundlage, auf der sich konkrete Vereinbarungen treffen ließen.
"Wir können jetzt mit den Herstellern sprechen und fragen: Wie kompensieren wir es, wenn ein Wirkstoff nicht mehr breit eingesetzt werden soll? Braucht es einen finanziellen Ausgleich? Oder müssen wir die Lizenz aufkaufen?"
Eine Arbeitsgruppe soll die Liste laufend aktualisieren, um zum Beispiel auf neu auftretende Resistenzen zu reagieren. Wenn sich die Klassifikation als effektiv erweist, könnten in Zukunft auch andere medizinische Wirkstoffe nach einem ähnlichen System eingeteilt werden.