Klaus Remme: H5N1, dieses Kürzel, das kennt inzwischen schon fast jeder in Deutschland und daran wird sich wohl auch nicht viel ändern in den nächsten Wochen und Monaten, denn das Thema Vogelgrippe, das wird wohl mit uns bleiben. Die Fälle in der Türkei sind bestätigt. In Rumänien ist es lediglich der Virenstamm H5. Genaueres ist offensichtlich noch nicht bekannt. Am Telefon ist jetzt Klaus Stöhr, der Leiter des Influenza-Programms der WHO in Genf. Herr Stöhr, ich grüße Sie!
Klaus Stöhr: Guten Morgen Herr Remme.
Remme: Wissen Sie schon mehr über die Untersuchungen in Rumänien?
Stöhr: Ja, die Untersuchungen laufen noch. Wir müssen mal davon ausgehen, dass es doch wohl wahrscheinlich ein H5N1-Stamm wird, aber letztendlich sind die Laboruntersuchungen noch nicht fertig und Abschließendes kann man noch nicht sagen.
Remme: Herr Stöhr, gibt es Grund anzunehmen, die Ausweitung dieses gefährlichen Virus werde nach seinem Weg aus Asien ausgerechnet vor unserer Tür in Rumänien oder in der Türkei zum Stillstand kommen?
Stöhr: Das wäre sehr schön, aber die Wahrscheinlichkeit spricht wohl eher dagegen. In den letzten sechs Monaten hat sich das Virus sprungartig von China in die Mongolei, dann nach Kasachstan, Russland nun ganz schnell in die Türkei und vielleicht auch nach Rumänien ausgebreitet. Zugvögel sind offensichtlich beteiligt und jetzt beginnt die Saison der Zugvögel. Wir müssen davon ausgehen, dass sich das Virus noch weiter verbreitet.
Remme: Aber gerade diese Gefahr durch Zugvögel wird von der Bundesregierung als geringer erachtet im Vergleich zum Beispiel zu Transportwegen. Deswegen gibt man ja auch keine Stallpflicht für Geflügel bundesweit. Halten Sie die Reaktion dann für zu leichtsinnig?
Stöhr: Ja! Also wir lernen ja alle. Gegenwärtig hat keiner hier das goldene Mittel parat. Wir haben mit H5N1 seit 1997 immer wieder Überraschungen erlebt. Die Schweizer haben auch noch nicht die Vögel eingesperrt, das Hausgeflügel. Hier muss man sehen, wie man das Risiko einschätzt mit dem Näherkommen der Seuche nun in die Türkei. Da muss man sicherlich die gegenwärtigen Maßnahmen auch überdenken und abschätzen. Hier muss man sehen, wie sich die Lage weiter entwickelt.
Remme: Höre ich aus Ihren Worten, dass wenn Sie an der Stelle sitzen würden Sie das Geflügel einsperren würden?
Stöhr: Hier muss man ganz genau das Risikopotenzial abschätzen. Man muss sich mit den Ornithologen zusammensetzen. Man muss sehen, wie viel Prozent des Geflügels tatsächlich Freigang hat. In Dänemark hat man zum Beispiel schon seit vielen Jahren freilaufendes Geflügel mit Netzen und Käfigen abgedeckt. Sicherlich kann man hier letztendlich nie hundertprozentig sicher gehen. H5N1 wird aber auch weiterverbreitet über lebendes Geflügel, über Eier, Federn und auch das ist ein großes Einschleppungspotenzial. Man muss sich praktisch gleichzeitig nach allen Seiten gut und vernünftig absichern.
Remme: Herr Stöhr, wenn jetzt Leute hier in Deutschland in diesen Tagen und Wochen zur Grippeschutzimpfung gehen, obwohl sie dies vor diesen Meldungen eigentlich nicht erwogen haben, handeln die richtig? Gibt es jetzt mehr Grund, dort hinzugehen?
Stöhr: Es ist erst mal sehr vernünftig, sich die Grippeschutzimpfung zu holen. Die ist sehr sicher, eine der sichersten Impfungen und sie ist auch sehr effizient. In Deutschland sterben mehr Leute an der Grippe als an Verkehrsunfällen und die meisten Leute haben eine Auto- und Lebensversicherung, aber die Grippeimpfung wird dann doch immer noch gemieden. Allerdings hat die jetzige Grippeimpfung, die sehr vernünftig und richtig ist, überhaupt nichts mit dieser Geflügelseuche zu tun. Man kann sich nicht dagegen schützen, wenn man jetzt zur Grippeimpfung geht, aber man ist natürlich geschützt gegen schwere humane Grippeinfektionen in den nächsten Monaten.
Remme: Es ist keine Frage, ob eine Grippe-Pandemie kommt, sondern nur wann. Gilt dieser Satz von Ihnen noch immer?
Stöhr: Der Satz ist immer noch richtig. Es gab im den letzten Jahrhundert drei große Pandemien. Forscher haben ermittelt, dass seit den letzten 500 Jahren wohl jedes Jahr drei oder vier Pandemien aufgetreten sind, alle 24 bis 27 Jahre. 1968 war die letzte Pandemie. Das ist nun mehr als 37 Jahre her. Wir sind sicherlich überfällig und mit H5N1 haben wir auch einen Kandidaten, der wohl die nächste Pandemie verursachen kann. Mein Satz gilt noch ganz genauso.
Remme: Herr Stöhr, wir haben Anfang des Jahres an dieser Stelle miteinander gesprochen. Da ging es um nationale Schutzpläne gegen eine solche Pandemie und es ging um das Thema Impfstoff und Vorräte. Ich bin jetzt etwas verwirrt. Kann die Bundesregierung oder andere Regierungen nun einen Vorrat an Impfstoff schaffen oder kann ein wirksames Mittel erst nach Ausbruch der Pandemie gefunden werden?
Stöhr: Großflächige Impfstoffproduktion kann eigentlich erst beginnen, wenn dieses Pandemie-Virus aufgetreten ist. H5N1 kann die nächste Pandemie verursachen. Wenn es dann so weit ist, wird das Virus sich aber schon etwas wegmutiert haben von der jetzigen Generation. Also man muss warten, bis die Pandemie kommt. Dann kann man mit der Impfstoffproduktion beginnen. Es ist aber völlig falsch, mit der Impfstoffentwicklung zu warten und das ist unsere große Sorge. Viel zu wenige Regierungen unterstützen das. Viel zu wenig Firmen investieren hier. Man kann nicht warten mit der Impfstoffentwicklung, bis die Seuche aufgetreten ist. Dann verliert man wertvolle Zeit. Wochen und Monate können vergehen, in denen der Impfstoff eigentlich produziert werden sollte, und wenn die Leute dann noch forschen, macht das überhaupt keinen Sinn.
Remme: Ist Deutschland in dieser Hinsicht gut gerüstet?
Stöhr: Deutschland hat eine eigene Influenza-Impfstoffproduktion. Es gibt große Firmen, die zum Teil natürlich international ausgerichtet sind. Eine Firma hat schon einen solchen Impfstoff lizenziert, eine andere forscht daran. Prinzipiell sind die Franzosen hier viel weiter. In den nächsten drei Wochen rechnen wir damit, dass der größte Impfstoffhersteller, der in Frankreich ansässig ist, der WHO die ersten Ergebnisse der klinischen Studien mit solchen Pandemie-Impfstoffen vorstellen wird.
Remme: Klaus Stöhr, der Leiter des Influenza-Programms bei der WHO. Herr Stöhr, vielen Dank!
Stöhr: Ich bedanke mich auch!
Klaus Stöhr: Guten Morgen Herr Remme.
Remme: Wissen Sie schon mehr über die Untersuchungen in Rumänien?
Stöhr: Ja, die Untersuchungen laufen noch. Wir müssen mal davon ausgehen, dass es doch wohl wahrscheinlich ein H5N1-Stamm wird, aber letztendlich sind die Laboruntersuchungen noch nicht fertig und Abschließendes kann man noch nicht sagen.
Remme: Herr Stöhr, gibt es Grund anzunehmen, die Ausweitung dieses gefährlichen Virus werde nach seinem Weg aus Asien ausgerechnet vor unserer Tür in Rumänien oder in der Türkei zum Stillstand kommen?
Stöhr: Das wäre sehr schön, aber die Wahrscheinlichkeit spricht wohl eher dagegen. In den letzten sechs Monaten hat sich das Virus sprungartig von China in die Mongolei, dann nach Kasachstan, Russland nun ganz schnell in die Türkei und vielleicht auch nach Rumänien ausgebreitet. Zugvögel sind offensichtlich beteiligt und jetzt beginnt die Saison der Zugvögel. Wir müssen davon ausgehen, dass sich das Virus noch weiter verbreitet.
Remme: Aber gerade diese Gefahr durch Zugvögel wird von der Bundesregierung als geringer erachtet im Vergleich zum Beispiel zu Transportwegen. Deswegen gibt man ja auch keine Stallpflicht für Geflügel bundesweit. Halten Sie die Reaktion dann für zu leichtsinnig?
Stöhr: Ja! Also wir lernen ja alle. Gegenwärtig hat keiner hier das goldene Mittel parat. Wir haben mit H5N1 seit 1997 immer wieder Überraschungen erlebt. Die Schweizer haben auch noch nicht die Vögel eingesperrt, das Hausgeflügel. Hier muss man sehen, wie man das Risiko einschätzt mit dem Näherkommen der Seuche nun in die Türkei. Da muss man sicherlich die gegenwärtigen Maßnahmen auch überdenken und abschätzen. Hier muss man sehen, wie sich die Lage weiter entwickelt.
Remme: Höre ich aus Ihren Worten, dass wenn Sie an der Stelle sitzen würden Sie das Geflügel einsperren würden?
Stöhr: Hier muss man ganz genau das Risikopotenzial abschätzen. Man muss sich mit den Ornithologen zusammensetzen. Man muss sehen, wie viel Prozent des Geflügels tatsächlich Freigang hat. In Dänemark hat man zum Beispiel schon seit vielen Jahren freilaufendes Geflügel mit Netzen und Käfigen abgedeckt. Sicherlich kann man hier letztendlich nie hundertprozentig sicher gehen. H5N1 wird aber auch weiterverbreitet über lebendes Geflügel, über Eier, Federn und auch das ist ein großes Einschleppungspotenzial. Man muss sich praktisch gleichzeitig nach allen Seiten gut und vernünftig absichern.
Remme: Herr Stöhr, wenn jetzt Leute hier in Deutschland in diesen Tagen und Wochen zur Grippeschutzimpfung gehen, obwohl sie dies vor diesen Meldungen eigentlich nicht erwogen haben, handeln die richtig? Gibt es jetzt mehr Grund, dort hinzugehen?
Stöhr: Es ist erst mal sehr vernünftig, sich die Grippeschutzimpfung zu holen. Die ist sehr sicher, eine der sichersten Impfungen und sie ist auch sehr effizient. In Deutschland sterben mehr Leute an der Grippe als an Verkehrsunfällen und die meisten Leute haben eine Auto- und Lebensversicherung, aber die Grippeimpfung wird dann doch immer noch gemieden. Allerdings hat die jetzige Grippeimpfung, die sehr vernünftig und richtig ist, überhaupt nichts mit dieser Geflügelseuche zu tun. Man kann sich nicht dagegen schützen, wenn man jetzt zur Grippeimpfung geht, aber man ist natürlich geschützt gegen schwere humane Grippeinfektionen in den nächsten Monaten.
Remme: Es ist keine Frage, ob eine Grippe-Pandemie kommt, sondern nur wann. Gilt dieser Satz von Ihnen noch immer?
Stöhr: Der Satz ist immer noch richtig. Es gab im den letzten Jahrhundert drei große Pandemien. Forscher haben ermittelt, dass seit den letzten 500 Jahren wohl jedes Jahr drei oder vier Pandemien aufgetreten sind, alle 24 bis 27 Jahre. 1968 war die letzte Pandemie. Das ist nun mehr als 37 Jahre her. Wir sind sicherlich überfällig und mit H5N1 haben wir auch einen Kandidaten, der wohl die nächste Pandemie verursachen kann. Mein Satz gilt noch ganz genauso.
Remme: Herr Stöhr, wir haben Anfang des Jahres an dieser Stelle miteinander gesprochen. Da ging es um nationale Schutzpläne gegen eine solche Pandemie und es ging um das Thema Impfstoff und Vorräte. Ich bin jetzt etwas verwirrt. Kann die Bundesregierung oder andere Regierungen nun einen Vorrat an Impfstoff schaffen oder kann ein wirksames Mittel erst nach Ausbruch der Pandemie gefunden werden?
Stöhr: Großflächige Impfstoffproduktion kann eigentlich erst beginnen, wenn dieses Pandemie-Virus aufgetreten ist. H5N1 kann die nächste Pandemie verursachen. Wenn es dann so weit ist, wird das Virus sich aber schon etwas wegmutiert haben von der jetzigen Generation. Also man muss warten, bis die Pandemie kommt. Dann kann man mit der Impfstoffproduktion beginnen. Es ist aber völlig falsch, mit der Impfstoffentwicklung zu warten und das ist unsere große Sorge. Viel zu wenige Regierungen unterstützen das. Viel zu wenig Firmen investieren hier. Man kann nicht warten mit der Impfstoffentwicklung, bis die Seuche aufgetreten ist. Dann verliert man wertvolle Zeit. Wochen und Monate können vergehen, in denen der Impfstoff eigentlich produziert werden sollte, und wenn die Leute dann noch forschen, macht das überhaupt keinen Sinn.
Remme: Ist Deutschland in dieser Hinsicht gut gerüstet?
Stöhr: Deutschland hat eine eigene Influenza-Impfstoffproduktion. Es gibt große Firmen, die zum Teil natürlich international ausgerichtet sind. Eine Firma hat schon einen solchen Impfstoff lizenziert, eine andere forscht daran. Prinzipiell sind die Franzosen hier viel weiter. In den nächsten drei Wochen rechnen wir damit, dass der größte Impfstoffhersteller, der in Frankreich ansässig ist, der WHO die ersten Ergebnisse der klinischen Studien mit solchen Pandemie-Impfstoffen vorstellen wird.
Remme: Klaus Stöhr, der Leiter des Influenza-Programms bei der WHO. Herr Stöhr, vielen Dank!
Stöhr: Ich bedanke mich auch!