"Am Ende bildet die WHO-Studie nur das ab, was wir in Deutschland auch schon wussten", sagt Kerstin Holze im Dlf-Interview. Laut Studienautorinnen und -Autoren erreichen 81 Prozent der Jugendlichen weltweit die empfohlene Bewegung von mindestens einer Stunde pro Tag nicht.* Die Kinderärztin Holze erläutert, dass sich diese Ergebnisse mit ihren Erfahrungen decken: Während die WHO sich auf Kinder zwischen elf bis 17 Jahren fokussiert, macht Holze ähnliche Phänomene bei kleineren Kindern in Deutschland aus.
Das große Problem sei daran, dass der Grundstein für ein bewegliches Leben im Alter von zwei bis sechs Jahren gelegt werde. Laut Kerstin Holze bewegten sich Kinder schon in diesem Alter zu wenig. Dabei gehe es nicht um Sport - es fehle es schon an normaler Alltagsbewegung. Die Konsequenz sei, dass sich dies oft in der Jugend fortsetze. Dabei handele es sich nicht um organisierten Sport, sondern um das bewegte Spielen wie zum Beispiel Toben oder Spielen auf dem Boden.
Nicht allein Digitalisierung als Grund
Die Schuld allein in der Digitalisierung zu suchen, werde der Komplexität nicht gerecht, so Holze. Sie sehe eher veränderte Lebensbedingungen als einen Grund. Die Kinder fänden sich viel mehr in externen Betreuungen wieder, wenige kämen um zwölf Uhr nach Hause.
Kerstin Holze schlägt deshalb vor, die Bewegung noch mehr in Kitas oder Schulen zu bringen. Außerdem sei die Konzentration von großen Sportstätten ein falscher Weg. Die Folge sei, dass die wohnortnahen Sportstätten geschlossen würden. "Kurze Beine brauchen kurze Wege", sagt Holze - die Kinder bräuchten vor Ort ein Angebot, zu dem sie bestenfalls selbst gehen können.
Lösung nur über Investitionen
"Sport und Bewegung wird es nicht für umsonst geben. Wenn wir eine bewegte Kinder- und Jugend-Gesellschaft haben wollen, müssen wir in Sportstätten und in Freiflächen in Städten investieren und Sportvereine unterstützen", fordert die Kinderärztin. Dies sei nur im Verbund möglich: Der Sport, die Politik, die Kitas und die Schulen seien gefordert, diesem Trend entgegenzuwirken.
Zu ihrem Bedauern hätten sich die Bundesländer beim "Gute-Kita-Gesetz" gegen die Förderung von Bewegung entschieden. Damit so etwas nicht noch einmal passiert, müssten die Sportverbände und die Wissenschaft noch mehr um die Bedeutung des Sports werben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
*In einer früheren Version des Artikels hieß es fälschlicherweise "Laut der Studienautoren erreichen nur 81 Prozent der Jugendlichen weltweit die empfohlene Bewegung von mindestens einer Stunde pro Tag." Diesen Fehler haben wir korrigiert.