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"Widerspruch ist hier unerwünscht"

Er sieht sich als populärer herrscher, als darling des Volkes. Medialer Widerspruch steht im Widerspruch zur Popularität des Herrn Silvio Berlusconi, weshalb unabhängige Berichterstattung auch mal arbeitsunrechtlich beendet wird. Vom großen Rest der Medienwelt gehört dem Mann ohenhin fast jeder italienische Sender.

Von Thomas Migge | 09.05.2009
    "Der Linken mit ihren Medien gelingt es nicht zu akzeptieren, dass die Italiener mich und meine Regierung mögen. Drei von vier Italienern bewundern mich. Deshalb greifen die linken Medien mich an und werfen mir Ungeheuerliches vor."

    Silvio Berlusconi vor wenigen Tagen im Fernsehen. Im öffentlich-rechtlichen Kanal RAI 1, in der Talkshow "Porta a Porta".

    Eigentlich war für die Abendsendung ein anderes Thema vorgesehen, die Folgen des Erdbebens in den Abruzzen, aber Nachmittags entschied sich Italiens Regierungschef Abends im Fernsehen aufzutreten und sich zum Fall seiner Scheidung zu äußern. So einfach ist das in Italien: Berlusconi ruft bei der RAI an und schon stehen alle stramm, werden Programminhalte gekippt, wenn er das so will. Ganze zwei Stunden wetterte der Premier gegen die linke Presse, die ihn auf dem Kieker habe. Eine Gegenstimme ebendieser linken Presse hatte man natürlich nicht eingeladen. Berlusconi sprach ununterbrochen, ohne dass ihm der ansonsten bärbeißige Talkmaster Bruno Vespa ins Wort fiel.

    Eine für Italien typische Situation.

    Bei der US-amerikanischen Stiftung Freedom House nennt man so etwas "Dominanz der Politik über die Medien". Freedom House ist eine Forschungseinrichtung mit Hauptsitz in Washington, die das Konzept der liberalen Demokratie weltweit fördern will. Die von der US-Regierung und der Soros-Stiftung finanzierte Einrichtung ist vor allem bekannt für ihren jährlichen Bericht über den Grad demokratischer Freiheiten, mit dem man den gegenwärtigen Stand der bürgerlichen und politischen Rechte in jedem Land der Welt messen will. Jetzt hat Freedom House ein Schwarzbuch zur internationalen Medienfreiheit vorgelegt – und darin schneidet Italien schlecht ab. Für ein EU-Land erschreckend schlecht, meint der italienische Journalist Marco Travaglio, der wegen seiner investigativen Reportagen über die undurchsichtigen Machenschaften des Medienzaren von diesem immer wieder als "böser Kommunist" beschimpft wird:

    "Es ist doch wohl legitim, wenn Journalisten Politikern kritische Fragen stellen. Aber das ist bei uns nicht mehr möglich. Zu Pressekonferenzen werden nur noch Journalisten mit dem richtigen Parteibuch eingeladen. Das Schwarzbuch aus den USA macht unsere Situation deutlich: ein Mann dominiert unsere Medien. Widerspruch ist hier unerwünscht."

    Freedom House hat Italien in die Kategorie der so genannten halbfreien Medienländer zurückgesetzt. Zusammen mit Bulgarien, Indien und Hongkong. Island ist dem Bericht zufolge das Land mit der größten Medienfreiheit. Deutschland befindet sich an 18. Stelle, zusammen mit den anderen EU-Staaten, und Italien liegt ganz hinten auf Platz 73.

    Für dieses Urteil gibt es präzise Gründe: Berlusconi kontrolliert nicht mehr nur seine drei eigenen national ausstrahlenden Fernsehsender. Als Regierungschef ist er auch für die drei Kanäle der RAI verantwortlich. Italiens Gesetzgebung sieht nicht vor, dass ein Medienunternehmer Regierungschef wird. Seit Jahren ist deshalb von dem Medien-Interessenkonflikt Berlusconis die Rede – ohne dass dagegen jemals etwas unternommen wurde. Dazu Eugenio Scalfari, Gründer der großen linksliberalen Tageszeitung "la Repubblica", die wegen ihrer kritischen Berichterstattung immer wieder von Berlusconi als "antistaatlich" beschimpft wird:

    "Sicherlich gibt es Motive unsere Medien zu kritisieren, sie aber zu standardisieren, sie gleich zu machen, das ist undemokratisch. Berlusconi hält seine Hände über alle sechs national ausstrahlenden TV-Sender, besitzt wichtige Zeitungen und Zeitschriften und wenn ihm in den Redaktionen jemand nicht passt, dann werden die Arbeitsverträge nicht verlängert oder die Leute werden entlassen. Dagegen muss immer wieder protestiert werden."

    Bis auf einige wenige Sendungen ist die nun auch RAI von regierungskritischen Talkshows und Kabarettsendungen "befreit". In fast allen Führungspositionen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens sitzen Vertrauensleute der Regierungsparteien. Berlusconis Fernsehsender und die RAI ähneln sich in ihrer Programmgestaltung immer mehr. Wenn Freedom House von einseitiger Berichterstattung spricht ist das nicht übertrieben.

    Berlusconis Medienimperium kontrolliert auch alle Klatschzeitungen: so wird das Thema Scheidung im Haus des Regierungschefs entweder klein gehalten oder aber so dargestellt, dass der Gatte ein Opfer und die Gattin die Böse ist.