Lambrecht gegen Spahn - Justizministerin gegen Gesundheitsminister. Im Kabinett spiegelt sich die Uneinigkeit wider, die auch im Bundestag vorherrscht. Sozialdemokratin Christine Lambrecht hat gestern bestätigt, dass sie als Abgeordnete gegen den Vorschlag ihres CDU-Kollegen stimmen wird.
Spahns will den doppelten Widerspruch
Der Gesundheitsminister steht für die Widerspruchslösung. Jeder Bürger, der nicht ausdrücklich widerspricht, ist automatisch Organspender: "Das heißt, dass jeder selbst zu Lebzeiten Nein sagen kann, und natürlich mit einem solchen Gesetz auch informiert werden müsste. Ich finde, wir müssten jeden Bürger natürlich anschreiben."
In einem Zentralregister soll ein Widerspruch dokumentiert werden. Gibt es dort keinen Eintrag, sollen zusätzlich die Angehörigen gefragt werden, ob es einen schriftlichen Widerspruch des Verstorbenen gibt. Deshalb ist die Rede von einer doppelten Widerspruchslösung.
Gegenvorschlag: Keine Organspende ohne Entscheidung
Ein übergriffiges Verfahren, mit Spende hat das nichts mehr zu tun, hält der Theologe Peter Dabrock entgegen. Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates möchte unter keinen Umständen, dass alle Bürger automatisch zu Organspendern werden – er lehnt die Widerspruchslösung strikt ab:
"Sie ist schädlich, weil sie das Vertrauen in das System nochmal unterminiert. Wenn aus welchen Gründen auch immer, ein Mensch nicht in der Lage ist, psychisch, physisch, oder auch emotional sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, dann automatisch zu sagen, wenn ich nicht eine klare Auskunft habe, dann ist derjenige nach dem Hirntod ein Objekt des Staates. Das kann verfassungsrechtlich nicht richtig sein und so weit sollte auch Solidarität nicht gehen."
Ähnlich sieht das auch Grünen-Chefin Anna-Lena Baerbock. Sie steht gemeinsam mit der Linken-Vorsitzenden Katja Kipping und FDP-Chef Christian Lindner für ein anderes Modell. Demnach sollte jeder einzelne etwa bei der Beantragung eines neuen Personalausweises gefragt werden, wie er zur Organspende steht. Ja, nein, vielleicht – so soll es von den Behörden dokumentiert werden.
Anna-Lena Baerbock: "Wichtig ist, dass man die Möglichkeit hat, zu sagen: Man möchte Organspender sein, man möchte es nicht sein. Aber es auch eine Möglichkeit gibt, zu sagen: Ich muss mir das noch weiter überlegen. So dass es da eine Freiwilligkeit gibt, aber eben eine viel verbindlichere, weil man aktiv von staatlicher Seite gefragt wird: Möchtest Du spenden? Und dann auch das sofort vor Ort machen kann, ohne dann einen Organspendeausweis in Papierform immer mit sich herumzutragen."
Lauterbach: Entscheidungslösung zu kompliziert
Das wird zu kompliziert, hält der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach dagegen. Er tritt gemeinsam mit Christdemokrat Jens Spahn für die Widerspruchslösung ein: "Ich glaube, eine Widerspruchslösung ist das Einfachste. Dann kann man zu jedem Zeitpunkt widersprechen, also selbst, wenn man am Anfang widersprochen hat, kann man das dann wieder zurücknehmen, man muss nicht die Dokumente ändern. Das halte ich für unbürokratischer. Baerbocks Vorschlag geht in die richtige Richtung, aber aus meiner Sicht nicht weit genug. Jeder sollte Spender sein, es sei denn, er widerspricht."
Etwa 10.000 Menschen hoffen weiter auf ein neues Organ, 2.000 werden vermutlich sterben, ehe eine Transplantation möglich wird. Denn freiwillige Spender sind rar: Die Zahl liegt deutlich unter 1.000 im Jahr, und rutschte auch wegen diverser Skandale im Spendenwesen zuletzt auf einen Tiefststand. Am Donnerstag soll der Bundestag über die beiden Modelle zur Reform der Organspende abstimmen. Von einer Gewissensentscheidung ist die Rede - der sonst übliche Fraktionszwang soll entfallen.