Weidengewächse seien ideale Forschungsobjekte für einen Pflanzengenetiker wie ihn, erklärt Frederic Pitre von der Universität von Montreal. Vor allem die Purpur-Weide gilt als robust und hat ihm zufolge das Potenzial für große Aufgaben.
"Wir wollen auf molekularer Ebene herausfinden, wie Weiden reagieren, die auf kontaminierten Böden wachsen und gegebenenfalls das Erdreich reinigen. Dazu schauen wir uns alle angeschalteten Gene an und suchen jene, die vor allem beim Vorhandensein von Schadstoffen aktiviert sind."
Der ideale Baum kann also problemlos auf verseuchtem Untergrund wachsen und Schadstoffe aus dem Boden holen. Im ersten Schritt untersuchte der kanadische Wissenschaftler zahlreiche Weiden – auf unbelasteten wie belasteten Böden. Er nahm Hunderte Proben von den Wurzeln, vom Stamm, der Rinde, von Ästen, Zweigen und Blättern, um überall die genetischen Aktivitäten zu messen.
"Als wir uns die aktivierten Gene angeschaut haben, waren das nicht nur Gene vom Baum, sondern auch viele von Pilzen und Bakterien. Die größte genetische Reaktion stammte aber von einem Schädling und zwar von der gemeinen Spinnmilbe."
Die 0,3 Millimeter großen Tiere werden weltweit von Landwirten gefürchtet. Die Spinnentiere stechen mit ihren Mundwerkzeugen die Pflanzen an, um Saft zu saugen. In der Folge vertrocknen die Blätter, fallen ab und es kommt zu Ernteausfällen. Aber nicht alle untersuchten Pflanzen waren befallen. Als Frederic Pitre sich die Ergebnisse genauer ansah, bemerkte er einen bislang unbekannten Zusammenhang. Bäume, die gut auf belasteten Böden wachsen konnten, waren kaum von Milben befallen – obwohl die Schädlinge in diesen Gegenden durchaus auf anderen Pflanzen zu finden waren. Genetisch passiert folgendes:
"Die Weiden initiieren einen molekularen Abwehrmechanismus, wenn sie auf kontaminierten Böden wachsen. Diese Bäume reagieren parallel aber auch auf den Parasitenbefall, denn sie wehren sich aktiv gegen die Milben. Beide molekulare Mechanismen sind miteinander verbunden und diese Stress-Schutz-Abwehrmechanismen treten stets gemeinsam auf."
Weiden, die gut mit einem verunreinigten Boden klarkommen, können sich demnach auch effektiv gegen Angreifer wie die Milben wehren. Aktuell untersuchen die Forscher die Epigenetik der Weiden. Sie wollen herausfinden, wie sich genetische Aktivitäten im Laufe der Zeit je nach Umweltbedingungen ändern. Dabei steht eine wichtige Frage im Raum.
"Was kommt zuerst? Die Umweltbedingungen, die den Baum zur Abwehrreaktion veranlassen oder das Potenzial der Bäume, auf Umweltverschmutzungen zu reagieren? Das wissen wir noch nicht."
Klar ist nur, dass es keine molekulargenetischen Unterschiede bei den Abwehrmechanismen zwischen jungen, das heißt sechs Monate alten Bäumen im Gewächshaus, und vier Jahre alten Pflanzen im Freiland gibt, die auf Böden wuchsen, die von einer Petroleumraffinerie verunreinigt waren.
"Unser Ziel ist, Bäume zu pflanzen, die die Böden von den Verschmutzungen effektiv reinigen. Die Biomasse ernten wir, um etwa Biokraftstoff daraus herzustellen. Und das machen wir überall, wo wir wegen der Kontaminationen keine Landwirtschaft betreiben können."
Die Purpur-Weiden sind somit ein guter Kandidat, um heute verunreinigte Gebiete langfristig auch wieder für die Landwirtschaft nutzbar zu machen. Es sei auch denkbar, dass es diese Mechanismen in anderen Pflanzen gibt, so Frederic Pitre, schließlich gebe es nicht nur in Kanada, sondern auch in Asien und Europa riesige von der Industrie verunreinigte Flächen.