Gerhard Küpper sitzt am Besprechungstisch in seiner Werbeagentur im Kölner Norden:
"Empört war ich natürlich. Empört, dass man die Frechheit besitzt, etwas parteipolitisch auszunutzen, was im Grunde genommen nicht parteipolitisch ist. Es ist zwar politisch, aber nicht parteipolitisch."
Küpper meint den Antrag der Kölner Ratsfraktion der "Alternative für Deutschland". Diese will die Verwaltung beauftragen, ein Karl Küpper-Denkmal zu errichten sowie zum 50. Todestag des bekannten Karnevalisten im nächsten Jahr, einen Karl-Küpper-Preis für die beste politische Rede auszuloben. Preisgeld: 11.111 Euro. Zur Begründung heißt es in dem Antrag:
"Karl Küpper stand mit seiner karnevalistischen Unterhaltungskunst wie kein zweiter Kölner Karnevalist gegen die Nationalsozialisten ein. (…) In einer Zeit, in welcher politisch Andersdenkende zunehmend ausgegrenzt werden und der politische Diskurs scheinbar nur noch eine Meinung kennt, sollten wir uns solche Kölner ins Gedächtnis rufen.
"Unangepasst und widerborstig"
Küppers Sohn Gerhard schüttelt noch immer den Kopf:
"Sich gerade jemanden zu nehmen, der die Vorgängerpartei, die NSDAP, so will ich das mal bezeichnen, die hat er bekämpft bis aufs Messer. Und die hat er so bekämpft sogar unter Einsatz seines Lebens. Und gerade diese Leute, die jetzt im Ruf stehen, die Nachfolgepartei zu werden, wollen ihn aufs Schild heben, um damit in gewisser Weise von ihren eigenen Zielen abzulenken. Denn: Diese Partei ist ja wie keine andere diskriminierend und gerade was freie Meinungsäußerung anbelangt nutzt sie die zwar für sich selbst, aber sie ist gar nicht so sehr dafür. Also, man kann nur dagegen sein."
Zuvor gab es bereits ähnliche Fälle: Die Erben des langjährigen Außenministers der Weimarer Republik, Gustav Stresemann, klagten erfolgreich dagegen, dass sich eine AfD-nahe Stiftung nach ihm benannte; in Nürnberg verbot ein Gericht ein AfD-Wahlplakat, das die NS-Widerstandskämpferin Sophie Scholl zeigte. Nun also Karl Küpper, der sich unter dem Namen "D’r Verdötschte" , immer gegen die Obrigkeit stellte. "Unangepasst und widerborstig", heißt daher auch eine Biographie über ihn, der in den 30er-Jahren einer der bekanntesten und beliebtesten Büttenredner Deutschlands war – und sich vor allem auch vom NS-Regime nicht einschüchtern ließ. Stattdessen machte er sich beispielsweise über den Hitler-Gruß lustig, wie er in einem WDR-Interview später schilderte:
"Der Grund war eigentlich, ich kam zum Beispiel in meiner Rede, wie es da so hieß, aus dem Haus heraus und es regnete etwas und oben rief am Fenster der ersten Etage meine Frau runter: ‚Es et am rähne?‘ und damit streckte ich die Hand aus und wollte prüfen, ob es am Regnen wäre. Dann sagte ich meiner Frau ob rauf: ‚Nä, mir han de Sur wieder‘. Und das wurde natürlich als Verächtlichmachung des deutschen Grußes angesehen und dann kam so ein Rattenschwanz von Schwierigkeiten, eine nach der anderen."
Auch nach der Nazizeit nicht mehr erwünscht
Küpper wurde von der Gestapo zusammengeschlagen, bekam ein Redeverbot und nur dadurch, dass er sich – nach einem Tipp von einem Freund – bei der Wehrmacht zum Dienst meldete, entging er wohl seiner Verhaftung und dem Konzentrationslager. Nach Ende des Krieges thematisierte Küpper die NS-Verstrickungen des Karnevals, legte sich auch mit Bundeskanzler Konrad Adenauer an und bekam daher in den 50er-Jahren wiederrum ein faktisches Redeverbot. Er zog sich schließlich von der Bühne zurück, eröffnete eine Kneipe in Köln und starb im Jahr 1970 verbittert. Sein Sohn Gerhard erinnert sich:
"Ja, er war natürlich ein sehr provokante Person und Persönlichkeit. Aber das ist nun mal so, wenn man gegen bestimmte Formen der Politik vorgeht und Richtungen, muss man provozieren, anders wird es wahrscheinlich nicht gehen."
Doch bis heute tun sich die Stadt Köln und der organisierte Karneval schwer, mit dem Erinnern an Karl Küpper:
"Zögerlich, zögerlich um nicht sogar zu sagen: Desinteressiert."
Seit dem Jahr 2011 existiert nun ein kleiner Platz in der Kölner Innenstadt, der Küppers Namen trägt – jedoch eine Dauerbaustelle ist. Es ist diese Situation, die der Kölner AfD-Ratsfraktion den Raum für ihren Vorstoß bietet. Für Küppers Sohn ist dies jedoch keine Option:
"Ich habe erstmal die politischen Parteien in Köln gebeten, diesen Antrag der AfD zu ganz bestimmten Ehrungen meines Vaters Abstand zu halten. So sehr ich das vom Kern her begrüße, dass man ihn natürlich ehrt, so sehr muss ich aber auch dagegen sein, dass es parteipolitisch genutzt wird."
Stadt plant nun aktives Gedenken
Ein Gesprächsangebot der AfD lehnt er ab, prüft stattdessen juristische Schritte. Und auch die Kölner Stadtspitze hat derweil reagiert: Dass ausgerechnet die AfD sich das Gedenken an Küpper zu eigen machen wolle, sei infam, hatte Kölns parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gesagt, sie können den Unmut der Familie nachvollziehen. Ohnehin gebe es von Seiten der Stadt Überlegungen, wie zum 50. Todestag im kommenden Jahr, durch eine Veranstaltung im Rathaus ein aktives Gedenken gestaltet werden könne. Der Antrag der AfD, so Reker, hätte sich somit erledigt. Für Küppers Sohn Gerhard sind dies überraschende Wortmeldungen – zu oft sei nichts passiert, sei auch der Platz vernachlässigt worden:
"Ich weiß nicht, ob ich das wirklich noch erlebe, wenn es dann wirklich zu einer Umgestaltung kommt und wenn der Platz dann letztlich das ausdrückt, was er ausdrücken soll. Ob ich das erlebe, weiß ich nicht. Meine Mutter ist 102 Jahre alt geworden, die hat es leider nicht erlebt, das nochmal zu sehen. Naja, man muss sehen."
Am 26. Mai nächsten Jahres jedenfalls, da jährt sich Küppers Tod zum 50. Mal.
Hinweis: Der Autor ist nicht verwandt mit Karl Küpper.