Nach dem Sturz des Machthabers
Wie das Assad-Regime in Syrien seine Bürger in Gefängnissen wie Saidnaya massenhaft folterte und tötete

Amnesty spricht schon seit Jahren von einem "menschlichen Schlachthaus". Im Gefängnis von Saidnaya (auch Sednaja) in Syrien wurden Menschen auf unvorstellbare Weise gequält und vernichtet. Sogar eine hydraulische Eisenpresse kam offenbar zum Einsatz.

    Die Satelliten-Aufnahme zeigt das Gefängnis Saidnaya (auch Sednaja) in Syrien, in dem das Assad-Regime massenhaft Menschen gequält, gefoltert und ermordet hat, von oben.
    Satellitenaufnahme des "menschlichen Schlachthauses" in Saidnaya (auch Sednaja oder Saydnaya) nahe der Hauptstadt Syriens Damaskus. (Archivbild). (Archivbild) (Anmesty International / Google Earth)
    Achtung: Der Text umfasst teils drastische Schilderungen von Gewalt, die verstörend wirken könnten.
    Es habe zwar schon länger Gerüchte über eine solche Eisenpresse gegeben, dokumentiert worden sei die Existenz bisher aber noch nie, schreibt der ausgewiesene US-Syrien-Experte Charles Lister auf X. Nun wisse man es, führte er mit Verweis auf Videoaufnahmen der Anlage aus. Insassen sollen damit sogar zu Tode zerquetscht, die Entsorgung von Leichen erleichtert worden sein, wie unter anderem auch das Magazin "Der Spiegel" schreibt.

    Auch Foltermethoden wie der "deutsche Stuhl" kamen im Saidnaya-Gefängnis in Syrien zur Anwendung

    Saidnaya ist ein Ort nahe Damaskus - man findet auch die Schreibweisen Saydnaya, Sednaya oder ähnliche. Bürger haben das Gefängnis nach dem Sturz der mehr als 50 Jahre währenden Schreckensherrschaft der Familie Assad auf der Suche nach Angehörigen gestürmt. Kleinkinder - vermutlich bei Vergewaltigungen gezeugt - wurden aus den Zellen befreit, wie laut Guardian inzwischen verifizierte Videos von der Befreiung Saidnayas zeigen. Zellen in absoluter Dunkelheit, mit Eisenbetten, verdreckt, blutverschmiert wurden aufgebrochen. Die Organisation ADMSP spricht von Saidnaya als einem Todeslager.
    Jahrzehntealte, wahrscheinlich jahrhundertealte Foltermethoden kamen zur Anwendung, wie der weltweit erste Prozesses wegen Staatsfolter in Syrien gegen zwei Funktionäre von Assads Geheimdiensten hervorbrachte. Das Verfahren wurde von 2020 bis 2022 in Deutschland, in Koblenz geführt. Häftlinge sind demnach mit Schlagstöcken, Kabeln, Schläuchen geschlagen, in Autoreifen (dulab) gezwängt und in dieser hilflosen Position misshandelt oder auf einen so genannten "deutschen Stuhl" gesetzt worden; ein Foltergestell aus beweglichen Teilen, das den Oberkörper überdehnen kann bis zum Bruch der Wirbelsäule. Insgesamt sind dutzende Foltermethoden dokumentiert. Hinzu kommen sadistische Exzesse von Wärtern.

    Vor den Massenhinrichtungen durch den Strang wurden die Assad-Gegner zusammengeschlagen

    Bis zu 13.000 Gefangene wurden in Saidnaya laut Amnesty systematisch ermordet. Zunächst wurden sie zusammengeschlagen, anschließend gruppenweise gehängt. Tausende weitere Menschen kamen durch Hunger, Durst, Folter und Misshandlung ums Leben - oder weil ihnen die medizinische Behandlung verwehrt wurde.
    Saidnaya sei nur ein Name, wenn auch der bekannteste, sagte der syrische Jurist und Menschenrechtsaktivist Anwar al-Bunni der Süddeutschen Zeitung. Es habe unzählige "Gefängnisse, Areale der Sicherheitsdienste, geheime Kerker" gegeben, von denen man vielleicht noch gar nichts wisse. Die syrische Staatsfolter zeige die Extreme, zu denen der Mensch fähig sei, führte der säkulare Christ aus.

    Überläufer "Caesar" schmuggelte tausende Fotos von entstellten Todesopfern aus Syrien raus

    Schätzungen zufolge galten in Syrien mehr als 150.000 Personen als verschwunden, heißt es in einer Studie von Jeremy Sarkin. Die meisten dürften in solchen Anlagen wie Saidnaya eingesperrt und ermordet worden sein.
    Ein ehemaliger syrischer Militärfotograf, der aus Sicherheitsgründen nur Caesar genannt wird, schmuggelte bereits Ende 2013 mehr als 50.000 Fotos aus dem Land. Sie zeigen die Leichen von tausenden Opfern des syrischen Regimes. Laut der französischen Journalistin Garance Le Caisne, die seine Bilder veröffentlicht hat, sind viele Leichen "bis auf die Knochen abgemagert, manche verstümmelt, von Schnitten oder Verbrennungen übersät. Einigen hat man die Augen herausgerissen. Andere sind von chemischen Substanzen entstellt. Wieder andere stecken in Plastiksäcken, aufgestapelt in einem Hangar."

    New York Times: Im Westen erregten die IS-Gräuel mehr Aufmerksamkeit als das syrische Gefängnissystem

    Insassen waren vor allem Zivilisten, die das Regime mit Demonstrationen und anderem angeblich regierungskritischem Handeln in Verbindung gebracht hat - manche waren Jahrzehnte lang eingesperrt, verloren durch die Qualen ihren Verstand. Verschwindenlassen, Folter und Misshandlungen von Regierungskritikern, Oppositionspolitikern, unliebsamen Journalisten waren laut dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) seit Jahrzehnten ein gängiges und weit verbreitetes Mittel der Machtausübung der Assad-Herrschaft.
    Vielfach hat die Weltöffentlichkeit davon aber nicht viel mitbekommen oder die Schilderungen ignoriert. Entführungen und Tötungen durch die Terrororganisation IS, schrieb die New York Times schon vor Jahren, hätten im Westen mehr Aufmerksamkeit erregt, dabei habe das syrische Gefängnissystem ein Vielfaches an Opfern gefordert.

    Ein Wärter im Saidnaya-Foltergefängnis nannte sich "Hitler"

    Der Sadismus und die Perversität der Wärter zeigen sich durch einzelne Schilderungen. Wie die US-Zeitung weiter berichtete, nannte sich einer von ihnen "Hitler". Er organisiert üppiges Abendessen für seine Kollegen, bei denen Gefangene sich hinknien und zu Tischen oder Stühlen werden mussten, während andere durch Schläge gezwungen wurden, Tiere zu spielen. Für Gefangene bestand das Essen derweil aus ein paar Bissen verrotteten und verschmutzten Nahrungsmitteln.
    Diese Nachricht wurde am 10.12.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.