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Wie der ANC die Kunst kontrollieren will

In Südafrika stoppt die Regierungspartei ANC schon mal ein Kunstprojekt, wenn sich politisch einflussreiche Menschen an höchster Stelle beschweren. So durften Skulpturen des Bildhauers Andries Botha nicht ausgestellt werden. Junge Künstler setzten daher schon die Schere im Kopf an, fürchten manche.

Von Leonie March |
    Die Elefanten stehen mitten auf einer Verkehrsinsel in der Hafenmetropole Durban. Umgeben von einem hohen Zaun. Er wirkt wie ein Käfig für die lebensgroßen, unvollendeten Skulpturen aus Draht und Steinen. Ein symbolträchtiges Bild: Kunst hinter Gittern.

    Die Stadt hatte die Skulpturen bei Bildhauer Andries Botha in Auftrag gegeben. Drei Elefanten als Metapher für den Umweltschutz. Das Werk war fast fertig, als sich ein politisch einflussreicher Mann an höchster Stelle beschwerte: Die drei Elefanten erinnerten ihn zu stark an das Logo der politischen Opposition. Die Behörden stoppten das Projekt daraufhin kurzerhand und denken nun schon seit Monaten darüber nach, was mit den Elefanten passieren soll. Für den international renommierten Bildhauer ist das mehr als ein persönlicher Affront.

    "Im gesamten Prozess hat niemand versucht, mich als Künstler einzubeziehen. Niemand schien es zu stören, dass es eine vertragliche Vereinbarung gibt. Jetzt wird das Kunstwerk entweder abgerissen, was man eigentlich nur von totalitären Staaten kennt, oder sie fügen andere Elemente wie ein afrikanisches Dorf hinzu, die die Aussage des Werks vollkommen verändern. So als wüssten sie nichts von der moralischen Autorität eines Kunstwerks und dass man so etwas einfach nicht tun darf."

    Für Andries Botha muss es wie ein Dejà-Vu gewesen sein, denn auch seine letzte Skulptur war erst von der Stadt in Auftrag gegeben und dann zensiert worden. Eine überlebensgroße Bronzefigur des Zulu-Königs Shaka vor dem gleichnamigen Flughafen in Durban. Bei der Enthüllung des Kunstwerks war Südafrikas Präsident Jacob Zuma noch voller Lob, doch unmittelbar danach beschwerte sich der amtierende König der Zulu: Shaka, der große Krieger, den der Bildhauer bewusst ohne Speer und Schild dargestellt hatte, erinnere zu sehr an einen einfachen Hirten. Das Machtwort hatte Gewicht, die Skulptur wurde entfernt und verstaubt seitdem in einer Lagerhalle.

    "Der Fall Shakas ist besonders kompliziert, weil ich als weißer Künstler einen schwarzen Körper interpretiert habe. Rassistische Kriterien spielen im gegenwärtigen gesellschaftlichen Klima Südafrikas noch eine enorme Rolle. Wir werden uns nicht weiterentwickeln, wenn wir nach wie vor in diesen beschränkten Debatten festsitzen."

    In der liberalen Verfassung Südafrikas haben alle Bürger die gleichen Rechte, unabhängig von Hautfarbe, Herkunft und Geschlecht. In der Realität greifen viele noch immer auf die alten Kategorien und Vorurteile zurück. Doch ein genereller Trend zur Zensur weißer Künstler ist nicht auszumachen. Es trifft auch andere wie die Fotografin Zanele Muholi, eine schwarze Südafrikanerin, die sich in ihrer Arbeit für die Rechte lesbischer Frauen einsetzt.

    Auf einer ihrer Ausstellungen kam es zum Eklat: Die damalige Kultusministerin weigerte sich, ihre Eröffnungsrede zu halten. Die Fotografien bezeichnete sie als unmoralisch und ordnete an, der Staat solle solchen Schund nicht länger fördern. Fälle direkter Zensur sind selten, aber gerade junge Künstler ließen sich von derartiger Rhetorik schnell einschüchtern und setzten die Schere im Kopf an, betont der Schriftsteller und Gründer eines Kulturforums im Internet, Etienne van Heerden.

    "Die Debatten werden zunehmend oberflächlicher, es gibt einen Trend hin zu reiner Unterhaltung. Der gesellschaftliche Diskurs verliert so an Vielschichtigkeit und das hat natürlich auch Einfluss auf unser Denken. Von besonderer Bedeutung ist die Rolle der Intellektuellen in Südafrika. Ich habe selbst erlebt, wie eng sie dem früheren Regime verbunden waren. Jetzt bekommt man erneut den Eindruck, dass Intellektuelle kaum Kritik an der politischen und wirtschaftlichen Elite üben. Ich denke, wir müssen jetzt sehr, sehr wachsam sein."

    Der Chor der Kritiker hätte auch im Fall des Bildhauers Andries Botha lauter sein können. Neben der Lokalpresse haben ein paar Kunstmagazine darüber berichtet. Eine umfangreichere Debatte über die verfassungsrechtlich verankerte Freiheit der künstlerischen Kreativität, über das Verhältnis zwischen Politik und Kunst am Kap gab es jedoch nicht. Damit das Warnsignal nicht überhört wird, zieht Andries Botha nun gegen die Stadt vor Gericht.

    "Vielleicht denken Künstler in Südafrika noch, dass das meine Sache sei, dass sie nicht den Kulturbetrieb als Ganzes betreffe. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass es ums Prinzip geht. Es beunruhigt mich, dass die Kunstszene sich angesichts dessen so passiv verhält. Denn es ist an der Zeit, dass wir uns alle ernsthaft mit den enormen Widersprüchen und der Ironie des Ganzen auseinandersetzen. Ich fühle mich manchmal wirklich wie in einem Stück von Kafka."