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Wie der Bund mehr in die Bildung investieren kann

Deutschland braucht eine engere finanzielle Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Bildungsfragen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung erstellt und heute in Berlin vorgelegt wurde.

Von Wolf-Sören Treusch | 23.09.2011
    Eine Neuordnung der Bildungsfinanzierung ist gerade aus Sicht der Länder nötig. Damit sie nicht nur auf den Kosten sitzen bleiben, sondern auch etwas von den Erträgen haben. Das die Kernthese von Dieter Dohmen, Direktor des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie:

    "Unsere Untersuchungen zeigen sehr deutlich, dass es de facto eine Umverteilung gibt: Die Länder haben die höchsten Kosten, und insbesondere die Sozialversicherungen und der Bund profitieren davon. Etwas salopp formuliert: Das ist so, als würden Sie mit Ihrem Nachbarn ein Auto kaufen und Sie dürften am Samstag mal damit fahren, ansonsten fährt der Nachbar damit. Teilen sich Bund und Länder die Kosten, wie das derzeit beim Hochschulpakt der Fall ist, steigen die Renditen der Länder auf 13 Prozent und die des Bundes sinken von 40 auf 13 Prozent, das heißt, dass die Länder de facto entlastet werden, eine höhere Rendite haben und sich damit Bildungsinvestitionen stärker rechnen."

    Mehr Investitionen des Bundes in die Bildung: ja. Aber nur, wenn die Möglichkeit erweiterter Finanzhilfen im Grundgesetz verankert werde. Sagt Joachim Wieland von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Größere Rechtssicherheit, so der Jurist, ließe sich nur durch eine Erweiterung des Verfassungsartikels 104 erreichen:

    "Einzige Bedingung ist: Achtung der Bildungshoheit der Länder, das Ganze muss einstimmig erfolgen. Das ist eine Hürde einerseits, andererseits sichert es die Länder auch ab, dass es keine politische Begünstigung gibt irgendwie politisch nahestehender Länder, und Grundlage wird eine Vereinbarung. Das heißt, wenn man einen solchen 104c schaffen würde, wäre das ein Stück weit aus meiner Sicht eine Win-win-Situation."

    Denn damit könne der Bund verfassungsrechtlich absichern, was er in den vergangenen Jahren sowieso immer schon praktiziert habe: Gelder für einzelne Bildungsprojekte zur Verfügung zu stellen. Und, so der Jurist, die Länder behielten die Bildungshoheit und würden alle gleich behandelt.

    Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft unterstützt diese Idee. Die notwendige Einstimmigkeit der Länder sieht sie nicht als Problem:

    "Schauen Sie auf die Exzellenzinitiative, das muss keine Hürde sein, manchmal ist es ein Stück weit vernünftiger, wenn man sich gemeinsam auf den Weg macht. Nur das Risiko bei Nicht-Einstimmigkeit liegt für uns Länder darin, dass es zur Begünstigung einiger politisch kommoder Länder kommt für bestimmte Maßnahmen, und das wollen wir natürlich ausschließen. Dass das eine hohe Hürde ist, außer Frage, aber der Problemlook ist so groß, dass ich sehr zuversichtlich bin, dass es dort zu Einigungen dieser Art kommen kann."

    Wer zahlt, entscheidet. Dass der Bund noch stärker als bisher versuchen könnte, Einfluss auf die Verteilung der Gelder zu nehmen, hat auch Hannelore Kraft im Blick:

    "Von Länderseite her, und das ist jetzt überspitzt dargestellt, ich bitte das auch so zu werten, entsteht bei uns der Eindruck, wir werden nicht auskömmlich finanziert als Länder. Und über die nicht auskömmliche Finanzierung versucht man, die hoheitlichen Aufgaben der Länder auf die Bundesebene zu transferieren. Das würde niemand offen so sagen, aber das ist im Grunde die Gefahr, die die Länder dahinter sehen. Und deshalb ist es wichtig, einen solchen Weg zu finden, in dem das eine getan wird, ohne dass das andere passiert."

    Dieter Dohmen vom Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie schlägt zudem vor, eine "Bundesstiftung Bildung" einzurichten. Damit ließe sich beispielsweise der Bau neuer Forschungseinrichtungen finanzieren. Er hat auch schon eine konkrete Summe im Kopf, mit der der Bund in die Stiftung einsteigen könnte:

    "Wenn man mal unterstellt, dass er fünf Milliarden pro Jahr zusätzlich in die Bildung geben würde, dann wäre das schon einiges, das wäre Pi mal Daumen eine Steigerung um 50 Prozent des Bundeshaushalts. Dieses würde bedeuten, dass im gesamten Bildungsbereich massiv ausgebaut werden könnte und dass der Anteil des Bundes immer noch vergleichsweise geringfügig steigt, aber dass sich die Renditen der Länder deutlich erhöhen."

    Später könnten auch private Geldgeber in diese Stiftung einzahlen, so der Bildungsexperte. Die Idee einer solchen Bundesstiftung hatte schon der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder 2002 ins Gespräch gebracht. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hält von dieser Idee nichts:

    "Als Ministerpräsidentin eines Landes möchte ich die Rendite gern selber haben, und ich möchte sie nicht mit jemandem teilen."

    Ganz klar favorisiert sie die Variante, mit Hilfe einer Verfassungsänderung weiter reichende Finanzhilfen des Bundes zu ermöglichen. Auch ihre Partei, die SPD, steht hinter diesem Konzept.